Sundern. Die von Kämmerin Ursula Schnelle im Juli überraschend und mitten in den Ferien erlassene Haushaltssperre mit ihren Ursachen und Folgen stand im Mittelpunkt des Monatspressegesprächs im Rathaus. Im Juli habe sich eine Mehrbelastung von 930.000 Euro für den Haushalt abgezeichnet. Da sei die Haushaltssperre als sofortige und wirksame Gegensteuerung notwendig geworden, sagte Schnelle. Bürgermeister Ralph Brodel, der im Italienurlaub „in Badebuxe“ erfahren hatte, dass seine Kämmerin die Notbremse zog, kritisierte zum wiederholten Male die vielen Ausgaben, die Bund und Land der Stadt auferlegen. „Wenn die, die die Musik bestellen, sie auch bezahlen würden, ginge es Sundern gut.“
Gewerbesteuer sprudelt
Bis zur Jahresmitte sei alles im grünen Bereich geblieben, nicht zuletzt, weil die Steuern stärker als erwartet sprudelten, sagte die Kämmerin. Allein die Gewerbesteuer liege 1,3 Millionen Euro über dem Ansatz. Kostentreiber seien dagegen unter anderem das neue Unterhaltsvorschussgesetz, gesetzliche Neuregelungen und steigende Fallzahlen bei der Jugendhilfe und ausbleibende Erstattungen für den Lebensunterhalt geduldeter Personen im Asylverfahren. Weil Sundern als Haushaltssicherungskommune zwingend sein Maximaldefizit einhalten müsse, sei die Haushaltssperre notwendig, sagte Schelle und erläuterte, dass sie dabei nur an den freiwilligen Leistungen sparen könne. Das sei eine schmerzhafte Zwangslage. Steuererhöhungen mitten im laufenden Haushaltsjahr seien nicht möglich. Ein Nachtragshaushalt, wie ihn zwischenzeitlich die SPD gefordert hat, sei „krasser“ und nicht der richtige Weg, solange das Loch unter einer Million liege und noch wirksam gegengesteuert werden könne.
Unterhaltsvorschuss: Über 100 Prozent Zuwachs
Fachbereichsleiter Martin Hustadt berichtete, dass die Auswirkungen des Unterhaltsvorschussgesetzes alle Erwartungen übertroffen hätten. Mit Anhebung der Altersgrenze von 12 auf 18 Jahre habe die Stadt mit einer Verdoppelung der Fälle gerechnet, in denen sie für säumige Unterhaltszahler einspringen muss. Doch schon in den ersten zwei Monaten seien zu den 82 Altfällen 97 Neuanträge hinzugekommen. Ein Mehraufwand, der auch mindestens zu einer Verdoppelung des Personals führen müsse, so Hustadt. Das sei derzeit aber keineswegs möglich, man müsse sehen, wie man zurechtkomme, sagte der Bürgermeister. Immerhin hatte Hustadt eine frisch eingetroffene gute Nachricht. Das Land kommt den Kommunen finanziell entgegen, sie müssen nur noch 30 Prozent der Unterhaltsleistungen selbst zahlen und dürfen fünf Sechstel der bei Schuldnern eingetriebenen Summe behalten.
Personalproblem in Stadtbibliothek
Personalprobleme gibt es im Moment auch in der Stadtbibliothek, nachdem eine Mtarbeiterin gegangen und eine andere langzeiterkrankt ist. Wie es hier weitergehe, sei noch offen, so Brodel. Eine Stelle neu zu besetzen sei derzeit nicht so einfach, weil die Bibliothek als freiwillige Leistung gelte. Derzeit laufe der Ausleihbetrieb mit Mitarbeitern aus dem Rathaus, die aushelfen.
Negative Situation für Jugendarbeit
Akuten Personalbedarf sieht der Bürgermeister auch im Jugendcafé Gammon am Bahnhof. Das werde inzwischen so gut angenommen, dass eine Aufsicht nicht mehr ausreiche, um die häufig über 40 Jugendlichen zu betreuen, die montags bis samstags jeweils von 16 bis 19 Uhr ins Gammon kommen. Hier neue Minijobber einzustellen sei notwendig, um eine sehr negative Situation für die Jugendlichen zu verhindern. Aber das gelte ebenfalls als freiwillige Leistung, obwohl es der Vorbeugung diene und spätere hohe Kosten für Erziehungshilfen vermeiden helfen könne, so Brodel. Hustadt berichtete, dass die Kosten für die Unterbringung von Jugendlichen in Familien oder Heimen wie jedes Jahr weiter steigen. Pro Fall seien das zwischen 4000 und 13.000 Euro im Monat. Brodel ergänzte, dass es sein klarer politischer Wille sei, zukünftig auch das Jugendbüro mit derzeit einer Mitarbeiterin personell zu verstärken.
Land zahlt nicht mehr für Geduldete
Erhebliche Kosten verursacht inzwischen die wachsende Zahl von Asylbewerbern mit dem Status „geduldet plus drei Monate“. Das sind Flüchtlinge, deren Asylantrag abgelehnt wurde, bei denen aber ein Abschiebehindernis vorliegt, meist, weil ihre Identität nicht feststeht oder ihr Heimatland die Aufnahme verweigert. Für sie zahlt das Land den Unterhalt nur noch drei Monate lang. Danach muss die Stadt alleine für den Lebensunterhalt aufkommen, was etwa 10.000 Euro pro Person und Jahr kostet. Derzeit haben in Sundern 53 Flüchtlinge diesen Status. „Das kann so nicht bleiben“, sagte Brodel und kündigte an, bei der nächsten Bürgermeisterkonferenz mit seinen HSK-Kollegen einen deutlichen Brief an die Landesregierung zu verfassen. Auch sagte er, die Diskussion dürfe jetzt nicht die Flüchtlinge und auch nicht die vielen engagierten Flüchtlingshelfer treffen, sondern „die, wo es hingehört, und das ist in Düsseldorf“.
Brodel kritisierte in dem Zusammenhang auch „kafkaeske Zustände“ beim Bundesamt für Flüchtlinge und Migration. So dauere es Wochen und Monate, in Einzelfällen sogar mehr als ein halbes Jahr, bis die Stadt Sundern erfahre, dass ein hier lebender Asylbewerber eine Ablehnung bekommen habe und entsprechend planen könne.