Oeventrop. Da schlackerten die Oeventroper Bezirksausschussmitglieder mit den Ohren. Sie hatten sich einen Experten in ihre Sitzung geladen, um endlich mal zu klären, warum die Gewerbeterrassen Wildshausen im östlichsten Zipfel des Stadtgebiets seit zwei Jahrzehnten wie Blei in der Landschaft liegen und mit Wildkräutern statt mit Arbeitsplätzen zuwachsen. Und was hörten sie? Sie sollten vielleicht mal die dicken Baumstämme an der Einfahrt wegräumen, damit Interessenten auch in das Gebiet reinfahren könnten, sagte der Gast aus Dortmund. Wer zigtausend Euro investieren will, wird doch sicher auch ein paar Meter zu Fuß gehen können, meinten die Oeventroper Politiker, die einen ganz anderen Knackpunkt ausgemacht haben: die Unsicherheit, die auf dem einstigen Werksgelände der Zellstofffabrik noch im Boden schlummert.
NRW.Urban: Schon 400.000 Quadratmeter verkauft
Uwe Krieling ist Projektleiter bei NRW.Urban, seit fünf Jahren die Nachfolgeorganisation der Landesentwicklungsgesellschaft (LEG). Die LEG hatte vor über 20 Jahren die Flächen der insolventen Zellstofffabrik in Wildshausen aus der Konkursmasse übernommen und mit Millionenaufwand saniert. Aus der Sicht Krielings ist die Bilanz nach zwei Jahrzehnten offenbar recht gut. „Schauen Sie mal, wie viel schon verkauft ist,“ deutete er auf eine Karte. 21 Kaufverträge seien bereits abgeschlossen worden, von ursprünglich 473.000 Quadratmetern seien nur noch 73.000 Quadratmeter übrig. „Da ist aber noch so gut wie kein einziger neuer Arbeitsplatz entstanden,“ kam die Antwort von Karl Keßler (SPD). Ein Einwurf, den der Mann von NRW.Urban schlecht entkräften konnte. Sein „großes Ding“ war bisher der Verkauf der zuvor gesicherten Deponie an die Stadt. Zudem zählte er den Verkauf von acht Häusern mit 16.000 Quadratmetern Fläche an einen britisch-amerikanischen Investor sowie den Verkauf von zwei weiteren Häusern an die Stadt auf. An Gewerbeflächen seien bisher 27.000 Quadratmeter verkauft worden. Dazu zählen die Wasserkraftanlage unterhalb und die Autowerkstatt oberhalb der zentralen Gewerbeterrasse, die nach wie vor leer ist.
Ein Zukauf und ein neuer Interessent aus Meschede
In enger Zusammenarbeit mit der Arnsberger Wirtschaftsförderung werde an weiteren Kaufverträgen gearbeitet, so Krieling. So wolle sich einer der bestehenden Betriebe im nächsten Quartal um 3000 Quadratmeter erweitern und auch ein Betrieb aus Meschede sei interessiert, sich hier anzusiedeln. Die Oeventroper Politiker hörten es wohl, doch sie machten keinen Hehl daraus, dass sie sich in den letzten zwei Jahrzehnten doch deutlich mehr erhofft hätten. Wie es denn komme, das Meschede-Enste pickepacke voll sei und erweitert werden müsse und auch in Gut Nierhoff in Voßwinkel, wo viele Jahre später begonnen wurde, schon eine Erweiterung ins Haus stehe, aber in Wildshausen nichts passiere trotz günstiger Grundstückspreise und Nähe zur Autobahn, fragte Gerd Stodollik (SPD). Eine Frage, die Krieling nicht beantworten konnte. Auf die Nachfrage, ob er einen Tipp geben könne, kam er mit den Baumstämmen. Die halten die Oeventroper in der derzeitigen Situation aber für unverzichtbar. Denn ohne diese Absperrung war die weitläufige, ebene und mit einer breiten Straße gut erschlossene Gewerbeterrasse durchaus intensiv genutzt worden, aber anders als gewollt als wilde Mülldeponie mit hohen Entsorgungskosten für die Stadt und als einsamer Platz für Schäferstündchen. Die Anziehungskraft sei sogar so groß gewesen, dass die zunächst als Absperrung genutzten dicken Steinbrocken mit den Autos beiseite geschoben worden seien. Das sei jetzt bei den Baumstämmen nicht mehr möglich.
Politiker: „Keiner kauft doch die Katze im Sack!“
Die Politiker konfrontierten den Mann von NRW.Urban mit ihrer längst nicht mehr nur Vermutung, sondern Gewissheit, warum sich keine Investoren für die Gewerbeterrassen fänden. Die Kaufverträge, in denen steht, dass das Risiko von Altlasten nach zwei Jahren auf den Käufer übergeht. „Das ist der Knackpunkt, keiner kauft doch die Katze im Sack!“ so Martin Assheuer (CDU). Auf die Forderung der Oeventroper, diesen Passus aus den Verträgen zu nehmen, zeigte sich Krieling verwundert. So etwas höre er das erste Mal in 35 Jahren, denn das seien Standardverträge, die vom Finanz- und Bauministerium so vereinbart seien. Im Ruhrgebiet habe er überhaupt keine Probleme, solche Flächen zu verkaufen. Vielleicht liege es in Wildshausen ja daran, dass drumherum alles so schön grün sei, vermutete er, um dann aber gleich wieder mit einer weit ausholenden Bewegung seiner Hände deutlich zu machen, wie dick die vorliegenden Gutachten zum Thema Altlasten seien, die nicht nur jeder Kaufwillige gerne einsehen könne, die auch Teil eines Kaufvertrags seien.
Boden teilweise acht Meter tief bis auf den Fels abgetragen
„So, wie die Fläche da liegt, sind keine Altlasten vorhanden,“ sagte Krieling und erläuterte, dass zum Beispiel die Klärschlämme in den ehemaligen Klärteichen entgegen ursprünglicher Planungen komplett entsorgt worden seien und dass der Boden teilweise acht Meter tief bis auf den Fels abgetragen worden sei. Bei einem verzögerten Baubeginn habe der Käufer zudem die Möglichkeit, die Zwei-Jahres-Frist verlängern zu lassen. Wasser auf die Mühlen der Oeventroper Politiker goß dagegen Stadtplaner Wilfried Bergmann, der sich an mehr als einen Fall erinnerte, wo in einem als altlastenfrei angesehenen Bebauungsplangebiet der Bagger dann doch beim Ausheben einer einzelnen Baugrube auf eine alte Deponie gestoßen ist.
Bürgermeister soll an zwei Minister appellieren
Ausschussvorsitzender Klaus Büenfeld fasste die Überzeugung des Ausschusses zusammen: Die Situation ist unbefriedigend und das klappt nicht wegen des Restrisikos!“. Weil NRW.Urban laut Uwe Krieling an die von zwei Ministerien erstellten Vertragsentwürfe gebunden sei, forderte der Bezirksausschuss einstimmig Bürgermeister Hans-Josef Vogel auf, an die Minister zu schreiben und für Oeventrop eine Regelung zu verlangen, die auch im Sinne der Ziele der Landesplanung sei, möglichst wenig Natur zu verbrauchen und brachliegende Flächen zu nutzen.