Sundern. Sunderns Bürgermeister Detlef Lins bleibt – unbeschadet der Gastwelten-Insolvenz – Aufsichtsratsvorsitzender der Stadtmarketing Sundern eG. Eine Mitgliederversammlung sprach ihm und weiteren Aufsichtsratsmitgliedern am Montagabend mit großer Mehrheit das Vertrauen aus. Die beiden ehrenamtlichen Stadtmarketing-Vorstände – Rechtsanwalt Stefan Voß und Sparkassendirektor Stephan Köster – räumen dagegen ihre Posten. Als Nachfolger wurden Bernhard Pingel und Matthias Berghoff gewählt. Mit dem bisherigen Tourismusmanager Jeroen Tepas als neuem Geschäftsführer ist damit das Stadtmarketing-Team der Nach-Rogoll-Ära komplett.
Statt der „üblichen 30 Männekes“ füllten über 100 der insgesamt 280 Stadtmarketing-Genossen den Saal des „Tagwerks“ und hatten viele Fragen mitgebracht, auch die nach der politischen Verantwortung. „Gemach, gemach,“ sagte Detlef Lins, „Verantwortung muss ich übernehmen, wenn ich für die Schieflage verantwortlich bin.“ Mehrfach berief sich der Bürgermeister auf ein externes juristisches Gutachten, das dem Aufsichtsrat bescheinige, korrekt gehandelt zu haben. Seine vordringliche Aufgabe sehe er derzeit in der weiteren Aufarbeitung der Dinge und in der Suche nach einer Lösung für den Fortbestand des Projekts Gastwelten. „Am Ende des Tages“ werde er sich nicht scheuen, auch Verantwortung zu tragen, so Lins.
„Vertraut“ und „hinters Licht geführt“
Alles sei für ihn unbefriedigend, doch der Eindruck, da seien „nur Vollpfosten am Werk“ gewesen, sei falsch, sagte Lins. Ein Stadtmarketing-Mitglied warf ein, die Medaille könne nur zwei Seiten haben, entweder habe jemand versagt oder sei betrogen worden. Alle Wortbeiträge von Lins, Voß und Köster liefen darauf hinaus, dass das zweite der Fall war, auch wenn der Begriff Betrug nie fiel, allenfalls „hinters Licht geführt“. Alle drei betonten immer wieder, dass sie dem Gastwelten-Vorstand Franz-Josef Rogoll vertraut hätten, und das sie auch keinen Grund gesehen hätten, dies nicht zu tun nach 15 Jahren guter Zusammenarbeit im Sunderner Stadtmarketing. Auf Nachfragen wurde bekannt, dass es im zunächst dreiköpfigen Gastwelten-Vorstand, dem auch Voß und Köster bis Mai angehörten, kein Zwei-Augen-Prinzip gab. Jeder Vorstand war allein handlungsberechtigt. So betonten Lins, Voß und Köster mehrfach, dass man doch nicht für Verträge verantwortlich sein könne, die man nicht nur nicht gesehen habe, sondern von deren Existenz man nicht einmal gewusst habe. Alle drei erklärten auch, dass bei ihnen bei der benötigten Zwischenfinanzierung über 750.000 Euro Anfang des Jahres nicht die Alarmglocken geklingelt hätten, sondern dass dies wegen der Projektverzögerung um über ein Jahr für sie nachvollziehbar gewesen sei.
Ungläubiges Staunen: 250.000-Euro-Rechnung vom Fraunhofer-Institut
Auf Nachfragen gab es auch Einzelheiten zur Gastwelten-Schieflage. So sei durchaus einiges Geld in Arbeiten am alten Fabrikgebäude geflossen, auch wenn man das nicht unbedingt sehe. Nicht die Baumaßnahmen selber seien das Problem, so Lins, sondern zwei andere Faktoren. Zum einen seien in den Verträgen mit Teileigentümern Fixsummen für Werkverträge angesetzt worden, die viel zu niedrig gewesen seien. Zum anderen habe es enorme Vorlaufkosten von 750.000 Euro und mehr gegeben. Am Ende hätten da Rechnungen auf dem Tisch gelegen, die sich nicht mehr auffangen ließen. Für ungläubiges Staunen im Saal sorgte die Summe von 250.000 Euro, die allein das Fraunhofer-Institut in Rechnung gestellt hat. Lins und die beiden Vorstände betonten, dass ihnen die Kooperation mit dem renommierten Institut immer wieder als großes Ding angepriesen wurde, dass aber keine Rede davon gewesen sei, dass da eine Rechnung komme.
Sunderner Handwerker „nur gering betroffen“
Der Bürgermeister äußerte sich auch zu finanziellen Folgen. Sunderner Handwerker seien nur in geringem Maße betroffen mit einigen Rechnungen, die nach Mai 2013 angefallen seien. Die Mehrzahl der offenen Rechnungen betreffe auswärtige Gutachten und dergleichen. Die Stadt Sundern habe kein Geld in den Gastwelten gehabt. Die Stadtmarketing-Genossenschaft habe ihre Einlage verloren und im laufenden Jahr ein Defizit von 70.000 Euro, so dass sie jetzt ausscheidenden Mitgliedern ihre Einlage nicht zurückzahlen könne. Für 2014 rechnet Lins aber wieder mit einem Plus von 140.000 Euro. Rund 300.000 Euro an Steuergeldern seien über den Landeszuschuss verbaut worden. Rund 2,1 Mio. Euro der vom RP bewilligten Fördersumme seien aber noch nicht abgerufen worden und stünden bei einer Fortführung des Projekts weiterhin zur Verfügung. Erst bei einer endgültigen Insolvenz sei der Förderbescheid hinfällig.
Abfindung im vierstelligen Bereich
Auch der geschaßte Gastwelten-Vorstand Franz-Josef Rogoll war Thema. Oberste Priorität, so Lins, hatte bei der Trennung, arbeitsrechtliche Prozesse und damit finanzielle Risiken für das Stadtmarketing zu vermeiden. Inzwischen sei ein Aufhebungsvertrag unterzeichnet worden. „Eine gute Lösung“, so Lins, die „nur einen einstelligen Prozentsatz des Risikos bei einer gerichtlichen Auseinandersetzung“ koste. Auf die Frage, ob die Abfindung sechsstellig sei, sagte der Bürgermeister: “ Um Himmels Willen!“ – und fügte dann „vierstellig“ hinzu. Lins kündigte zudem an, am Mittwoch nach Venlo zu fahren, um mit den Holländern auch eine Lösung für das Projekt Ferienpark zu finden, wo Rogoll ebenfalls in leitender Position tätig war. Aus dem Publikum kam auch die Frage, ob sich Rogoll und eine Mitarbeiterin selbst Gehaltserhöhungen oder Dienstwagen genehmigt hätten. Rogoll habe, so die Antwort, bei den Gastwelten das gleiche verdient wie zuvor beim Stadtmarketing und eine Gehaltserhöhung hätte der Stadtmarketing-Vorstand genehmigen müssen. Und das neue Auto der Mitarbeiterin habe diese privat angeschafft.
Neustart mit Beschränkung auf das Kerngeschäft
Die Amtszeit der Stadtmarketing-Vorstände Stefan Voß und Stephan Köster endet in diesem Jahr. Dass sie nicht wieder kandidierten, hänge, so sagte Voß den Mitgliedern, mit den – für ihn allerdings nicht ganz transparenten – Regelungen zusammen, die mit Franz-Josef Rogoll getroffen wurden. Detlef Lins dankte beiden Vorständen für ihre gute Arbeit und hob hervor, dass Stefan Voß schon seit der Gründung des Stadtmarketing 1998 im Vorstand war. Für einen Neustart, der sich auf das Kerngeschäft beschränken werde, sieht Lins das Stadtmarketing gut aufgestellt, weil jetzt ein Vorstand, Bernhard Pingel, aus dem Einzelhandel und der andere, Matthias Berghoff, aus der Hotellerie kommt. Im neunköpfigen Aufsichtsrat, der ebenfalls turnusmäßig zur Wahl anstand, gab es nur eine Veränderung. Heinz Berghoff, der Vater des neuen Vorstandsmitglieds, ist ausgeschieden. Für ihn wurde Erwin Hengesbach gewählt. Der neue Stadtmarketing-Geschäftsführer Jeroen Tepas sieht es jetzt als seine wichtige Aufgabe, Vertrauen zu schaffen, und versprach den Mitgliedern Offenheit und Transparenz. Abschließend lud er zum Adventsbummel in der Fußgängerzone am kommenden Samstag von 13 bis 18 Uhr ein.