Neheim. „Vor Weihnachten haben wir hier die Menschen gestapelt, die Arbeitsmöglichkeiten waren zu bestimmten Zeiten frustrierend,“ erinnert sich die stellv. VHS-Leiterin Sylvia Müller-Dörfler und freut sich zugleich mit allen VHS-Mitarbeitern und ‑Besuchern, dass diese Zeiten vorbei sind. Innerhalb von nur anderthalb Monaten konnte das neue Sprachen-Zentrum der VHS dank besonderer Unterstützung der Stadt Arnsberg verwirklicht werden. Gleich nebenan im Neheimer Möhnepark konnte die VHS eine ganze Etage eines Nachbargebäudes anmieten und herrichten. Wo früher eine Versicherung zu Hause war, gibt es jetzt fünf neue freundlich-helle Klassenräume, zwei davon auch groß genug für Integrationskurse mit bis zu 25 Teilnehmern, die bereits eifrig genutzt werden. Vorbei sind damit die Zeiten, dass kleinere Sprachkurse sogar in die Büros von VHS-Mitarbeitern verlegt werden mussten.
„Noch nie haben so viele Sprachen gelernt“
„Noch nie haben in dieser Stadt, wo 120 Nationen leben und 80 Sprachen gesprochen werden, so viele Menschen Sprache gelernt,“ sagte Bürgermeister Hans-Josef Vogel, der sich selbst einen Eindruck vom neuen Sprachen-Zentrum verschaffte. „200 Kinder und Jugendliche lernen derzeit in den Internationalen Klassen der Arnsberger Schulen Deutsch, rund 350 sind es bei der VHS, Tendenz steigend, etliche weitere in anderen Kursen etwa beim Internationalen Arbeitskreis“, so Vogel. Das neue Sprachen-Zentrum soll aber nicht nur für die Neuankömmlinge da sein, die Deutsch lernen wollen, sondern auch für die Arnsberger, die in en klassischen VHS-Kursen Fremdsprachen lernen wollen. Etwa 280 sind dies im gerade beginnenden Halbjahr. „Auch hier gibt es mehr Nachfrage, insbesondere auch bei Englisch als Brückensprache,“ so VHS-Leiter Klaus-Rainer Willeke. Er habe noch nie in seinem Leben so viel Englisch gesprochen wie in den letzten Monaten, bestätigte hier der Bürgermeister. Aber auch Arabisch-Schnupperkurse sind inzwischen sehr gefragt bei der VHS. „Auch wenn die Flüchtlinge natürlich Deutsch lernen sollen, wollen viele Arnsberger, die beruflich oder ehrenamtlich mit Flüchtlingen zu tun haben, zumindest die Begrüßungs- und Höflichkeitsformeln in Arabisch beherrschen,“ sagt Willeke.
Sprache kommt noch vor der eigenen Wohnung
Der Bürgermeister wandte sich auch energisch gegen Behauptungen, viele Flüchtlinge wollten überhaupt nicht Deutsch lernen. Nach seinen vielen persönlichen Erfahrungen rangiere der Wunsch, schnell die Sprache zu lernen, nahezu ausnahmslos ganz weit vorne. Wunsch Nummer 1 sei, die Kinder möglichst schnell wieder in die Schule zu bekommen, weil sie durch die Flucht schon zu viel Zeit verloren hätten. Direkt danach und noch vor der eigenen Wohnung komme die Sprache. Vogel hält zudem Deutsch-Unterricht auch für diejenigen, die wieder gehen werden, für sinnvoll. Denn die würden bei der Rückkehr in ihr Heimatland dafür sorgen, dass die deutsche Sprache dort mehr Bedeutung bekomme und dass das Bild von Deutschland gewinne. Er rechne derzeit mit einer Bleibequote von 60 Prozent, fügte der Bürgermeister hinzu.
Hoch motivierte Schülerinnen und Schüler
Auch VHS-Besucher, die gerade mal im zweiten Monat Deutsch lernen, konnten ihre Motivation schon recht gut schildern. Eine Mutter von zwei Kindern sagte, sie lerne, weil sie endlich die Fragen ihrer Kinder beantworten können wolle, ein junger Afrikaner sagte, er wolle einen guten Job und dafür brauche er gute Sprachkenntnisse. Auch die Lehrer sind von den neuen Räumlichkeiten angetan. Elisabeth Apke, die drei Tage in der Woche unterrichtet und schon 27 Jahre dabei ist, sagte: „Wunderbar, jetzt haben wir alle mehr Luft.“ Und Kollege Hartmut Zieger, der in Vollzeit unterrichtet, hofft darauf, dass die Kurse jetzt auch nach Lerntempo differenziert werden können. „Es sind Leute dabei, die unglaublich schnell lernen. So was habe ich noch nicht erlebt.“ Von allen Lehrern werde auch bestätigt, dass es noch nie so wenig Disziplinarprobleme gegeben habe, ergänzt Sylvia Müller-Dörfler, die zuversichtlich ist, dass es künftig zumindest wegen der Raumfrage keine Verzögerungen für die Lernwilligen mehr geben werde. Nach wie vor eng ist es allerdings bei qualifizierten Lehrkräften. Hier appelliert die VHS-Leitung an alle, die die nötige Qualifikation haben, sich zur Verfügung zu stellen. So wie Otto Voss. Der bereits seit 13 Jahren pensionierte Schulleiter steht inzwischen wieder vier Tage die Woche vor seinen Schülerinnen und Schülern. „Ich komme aus Syrien. Ich bin nach Arnsberg gekommen. Ich lerne Deutsch“, lesen alle von der Tafel.