Arnsberg/Sundern. „Georg Nellius hat als Komponist, Dirigent und Kulturfunktionär während der Weimarer Republik und in der NS-Zeit wesentliche Bestandteile der NS-Ideologie bejaht; er hat über Jahrzehnte den „Führer“ Adolf Hitler und dessen Politik durch seine Kompositionen und in Selbstzeugnissen verherrlicht; er hat, wie jetzt nachzuweisen ist, als Funktionsträger im Musikwesen der NS-Zeit eine rassistische Judenfeindschaft an den Tag gelegt und Chorleitern negative Konsequenzen angedroht, falls „jüdische Musik“ nicht aus dem Programm genommen würde. Georg Nellius gehört somit nicht zu den Persönlichkeiten, die durch einen Straßennamen öffentlich geehrt werden können.“ Dieses „durch zahlreiche Quellen sicher belegte Fazit“ ziehen Peter Bürger vom Museum Eslohe, der Sunderner Heimatforscher Werner Neuhaus und Arnsbergs Stadtarchivar Michael Gosmann in einer über 120-seitigen Dokumentation über Georg Nellius (1891 – 1952), die sie in den letzten Wochen anlässlich der derzeit laufenden Straßenumbenennungsdebatte erstellt haben.
„Unbezweifelbare Ergebnisse, die jeder nachvollziehen und überprüfen kann“
Als Resümee und Votum schreiben Bürger, Neuhaus und Gosmann: „Die hier vorgelegte Forschungsarbeit nebst Dokumentation antwortet auf ein berechtigtes Informationsbedürfnis von Bürgerinnen und Bürgern und Politikerinnen und Politikern. Sie basiert in erster Linie auf der arbeitsteiligen Erschließung von drei umfangreichen Quellensegmenten aus mehreren Archivbeständen, die bislang in der öffentlichen Diskussion zum größten Teil noch gar nicht berücksichtigt worden sind. Die neue Forschungslage ermöglicht es, unbezweifelbare Ergebnisse vorzulegen, die jeder anhand dieser Veröffentlichung nachvollziehen und überprüfen kann. Diese Ergebnisse fallen allerdings um ein Vielfaches erschreckender aus, als es die bis zum Herbst 2013 schon bekannten Sachverhalte erwarten ließen. Ein bislang so zentraler Beleg wie der Nellius-Liederzyklus „Volk und Führer“ (op. 63; 64) erscheint nunmehr z.B. nur noch als Mosaikstein aus der Biographie eines NS-Musikfunktionärs. Alle grundlegenden Quellen, auf die wir uns beim historischen Nachweis stützen, stammen aus der Zeit vor 1945. Eine Überprüfung anhand der später datierten Zeugnisse erbrachte zusätzlich eine Bestätigung bei sämtlichen wichtigen Fragestellungen.
Nach Auswertung der derzeit bekannten und zugänglichen Archivmaterialien kommen wir zu folgendem Ergebnis:
- Georg Nellius stand bereits während der frühen Weimarer Republik in engem Kontakt zu völkisch-antisemitischen Kreisen und Hitler-Verehrern im Sauerland. Besonders als Vorsitzender des – zunehmend und schließlich eindeutig – nationalsozialistisch ausgerichteten „Sauerländer Künstlerkreises“ war er in der Spätphase der Weimarer Republik einer der Steigbügelhalter des NS im Sauerland. Dies wurde auch nachweislich von der Neheimer NSDAP so gesehen. Nellius bezeugt u.a. schon in persönlichen Aufzeichnungen vom 6. 12. 1931 die Lektüre von „Mein Kampf“ und sein vorauseilendes Bekenntnis zum „3. Reiche und seinem bewunderten Schmied Adolf Hitler“.
- Aus der Zeit seiner Tätigkeit als Studienrat und NS ‑Kulturfunktionär in Herne (1933- 1945) gibt es dann eine Fülle schriftlicher Aussagen von Nellius selbst, aber auch von Zeitgenossen, die eindeutig seine Führerverherrlichung und rassistisch-antisemitische Grundeinstellung und Tätigkeit belegen. Wenn Chorleiter bzw. öffentliche Einrichtungen Stücke von Dichtern oder Komponisten auswählten, die Nellius anhand seiner Fahndungsliteratur als „Volljuden“ identifizierte, wurden sie von diesem, z.T. unter Drohungen, zurechtgewiesen. Besonders seine Bewunderung für Adolf Hitler und dessen aggressive Außen- und Kriegspolitik lässt sich in zahlreichen Texten, die er in den 1930er Jahren und während des Zweiten Weltkrieges vertont hat, belegen. Die Auswahl weist bei den kriegspropagandistischen Werken auf einen regelrechten „Todeskult“ hin und enthält z.B. noch 1941 wörtlich die Parole: „Ein Volk, ein Reich, ein Führer! / Unserm Führer: Sieg – Heil! / Adolf Hitler: Sieg-Heil, Sieg-Heil, Sieg-Heil!“ Die im Historischen Centrum Hagen aufbewahrten Notenhandschriften des Komponisten (bis 1944) widerlegen eindeutig dessen spätere Behauptung, er habe in den 1930er Jahren lediglich unter Zwang einige wenige systemkonforme Texte nationalsozialistischer Dichter vertont.
- Es trifft zu, dass Georg Nellius im September 1948 in seinem letzten Entnazifizierungsverfahren als sogenannter Entlasteter in Kategorie V eingestuft worden ist. Seine Entnazifizierungsakte in Düsseldorf und seine Personalakte in Münster enthalten jedoch zahlreiche Hinweise, dass diese „Entnazifizierung“ auf höchst widersprüchlichen und teilweise eindeutig falschen Aussagen von Nellius und der von ihm ausgewählten Leumundszeugen beruht. Die 1946 und 1947 durchgeführten Verfahren, die ihn als „aktiven Nazi“ charakterisiert und in Kategorie III eingeordnet haben, entsprechen in weitaus höherem Maß den geschichtswissenschaftlich feststellbaren Sachverhalten.“
Arnsbergs Bürgermeister will Umbennung
In Arnsberg hat Bürgermeister Vogel bereits angekündigt, dass er die Umbenennung der Georg-Nellius-Straße in Rumbeck auf die Tagesordnung des Rats bringen wird. Dieser hatte bereits im Dezember mit breiter Mehrheit die Umbenennung der Karl-Wagenfeld-Straße und des Maria-Kahle-Wegs beschlossen. „Eine Weiterführung der Ehrung von Herrn Georg Nellius bei dem jetzt zur Verfügung stehenden erschreckenden und betroffen machenden Wissen würde Ehrung, Respekt und Anerkennung von Persönlichkeiten wie zum Beispiel Propst Bömer, Schwester Aicharda, der Gebrüder Apt relativieren,“ hat sich Vogel geäußert.
In Sundern steht Mehrheit gegen Rücknahme der Umbenennung
In Sundern steht in der Ratssitzung am 6. Februar die Abstimmung über das Bürgerbegehren der Bürgerinitiative Nelliusstraße Hachen auf der Tagesordnung. Eine breite Mehrheit von CDU, SPD und Grünen will dagegen stimmen, dass die bereits vom Rat beschlossene Umbennung der Nelliusstraße zurückgenommen wird. Nur die FDP steht – bisher – auf der Seite der Bürgerinitiative. „Wir ehren Opfer, keine Täter!„gibt Sunderns CDU-Vorsitzender Stefan Lange eine klare Linie vor und der Grüne Matthias Schulte-Huermann spricht klare Worte in Richtung Bürgerinitiative: „Es wäre besser, wenn sie ihre Unterschriftensammlung einstampfen würden, um sich die Schmach in der Ratssitzung zu ersparen.“
Die komplette Dokumentation zu Georg Nellius gibt es hier: www.sauerlandmundart.de/pdfs/daunlots%2069.pdf