Arnsberg/Sundern/HSK. „Schwarz und Weiß“ – mit diesem Farbvergleich charakterisierte Polizeioberrat Josef Jacobi die Verkehrsunfallentwicklung im Hochsauerlandkreis im Jahr 2014. Schwarz, das sei vor allem die hohe Zahl der im Straßenverkehr Getöteten und schwer Verletzten, weiß dagegen seien einige positive Entwicklungen bei der Gesamtzahl der Unfälle und bei einzelnen Gruppen wie Fußgängern, Radfahrern und Senioren, sagte der Leiter der Direktion Verkehr bei der Kreispolizeibehörde bei der Vorstellung seines 30-seitigen Berichts im Kreishaus. Und er benannte auch klar die beiden Gruppen, die für die hohe Zahl schwerer Unfälle weit überdurchschnittlich verantwortlich sind – die jungen Erwachsenen zwischen 18 und 24 und die Motorradfahrer.
Landrat: Nicht Verkehrssicherheit gegen Kriminalität ausspielen
Eine Stunde nach dem Landesverkehrsminister in Düsseldorf hatte Landrat Dr. Karl Schneider in Meschede zur Präsentation der Zahlen geladen. Schneider nutzte die Gelegenheit, auf öffentlich laut gewordene Kritik einzugehen, die Polizei solle sich mehr um Kriminalitätsbekämpfung, insbesondere um Einbrüche, kümmern und weniger um den Straßenverkehr. Er nannte es nicht zielführend, diese beiden Bereich gegeneinander auszuspielen. Kriminalitätsbekämpfung sei ein Schwerpunkt der Arbeit der Polizei. Aber es gebe auch andere wie die Verkehrssicherheit. Leben und körperliche Unversehrtheit seien hohe Güter. Deshalb, so der Landrat, müsse es ein Nebeneinander dieser Aufgaben geben. Sein Ziel sei es, die Zahl der Toten und Schwerverletzten auf den Straßen des Kreises zu senken. Um das zu erreichen, werde man bei jeder sich bietenden Gelegenheit mit allen Gruppen der Bevölkerung das Gespräch suchen.
Deutlicher Rückgang bei Bagatellunfällen
Bei der Vorstellung seines Zahlenwerks konnte Jacobi mit einer erfreulichen Tendenz beginnen. Die Gesamtzahl der Verkehrsunfälle sank 2014 im HSK um 547 (= 7,7%) auf 6818. Dieser Rückgang ist allerdings allein auf den deutlichen Rückgang der Bagatellunfälle um 577 Fälle auf 4565 zurückzuführen. Die Zahl der meldepflichtigen Unfälle mit Personenschaden oder schwerem Sachschaden stieg um 30 Unfälle auf 2253 Fälle.
„18 Tote sind 18 Tote zuviel“
Gleich danach präsentierte Jacobi jedoch die „rabenschwarze Seite der Statistik“. Die Zahl der bei Unfällen getöteten Personen stieg von 16 auf 18 und hat damit den höchsten Stand seit 2008 (22) erreicht. „18 Tote sind 18 zu viel“, sagte Jacobi.Getötet wurden sieben Pkw-Fahrer, zwei Pkw-Mitfahrer, zwei Kradfahrer, vier Fußgänger und drei Radfahrer. Bei den Opfern handelte es sich um sechs Junge Erwachsene, sieben Erwachsene und fünf Senioren. Dominante Unfallursache war Geschwindigkeit. Bei 9 von 18 tödlichen Unfällen war der Verursacher zu schnell unterwegs und bei sechs dieser neun Unfälle war der Fahrer ein Junger Erwachsener. „Eine erschütternde Eskalation,“ so Jacobi. Bei drei tödlichen Unfällen war zudem Alkohol die Unfallursache.
Verunglücktenhäufigkeit deutlich unter NRW-Schnitt
Die Gesamtzahl der bei Verkehrsunfällen verletzten Personen im Kreis blieb 2014 gegenüber dem Vorjahr mit 993 exakt gleich. Gegenüber dem Höchstwert von 1998 mit damals 1428 Verletzten sind die Zahlen um mehr als 30 Prozent gesunken. Im Vergleich zu Gesamt-NRW ist das Risiko, Opfer eines Verkehrsunfalls zu werden, im HSK deutlich geringer als im Landesdurchschnitt. Die Verunglücktenhäufigkeit – eine Zahl, die die getöteten oder verletzten Personen pro 100.000 Einwohner angibt – liegt im HSK bei 386 (2013: 382) und damit nahe am niedrigsten Wert der letzten 15 Jahre. Landesweit liegt die Verunglücktenhäufigkeit bei 436.
30 Prozent mehr Motorradfahrer verunglückt
Verunglückt sind im letzten Jahr 379 Pkw-Fahrer, 162 Pkw-Mitfahrer, 158 Motorradfahrer, 118 Radfahrer, 99 Fußgänger und 95 Sonstige. „Eine enorme Steigerung“, so Jacobi, habe es bei den Motorradfahrern gegeben. 158 Verunglückte gegenüber 121 im Jahr davor seien eine Steigerung um 30,6 Prozent.
Junge Erwachsene dreifach mehr unfallbeteiligt
Aufschlussreich ist auch eine Auswertung nach Altersgruppen. Sorgenkinder sind hier die Jungen Erwachsenen zwischen 18 und 24. Sie machen nur 7,9 Prozent der Bevölkerung aus. Bei den Verunglückten haben sie aber mit 20,8 Prozent fast den dreifachen Anteil. „Ein krasses Missverhältnis,“ so Jacobi, für das die risikoreiche Fahrweise dieser Gruppe verantwortlich sei, aber auch ein strukturelles Problem, das der HSK mit anderen ländlichen Regionen teile, weil hier viele Wege für die jungen Leute nur mit Auto machbar seien. In Städten wie Münster, Dortmund oder Köln mit stark ausgebautem öffentlichen Nahverkehr sei der Anteil junger Erwachsener an den Unfallopfern deutlich geringer.
Jacobi: „Repressive und präventive Aktivitäten zeigen Wirkung“
Dennoch sieht Josef Jacobi bei diesen Sorgenkindern eine nunmehr schon zwei Jahre dauernde positive Entwicklung. Die Zahl der verletzten oder getöteten Jungen Erwachsenen liegt mit 210 gegenüber 279 um nahezu 25 Prozent unter dem Wert von 2012, und auch bei den Verursachern von schweren Unfällen sank der Anteil in dieser Gruppe seit 2012 von 26,5 auf 21.95 Prozent. „Dieser Rückgang dürfe die Folge der zielgerichteten repressiven und präventiven Aktivitäten der Polizei im HSK sein,“ sagt Jacobi und verweist auf besondere Kontrolleinsätze ebenso wie auf das Projekt Crash-Kurs, das auch im laufenden Jahr wieder mindesten 2500 junge Autofahrer erreichen soll.
Fast kein Unfall mit Führerschein auf Probe
Ein Phänomen sind dagegen die 17-jährigen Autofahrer. Seit 2011 gibt es die Möglichkeit des Begleiteten Fahrens mit 17 und inzwischen machen im HSK mehr als zwei Drittel aller nachrückenden Autofahrer ihren Schein schon mit 17. Und nur ein einziger davon war 2014 unter den Verunglückten. Leider, so Jacobi, reichten die guten Vorsätze oft aber nur bis zum 18. Geburtstag. Auch viele Fahrlehrer hätten ihm bestätigt, das bei den jungen Fahrern dann schlagartig alles vergessen sei.
Kinderunfälle nicht das große Problem
Kein großes Problem sieht der Leiter der Verkehrsdirekion bei den Kinderunfällen. Hier trage die sehr gute Präventionsarbeit der Bezirksbeamten und Verkehrssicherheitsberater vom Kindergarten an Früchte. Dennoch wurden 82 Kinder unter 15 Jahren bei Unfällen verletzt, zwei mehr als im Jahr zuvor. 50 waren aktiv am Unfall beteiligt, davon 27 als Radfahrer und 23 als Fußgänger. 32 Kinder erlebten den Unfall passiv als Mitfahrer im Pkw.
Senioren bauen mehr Unfälle beim Abbiegen und Wenden
Bei den Senioren gibt es zwei Tendenzen. Als Unfallverursacher treten sie stärker in Erscheinung. 2014 verursachten Autofahrer mit 65 Jahren und älter 504 Unfälle gegenüber 465 im Vorjahr, allerdings ganz überwiegend Bagatellunfälle beim Abbiegen, Wenden und Einparken. Unfallopfer sind sie dagegen seltener. Die Verunglücktenhäufigkeit sank von 212 auf 198 und liegt deutlich unter dem NRW-Wert von 258.
Verletzte Kradfahrer auf neuem Höchststand
Ein besonderes Augenmerk richtete Jacobi auf die Unfälle mit Motorradfahrern, denn das seien überwiegend Unfälle, bei denen Beteiligte zu Schaden kommen. Bei 150 Unfällen mit Krädern im Kreisgebiet wurden 156 Kradfahrer verletzt und zwei starben. „Mit 156 verletzten Kradfahrern ist der höchste Stand seit 1998 zu verzeichnen,“ sagt Jacobi. „Ein Höchststand, der für sich spricht.“ Dass nur zwei Kradfahrer starben gegenüber drei im Vorjahr sieht Jacobi eher als Zufall, denn bei der Gesamtzahl der Verunglückten gehe die Kurve konstant nach oben. Mit 28,2 Prozent sei inzwischen mehr als jeder vierte Schwerverletzte eines Unfalls im HSK ein Motorradfahrer.
93 Prozent der Motorradfahrer verursachen ihren Unfall selbst
Und noch zwei Zahlen, die der Polizei Sorgen bereiten: Die Zahl der Motorradunfälle ist 2014 nicht nur um 27,1 Prozent von 118 auf 150 gestiegen, sondern der Anteil der Motorradfahrer, die ihren Unfall selbst verschuldet haben, liegt inzwischen bei über 93 Prozent. Bei 140 von 150 Motorradunfällen war der Motorradfahrer der Verursacher. Als Unfallursachen sieht Jacobi hohe Riskobereitschaft, handwerkliche Bedienfehler, ein trügerisches Gefühl der Sicherheit bei einer Gruppenfahrt und fehlendes Training vor allem bei älteren Motorradfahrern, die zwar das Geld, aber nicht die Zeit für große Maschinen haben.
Sundern und Arnsberg bei Kradunfällen vorne
Bei der Zahl der Motorradunfälle liegt Sundern mit 24 nach wie vor vorn. Auf Platz zwei folgen Arnsberg und Meschede mit je 22, wobei Meschede seine Unfallzahl dank des Hirschberger Wegs in einem Jahr verdoppelt hat. Während Arnsberg vier Unfälle mehr als 2013 verzeichnete, gab es in Sundern einen Kradunfall weniger. Jacobi sieht das als Effekt der Ordnungspartnerschaft Motorradlärm mit verstärkten Aktivitäten von Polizei, Ordnungsamt und Anwohnern, auch wenn Motorradlärm direkt keine Unfallursache sei. In der Liste der kreisweit 41 Unfallschwerpunkte sind auch Hellefelder Höhe, Ochsenkopf und Sorpesee vertreten. Jacobi bittet die Bevölkerung um Verständnis, dass die Polizei bei der Vielzahl dieser über ein Gebiet von 2000 Quaratkilometer verstreuten Unfallschwerpunkte und knapper Personalressourcen nicht ständig überall sein könne.
Maßnahmen gegen Temposünder deutlich gesteigert
Weil überhöhte oder nicht angepasste Geschwindigkeit die herausragende Unfallursache bei Unfällen mit Personenschäden war, hat die HSK-Polizei ihre „Maßnahmen“ von 26.190 auf 32.770 ausgeweitet. In 13.160 Fällen wurden Autofahrer direkt angehalten, in 19.610 Fällen wurde die Geschwindigkeit ohne Anhalten gemessen. Grundsätzlich, so Jacobi, sei das Anhalten vorzuziehen, denn es bringe bei allerdings oft auch stressigen Gesprächen mehr Effektivität als der anonyme Bußgeldbescheid, doch es sei auch sehr personalintensiv.
Mehr Autofahrer mit Drogen als mit Alkohol erwischt
Alkoholbedingte Verkehrsunfälle sind wieder gestiegen, von 79 auf 89. Bei drei tödlichen Unfällen, sechs Unfällen mit Schwerverletzten und 17 Unfällen mit Leichtverletzten wurde Alkohol als Unfallursache festgestellt. Drogen waren bei elf Unfällen im Spiel, hier ist die Zahl seit Jahren recht konstant. Bei Kontrollen ist die Zahl der festgestellten Drogenverstöße allerdings stark gestiegen. Von 80 im Jahr 2011 über 128 im Jahr 2013 auf zuletzt 235. Damit wurden erstmals auch mehr Autofahrer mit Drogen als mit Alkohol am Steuer erwischt. Die Zahl der Alkoholsünder sank 2014 von 189 auf 166. „Niemand soll glauben, er werde mit Drogen am Steuer nicht erwischt, nur weil er keine Fahne hat,“ so Jacobi.