Meschede/Kreis. Wolfgang S. ist kein wehleidiger Mensch. Doch in der Weihnachtsbaum-Saison 2019 klagt er über unheimlich starke Rückenschmerzen. Aber die Arbeit auf seinem Hof in der Nähe von Bödefeld lässt ihm keine Pause. Wie in den Jahren zuvor bereitet er Nadelbäume für den Einsatz im Lichterglanz vor. „Am Ende der Saison ging nichts mehr. Auch nachts hatte ich starke Schmerzen und konnte kaum schlafen“, sagt Wolfgang S. Er wendet sich an Prof. Dr. Spieker, einen befreundeten Chefarzt aus der Rapaelsklinik in Münster. Dieser stellt einen Bruch des achten Rückenwirbels und schlimmer noch als Ursache für den Bruch Knochenmarkskrebs (Multiples Myelom) fest. Für Wolfgang S. und seine Familie ist die Diagnose ein Schock. Noch in Münster wird der gebrochene Wirbel stabilisiert. Dazu wird flüssiger Knochenzement in den Wirbelkörper injiziert (Kyphoplastie). Danach wird Wolfgang S. zur heimatnahen Behandlung seiner Krebserkrankung in das Klinikum Hochsauerland, Standort St. Walburga-Krankenhaus Meschede, überwiesen.
Onkologische Therapieplanung und Behandlung in Meschede
Im Februar dieses Jahres sucht der heute 50-jährige dann die Klinik für Hämatologie, Onkologie, Palliativmedizin und Stammzelltransplantation auf. „Ich konnte mich zwar wieder bewegen litt aber mit Kurzatmigkeit, Müdigkeit, Schmerzen im Bauch und in der Lunge zunehmend mehr unter den Symptomen der fortschreitenden Krebserkrankung“, erinnert sich Wolfgang S. Von Dr. med. Mohammad-Amen Wattad, Chefarzt und Direktor der Klinik für Hämatologie, Onkologie, Palliativmedizin und Stammzelltransplantation und seinem Team wird Wolfgang S. gründlich untersucht. Die Diagnose Multiples Myelom bestätigt sich, die spezifischen Risikomerkmale der Erkrankung werden ermittelt. Gemeinsam mit Wolfgang S. wird ein individueller Plan für die mehrstufige programmierte Behandlung aufgestellt. „Es nimmt einem viel Angst, wenn man weiß, was auf einen zukommt“, sagt Wolfgang S. Bei ihm soll eine hochdosierte Chemotherapie mit anschließender Stammzelltransplantation die Erkrankung zum Stillstand bringen. „Uns ist es wichtig den Menschen als Ganzes zu sehen und nicht nur den Krebs. Die Gesamtsituation des an Krebs erkrankten Menschen ist eine wichtige Grundlage unserer Therapieempfehlung“, betont Dr. Wattad.
Induktionstherapie soll Tumormasse im Körper reduzieren
Um die Symptome zu lindern und die Tumormasse im Körper soweit wie möglich zu reduzieren, erhält Wolfgang S. zunächst eine Induktionstherapie. Über fünf Monate werden in mehreren Zyklen neuste Chemo- und Immuntherapeutika in speziell auf die Erkrankung abgestimmten Wirkstoffkombinationen verabreicht. Im Verlauf der Therapie muss Wolfgang S. kleinere Komplikationen überstehen. „Klar habe ich mich manchmal schwach gefühlt. Aber als ich merkte die Beschwerden werden weniger und ich kann auch wieder schlafen, da war ich erstmal zufrieden und habe neuen Mut geschöpft“, so Wolfgang S. Nach der Induktionstherapie hat sich sein Gesundheitszustand deutlich verbessert. Er hat Appetit, kann wieder laufen. Der Krebs ist zurückgedrängt, doch noch nicht überwunden.
Autologe Stammzelltransplantation als neue Therapieoption in Meschede etabliert
Studien haben gezeigt, dass eine autologe Blutstammzell-Transplantation, im Vergleich zu einer alleinigen weniger intensiven Behandlung, bei bestimmten Krebserkrankungen das Leben der Betroffenen verlängern und die Chance auf eine Heilung verbessern kann. Beispiele hierfür sind multiple Myeloma wie bei Wolfgang S., chronische Leukämie und Lymphome.
Dr. Wattad, seit Januar dieses Jahres Chefarzt und Direktor der Klinik für Hämatologie, Onkologie, Palliativmedizin und Stammzelltransplantation, verfügt mit mehr als 1.500 Stammzelltransplantationen über langjähre Erfahrung in der Anwendung dieser Therapieform. Gemeinsam mit seinem Team hat er nun im St. Walburg-Krankenhaus ein Transplantationszentrum aufgebaut. Das einzige in der Region. Die Klinik für Hämatologie, Onkologie, Palliativmedizin und Stammzelltransplantation bietet damit eine nahezu vollständige heimatnahe Versorgung hämatologischer und onkologischer Erkrankungen in der Region an. Wolfgang S. ist der erste Patient, der in Meschede mit der autologen Stammzelltransplantation behandelt wird. „Ich will das abschließen und habe volles Vertrauen zu Dr. Wattad und seinem Team“, sagt Wolfgang S. und ergänzt mit einem Augenzwinkern: „Das ist fast schon Tradition in unserer Familie. Mein Großvater war seinerzeit der erste Patient, der am Mescheder Krankenhaus mit einem Herzschrittmacher versorgt wurde. Auch damals verlief die Behandlung erfolgreich.“
Ablauf der autologen Stammzelltransplantation
Bei der autologen Stammzelltransplantation werden dem Patienten zunächst körpereigene Stammzellen entnommen. Wolfgang S. erhält dazu zunächst eine intensivere Chemotherapie, die so genannte Stammzellmobilisierung. Danach wird ein Wachstumsfaktor gespritzt, damit die Blutstammzellen vom Knochenmark in das Blut übergehen. Nach ca. zwei Wochen sind die Vorläuferzellen im Blut nachweisbar und können durch ein Blutwäscheverfahren ähnlich der Dialyse herausgefiltert werden. Anschließend werden die gesammelten Blutstammzellen bei ‑196° tiefgefroren.
Nach der Stammzellentnahme verbringt Wolfgang S. zwei Wochen zur Erholung Zuhause. Danach ging es zur Stammzelltransplantation zurück in die Klinik. „Vor der anstrengenden Stammzelltransplantation wird jeder Patient nochmals auf Herz und Nieren durchgecheckt. Nur wenn der Patient fit genug ist, kann die Transplantationsphase eingeleitet werden“, so Dr. Wattad. Am ersten Tag der eigentlichen Transplantationsphase erhält der Patient dann eine Hochdosis-Chemotherapie. Sie soll das Knochenmark und damit auch die darin vorhandenen Krebszellen zerstören. Am dritten Tag werden die zuvor entnommenen Stammzellen verabreicht. Sie sollen das zerstörte Knochenmark wieder aufbauen.
„Die Infusion mit den Stammzellen war in weniger als fünf Minuten drin, alles durch einen Venenkatheter. Nur ein Kratzen im Hals habe ich gespürt. Gegen den schlechten Geschmack gab es ein Bonbon“, erinnert sich Wolfgang S. Doch so einfach bleibt das Ganze für Wolfgang S. nicht. Denn nach der Transplantation folgen zumeist Nebenwirkungen. „Ich hatte Glück und habe alles verhältnismäßig gut verkraftet. Meine Mundschleimhaut war zerstört, mein Mund ganz wund, ich habe Haare verloren und die Fingernägel wurden brüchig. Doch nach den ersten Tagen ging es wieder bergauf“, so Wolfgang S.
„Da auch das Immunsystem mit der Hochdosis-Chemotherapie zerstört wird, verschlechtern sich die Blutwerte in den ersten Tagen nach der Transplantation. Ungefähr ab dem 10. Tag nach der Stammzellgabe sind die übertragenen Stammzellen im Knochenmark des Patienten angewachsen und beginnen neue Blutzellen zu bilden. Daher sind die Patienten insbesondere in den ersten 10 Tagen sehr infektanfällig und müssen entsprechend geschützt und engmaschig überwacht werden. Bei Nebenwirkungen oder Komplikationen können wir dann schnell reagieren“, erläutert Dr. Wattad.
Transplantationszimmer für größtmögliche Sicherheit der Patienten
Zum bestmöglichen Schutz der Patienten während der Transplantationsphase wurden im Klinikum Hochsauerland eigens zwei Transplantationszimmer eingerichtet. Hier gelten, unabhängig von Corona, klare Besucherregelungen. Der Zutritt für Personal und Besucher erfolgt nur mit entsprechender Schutzkleidung. Die Zimmer sind mit leistungsfähigen Luftreinigungsanlagen und zur Kontrolle der Vitalwerte mit Überwachungsmonitoren ausgestattet. Wolfgang S. konnte das Krankenhaus ca. zwei Wochen nach der Stammzelltransplantation wieder verlassen und ist heute beschwerdefrei. „Ich bin viel draußen, gehe mit dem Hund spazieren. Habe auch schon vorsichtig wieder angefangen zu arbeiten. Nur die Motorsäge lasse ich momentan noch aus der Hand“, freut sich Wolfgang S.
Bestmöglicher Schutz vor Rückfällen durch Anschlussbehandlung und Nachsorge
Gänzlich unbeschwert ist das Leben nach der Stammzelltransplantation für Wolfgang S. aber nicht, denn der Krebs könnte wiederkommen. Um dieses Risiko soweit wie möglich zu minimieren, wird sich Wolfgang S. einer zweiten autologen Stammzelltransplantation unterziehen, die prinzipiell identisch abläuft. Danach dienen regelmäßige Nachsorgeuntersuchungen dazu, eine Rückkehr der Erkrankung frühzeitig zu erkennen und ggf. zu behandeln.
(Quelle: Klinikum Hochsauerland)