Sundern. Der Stadtentwicklungsausschuss hat in seiner Sitzung am Donnerstag abend die Schwens-Pläne zur Erweiterung des Tiggesplatzes und zur Neugestaltung des Innenstadtverkehrs verworfen und stattdessen für das Tappe/Rossmann-Projekt gestimmt. „Eine bürgerfreundliche Zukunft des Areals wird damit verbaut“, meint Autor Ludwig Greven. Hier sein Kommentar:
Von Ludwig Greven
Es gibt eine alte Regel: Man kann einen Kuchen entweder essen oder behalten. Die CDU und mit ihr die anderen Ratsfraktionen möchten jedoch beides und noch mehr: Sie wollen einerseits den Tiggsplatz im Zentrum von Sundern erhalten wie er ist, ihn am liebsten sogar vergrößern, wie es SPD-Ratsmitglied Bernd Schwens vorgeschlagen hat. Zugleich haben sie jedoch im Stadtentwicklungsausschuss SUI grünes Licht für die Pläne des Investors Tappe und seines Kompagnons gegeben, den Platz mit einem Rossmann-Markt umd Altenwohnungen darüber zuzubauen.
Die Richtung ist damit klar: Von dem Platz vor der alten Johannesschule, die jetzt die Volkshochschule beherbergt, wird nicht viel übrig bleiben. Ein Drittel der bisher öffentlichen Fläche wird kommerzialisiert, der Rest wird nur noch als Durchgang zur VHS und den dahinterliegenden Parkplätzen dienen. Von „Aufenthaltsqualität“, die das Innenstadt-Entwicklungskonzept INSEK anstrebt, wird keine Rede mehr sein. Der beschlossene Gestaltungsbeirat wird daran nichts ändern. Denn der kann bestensfalls kleinere Korrekturen an den überarbeiteten Plänen der Investoren vorschlagen, wie einer Verbreiterung des Durchgangs zur Fußgängerzone oder eine kleinteilige Gliederung der Fassade. Das Grundkonzept bleibt jedoch verkorkst.
Die große Mehrheit der Ratsvertreter hat sich dennoch, trotz vieler Bedenken, entschieden, einen erheblichen Teil des Tiggesplatzes an zwei auswärtige Investoren für ihr Bauvorhaben zu übergeben, obwohl sehr zweifelhaft ist, dass sich die damit verbundenen Hoffnungen und Versprechungen erfüllen werden. Denn wie sollen ein vergrößerter Drogeriemarkt und Wohnungen für Senioren für eine Belebung der Innenstadt sorgen? Stattdessen wird das auf der anderen Straßenseite liegende bisherige Rossmann-Geschäft dann leerstehen. Und die Kunden werden auch in Zukunft nicht die umliegenden Läden stürmen, von denen ohnehin zahlreiche geschlossen sind.
Für eine Umgestaltung der Innenstadt hätte es in Zeiten, in denen der stationäre Einzelhandel durch die Onlineversender und verändertes Konsumentenverhalten abstirbt, ganz anderer Pläne, Phantasie und Fachkenntnis bedurft, statt sich dem erstschlechten Entwurf hinzugeben. Bernd Schwens, selbst Architekt, hat dafür Entwürfe vorgelegt, die einen weiträumigen Blick und eine völlig andere Nutzung des Areals ermöglicht hätten. Mit Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung, Gastronomie, Wohnen und einem Geschäftshaus an anderer Stelle, unter Einbeziehung der angrenzenden Fläche der K5. Das hätte eine anderer Verkehrsführung verlangt, aber die Chance eröffnet, über den Verkehr in der Innenstadt grundlegend neu nachzudenken im Zeichen des Klimawandels und einer notwendigen Mobilitätswende.
Die große Mehrheit im SUI hat die Bereitschaft dazu nicht aufgebracht. Das ist zu bedauern. Denn wenn das neue Gebäude irgendwann stehen sollte, ist die Chance, ein Filetstück der Innenstadt ganz anders, nämlich bürgerfreundlich zu gestalten, im Wortsinn verbaut.
Ratsam wäre es gewesen, wenigstens in den Gestaltungsbeirat ausschließlich Bauexperten, Kulturschaffende, Bürger und Geschäftsleute zu berufen, um ein unabhängiges Gremium zu schaffen, das die Investoren-Pläne kritisch unter die Lupe nimmt. Stattdessen sollen ihm auch Vertreter der Fraktionen angehören, die sich dann quasi selbst beraten. Das lässt nicht erhoffen, dass aus dem Tappe-Projekt noch etwas Gutes wird.
Eine Antwort
Im Nachgang der SUI Sitzung / Abstimmung zum Tigges-Platz
Ein mutloses weiter so.
Einen Wettbewerb nicht zu gewinnen, die Erfahrung haben Architekten sofern sie sich an solchen Verfahren überhaupt beteiligen, in ihrem Berufsleben sicherlich schon oft genug gemacht und das ist ja grundsätzlich auch völlig in Ordnung. Andere Menschen haben auch gute, manchmal sogar bessere Ideen als man selbst.
Das ist dann aber auch schon der gravierende Unterschied zu der jetzigen Situation in Sundern: bei einem Wettbewerbsverfahren besteht immer die direkte Vergleichsmöglichkeit mit anderen / besseren Entwürfen.
Genau das ist hier aber eben nicht der Fall: hier gibt es einen Entwurf der sich mit der Gesamtsituation der Innenstadtentwicklung beschäftigt und mit dem versucht wird die Stadt, weg von einer Einzelhausbebauung auf dem Tigges-Platz, in einem ganzheitlichen Zusammenhang zu betrachten.
Einen Architektenwettbewerb zum Thema Innenstadtentwicklung auszuloben, der das auch hätte leisten können und über den noch viel mehr an neuen Ideen möglich geworden wären, hat man sich selbstredend gespart.
Dieser einzige vorliegende Vorschlag wird dann aber ohne große Diskussion und auch ohne Alternativen aufzuzeigen, abgelehnt: „…die Umsetzung dauert einfach zu lange… es sind einfach zu viele Gespräche und Abstimmungsarbeiten notwendig…“ aha, soso.
Der Entwurf zum Rossmann Bauvorhaben ist ein Entwurf für einen Investor – nicht für die Stadt. Hier werden zwei völlig verschiedene Interessenlagen sichtbar und deshalb handelt es sich auch um zwei verschiedene Ebenen auf denen hier versucht wird miteinander zu diskutieren: Die Ratsmitglieder sollten vorranging das Gesamtinteresse der Stadt im Kopf und im Auge haben und erst in zweiter Hinsicht die Interessen eines privaten Investors. Genau deshalb kommt man ja auch so schwer zusammen.
Wenn sich die Kommune / der Stadtrat nicht um den öffentlichen Raum kümmert, wer soll das bitte dann tun? Ein Investor der privatwirtschaftliche Interessen verfolgt wird das jedenfalls ganz sicher nicht.
Die Entscheidung dem abgelehnten Konzept zuzustimmen hätte sicherlich Mut und Weitblick erfordert – diesen Mut hat insbesondere die CDU aber ganz offensichtlich nicht: Keine Experimente – das gilt leider auch hier. Konservativ eben, am liebsten alles so lassen wie es gerade ist. Geht doch auch irgendwie.
Es werden zwar schöne und wohlklingende Wünsche und ein großartiges Raumprogramm zum Tigges-Platz formuliert, aber das sind lediglich Worte – und sie werden es wohl auch bleiben: denn wo bitte sollen die Flächen herkommen um diese Wünsche auch zu realisieren?
Die zur Verfügung stehenden, bebaubaren Flächen sind begrenzt, das CDU Wunschkonzert zu realisieren wird auf diesen begrenzten Flächen im vollen Umfang niemals möglich sein.
Aus genau diesem Grund wurde ja die K5 überplant: um die Flächen, die für eine an dieser Stelle sinnvolle und komplexe Planung fehlen, dazu zu generieren. Man darf wirklich sehr gespannt sein, wie die jetzt planenden Architekten mit dieser Problematik zukünftig umgehen werden und wo sie die fehlenden Flächen herzaubern wollen – oder auf welche Punkte des Raumprogramms sie schlicht verzichten müssen.
JETZT, mit der aktuell vorliegenden Planung, wird der Tigges-Platz definitiv kleiner NICHT größer, sondern kleiner -> die erste Forderung des CDU Wunschkonzerts wird also bereits im Vorfeld NICHT erfüllt.
Ein großer Teil der CDU Wünsche ist im Übrigen aber andererseits mit dem so eindeutig abgelehnten Konzept bereits erfüllt, das wird offensichtlich nicht gesehen, oder, da aus der falschen Ecke kommend, deshalb nicht anerkannt:
- der T–P soll insgesamt größer werden. Durch die Schließung der K5 und der so dazu gewonnenen Fläche, wird er das (Fläche A).
- der Platz soll sich zur Fußgängerzone öffnen. Es entsteht ein großer Durchgang zwischen den beiden Torhäusern (Häuser T1 und T2) auf der Mittelachse und mit direktem Blick zum Portal der Schule (rotes Gebäude).
- das Bürgerbüro soll auch in diesem Bereich untergebracht werden. Das ist in dem einen der beiden geplanten Torhäusern (Haus T1) möglich, in dem anderen kann die Gastronomiefläche im EG vergrößert werden (Haus T2).
- über den breiten Zugang soll die Johannesschule gut und repräsentativ von der Fußgängerzone aus sichtbar sein, der Platz gut an diese angebunden werden. Auch diese Punkte sind erfüllt, das ist die Konsequenz aus den im Vorpunkt gemachten Erläuterungen.
- es sollen zusätzliche Flächen für die VHS geschaffen werden. Das wird durch den Anbau an die VHS realisiert. Flächen für Musik, Stadtgalerie etc. können hier auf drei Ebenen vorgesehen werden (Haus C).
- weiter sollen Spiel– und Restaurant Möglichkeiten geschaffen werden, die Aufenthaltsqualität soll verbessert werden. Das ist im Konzept im Bereich der Renaturierung des Settmecke Bachs genau so vorgesehen (Fläche A).
- ein Rossmann Markt / grundsätzlich Einzelhandel soll auch realisiert werden. Das wird er im Konzept und orientiert sich zum Kreisverkehr der Settmecke hin. Auf diesen Einzelhandelsflächen im EG kann die Caritas im 1.OG ihre Vorstellungen realisieren (Haus B).
- die Feuerwehrausfahrt aus der Settmecke ist auch kein Argument mehr gegen eine Teilschließung der K5, da es zukünftig einen anderen Standort für die Feuerwehr geben wird. Es bliebe also genügend Zeit die beiden Projekte (Neubau Feuerwehr / Teilschließung K5) miteinander zu verknüpfen und zu synchronisieren – wenn man das denn wirklich wollen würde bzw. den Mut dazu hätte.
Damit sind aber die Vorstellungen und Forderungen der CDU bereits weitestgehend umgesetzt.
Das Ergebnis der Abstimmung im SUI:
der vorliegende Entwurf wird eindeutig mit 11–2‑1 abgelehnt.
Hier gibt es dann ja wohl Erklärungsbedarf.
Die Argumentation „…die Umsetzung dauert einfach zu lange… es sind einfach zu viele Gespräche und Abstimmungsarbeiten notwendig…“ hört sich eher nach einer Arbeitsverweigerungshaltung als der Suche nach der besten städtebaulichen und zukunftsfähigen Lösung für die Stadt Sundern an.
Das alles wird also insgesamt und vorhersehbar eher schiefgehen. Schade.