Hüsten. Die mit Spannung erwartete Sondersitzung des Ausschusses für Schule, Jugend und Familie zu den Kindergartenbeiträgen verlief von der Atmosphäre wie vom Ergebnis her völlig unspektakulär. In der Hüstener Schützenhalle, wohin die Politiker wegen des erwarteten großen Andrangs umgezogen waren, verloren sich kaum mehr als 20 Eltern neben einem Dutzend neugieriger Lokalpolitiker auf den rund 200 Zuhörerplätzen und gingen nach zwei Stunden ebenso stumm nach Hause, wie sie der Sitzung gefolgt waren. Die Abstimmung über eine Neufestsetzung der Elternbeiträge ab Sommer 2015 fiel aus. Sie wurde auf Antrag der SPD auf die Ratssitzung am Mittwoch geschoben. Und auch da wird es aller Voraussicht nach keine Überraschung geben. CDU und Grüne machten deutlich, dass aus ihrer Sicht eine Entlastung der Eltern um mehr als die von der Verwaltung vorgeschlagenen rund 62.000 Euro derzeit wegen fehlender nachhaltiger Finanzierung nicht möglich sei, und die FDP stellte sogar diese Entlastung in Frage.
„Wie die Weltmeister“ gerechnet
Auch Dennis Sevignani, Sprecher der Elterninitiative, die nochmals einen neuen Vorschlag präsentierte, rechnet nicht mehr damit, dass die Beiträge stärker als von der Verwaltung vorgeschlagen gesenkt werden. Er sei enttäuscht, erklärte er nach der Sitzung, aber auch bestärkt in der Motivation, mit seinen Mitstreitern weiter zu machen, nicht nur in Arnsberg, sondern auch auf höherer Ebene. Eine Ebene, die auch Gerd Schmidt, der zuständige Fachbereichsleiter der Stadtverwaltung, am Ende seines ausführlichen Vortrags ansprach. Die Forderungen der Elterninitiative, die Kindergartenbeiträge stärker zu senken und am Ende ganz wegfallen zu lassen, seien für ihn nachvollziehbar, aber nur Hand in Hand mit Bund und Land erreichbar. „Wie ein Weltmeister“, so Schmidt, hätten er und seine Mitarbeiter in den letzten Wochen gerechnet, doch sie hätten keine Möglichkeit gefunden, die Arnsberger Eltern zum jetzigen Zeitpunkt stärker zu entlasten.
Initiative fordert 372.000 Euro Entlastung
Auch die Initiative habe nach vielen Gesprächen mit Politikern nächtelang ihre Vorschläge durchgerechnet und sich angenähert, sei von 690.000 Euro auf 372.000 Euro Entlastung herunter gegangen und habe auch die Gleichbehandlung von U3- und Ü3-Kindern aufgegeben, sagte Sevignani, der in einer Sitzungsunterbrechung Rederecht hatte. Aber von dem Grundsatz, dass alle entlastet werden sollen, wolle die Initiative ebensowenig abrücken wie von dem Ziel, dass diese Entlastung nur der erste Schritt auf dem Weg zu einer völligen Beitragsfreiheit sei. Der Differenzbetrag von 372.000 Euro sei, so Sevignani zu den Politikern, aus Sicht der Initiative derzeit machbar.
Kämmerer: Arnsberg eine ausgequetschte Zitrone
Mit einem plastischen Vortrag, für den er mit dem Mikrofon das Podium verlies und nah auf die Eltern zuging, verglich Stadtkämmerer Peter Bannes die Stadtfinanzen mit einer ausgequetschten Zitrone, aus der jetzt noch ein Tropfen herausgeholt werden solle. Er erklärte, dass es Arnsberg schlechter gehe als 363 von 396 Kommunen in Nordrhein-Westfalen, warum aus dem Zuschuss für das Nass, auch wenn es da 2012 Luft gegeben habe, derzeit nachhaltig nichts mehr abgezweigt werden könne und dass er jetzt auch nicht noch fünf Monate lang weiter suchen könne, weil er bis Ende November seine aktuellen Zahlen bei der Kommunalaufsicht vorzulegen habe. Und der weiße Ritter, der etwas aus der Tasche zaubern könne, sei er auch nicht.
Schmidt: Begriff Abzocke nicht angemessen
Gerd Schmidt hatte zuvor einen umfassenden Überblick über die Kindergartenfinanzierung in Arnsberg und über die vorgeschlagene Beitragsänderung gegeben. Er sagte, die vom Bund der Steuerzahler genannten Zahlen, die die aktuelle Diskussion ausgelöst hätten, seien zwar richtig, sollten aber nur im Zusammenhang betrachtet werden. Dazu gehöre, dass in Arnsberg für über 55 Prozent der Kindergartenkinder wegen zu geringen Einkommens, Härtefallregelung, Geschwisterkindregelung oder freiem letzten Kindergartenjahr überhaupt keine Elternbeiträge genommen würden. Dazu gehöre auch, dass Arnsberg freiwillig weniger Betriebskosten auf die Eltern umlege und höhere Zuschüsse an die freien Träger gebe, als das Gesetz es verlange. Und dazu gehöre auch, dass Arnsberg wegen seiner dezentralen Struktur de facto weit höhere Kindergartenbetriebskosten habe als die fiktiv vom Land angenommenen und auch diese Differenz trage. „Ein Begriff wie Abzocke ist da nicht angemessen,“ sagte Schmidt. Er berichtete auch, dass man eine bereits 2013 als notwendig erachtete Überarbeitung der Kindergartenbeiträge zurückgestellt habe, da es Anzeichen für eine Rückkehr zu einer landeseinheitlichen Gebührenstaffel gegeben habe. Das habe sich allerdings zerschlagen. Die jetzt neu ausgearbeitete Beitragsstaffel erhöhe die Eingangsgrenze und bringe die dringend erforderliche Entlastung in den mittleren Einkommensgruppen, führe allerdings auch zu Anstiegen in den neuen hohen Einkommensgruppen. Neben größerer Gerechtigkeit biete die neue Staffel auch mehr Transparenz, den sie habe erstmals eine feste Systematik, in der alle Zahlen in einem logischen mathematischen Verhältnis stehen.
Mehr Geld auch für Erziehungshilfe, Jugendzentren, OGS und neue U3-Plätze nötig
Schmidt machte auch deutlich, dass innerhalb des Budgets seines Fachbereichs für Schule, Jugend und Familie keine Spielräume seien, Geld zugunsten der Kindergartenbeiträge umzuschichten. Vielmehr habe er einige zusätzliche Baustellen, wo er eigentlich mehr Geld brauche. Das seien die Hilfen zur Erziehung, die Offene Ganzztagsschule, die Jugendzentren, wo derzeit die Verträge mit den Trägern neu verhandelt werden, oder auch der Ausbau der U 3‑Plätze, weil derzeit die Geburtenrate der über 30-jährigen Frauen deutlich höher liege als erwartet.
Gleichstellungsbeauftragte setzt auf Entwicklung
Auch die Gleichstellungsbeauftragte Ulrike Quante ergriff das Wort. Ihre Aufgabe sei es, für eine bedarfsgerechte, qualitative, bezahlbare und sozial ausgewogene Kinderbetreuung zu sorgen, aber auch, dabei die Leistungsfähigkeit der Stadt zu würdigen. Sie habe an der Vorlage mitgearbeitet und trage sie mit, weil weiterer Handlungsbedarf festgestellt werde und es einen Auftrag für künftige Haushaltsberatungen gebe.
CDU und Grüne haben sich schon entschieden
Andreas Posta hat für die SPD beantragt, die Abstimmung über eine Neufestsetzung der Kindergartengebühr und den Finanzierungsvorschlag über die Verkehrsüberwachung auf die Ratssitzung zu verschieben, weil seine Fraktion noch Beratungsbedarf habe. Es sei guter Brauch, einem solchen Antrag stattzugeben, sagte die Ausschussvorsitzende Nicole Jerusalem (CDU) und der Ausschuss stimmte dem zu. CDU, Grüne und FDP machten ihre Meinung zu diesen Punkten dennoch deutlich. Die Entscheidung der CDU stehe ohne wenn und aber, erklärte die stellvertretende Bürgermeisterin Rosi Goldner. Schon die 60.000 Euro seien ein dicker Hammer, darüber gehe überhaupt nichts. „Mir tut es in der Seele weh, aber packen sie mal einem nackten Mann in die Tasche,“ fügte sie hinzu. Verena Verspohl machte deutlich, dass auch für die Grünen derzeit finanziell nicht mehr drin sei. Wichtig sei aber, jetzt die Dynamik zu nutzen, mit den Eltern im Gespräch zu bleiben und permanent den Finger draufzuhalten, um Gestaltungsmöglichkeiten zu finden. Und auch die gesteigerte Transparenz sei schon eine klare Verbesserung.
Für die FDP erklärte Renate Niemand, dass ihre Fraktion einer Vorlage nicht zustimmen könne, die eine Finanzierung auf so etwas unsicheres wie Einnahmen aus Geschwindigkeitsüberwachung stütze. Was sei denn, wenn sich alle Arnsberger an die Regeln halten würden. Da müsse die Verwaltung eine andere Finanzierung suchen. AfD und Linke hatten im Vorfeld der Sitzung eigene Anträge gestellt. Der AfD-Antrag würde die Stadt jährlich über 900.000 Euro mehr kosten, weit mehr als alle bisherigen Rechenmodelle der Initiative. Die Linke hatte unter anderem gefordert, auf die jährliche Erhöhung der Elternbeiträge um 1,5 Prozent zu verzichten. Das, so Schmidt, würde eine Schere aufmachen, die sich Jahr für Jahr um weitere 25.000 Euro aufweiten würde.
KiTa-Card vor dem Aus
Abgestimmt wurde am Ende dennoch über einige weitere Punkte der Vorlage. Weitgehend einstimmig empfiehlt der Fachausschuss, künftig bei allen Haushaltsberatungen finanzielle Gestaltungsspielräume für eine weitere Reduzierung der Elternbeiträge zu prüfen, die familiennahe Tagespflege aufzuwerten, Elterninformationen und den Übergang von U3 nach Ü3 transparenter zu machen und bei der Anmeldung möglichst die Kita-Card durch ein Online-System zu ersetzen.