Endorf/Stockum. Die mögliche Belegung ihrer Turnhalle mit Menschen auf der Flucht bewegte so viele Endorfer, dass der Strackenhof am Freitag abend aus allen Nähten platzte – und am Ende einen für alle überraschenden Kompromiss erlebte. Diese von der Stadtverwaltung angeregte Einwohnerversammlung solle deutlich machen, dass Transparenz und Offenheit oberste Maxime der Verwaltungsspitze sei, machte Bürgermeister Ralph Brodel deutlich. Ortsvorsteher Reiner Tillmann bestätigte, dass er Tage zuvor schon in die Überlegungen der Stadt eingebunden wurde, machte aber auch deutlich, dass es in Endorf derzeit hitzig zugehe.
Einwohnerversammlung emotional, fair und absolut offen
„Die vielfältigen Fragen und auch Sorgen kann ich nachvollziehen,“ sagte der Bürgermeister und zählte diese auch direkt auf: Verlust der Grundschule, Verlust des Schulsportangebots vor Ort, Belegung der Grundschule erst vor kurzem mit Menschen auf der Flucht und jetzt, da es durch den Wegfall der Grundschule keinen Schulsport mehr in der Turnhalle gebe, auch noch der mögliche Verlust an Sportmöglichkeiten in der Turnhalle, weil Menschen in Sundern Zuflucht suchen. Um die Entscheidung für die Endorfer Turnhalle als mögliche Fluchtunterkunft nachvollziehbar zu machen, hatte Brodel versprochen, alle Entscheidungsgrundlagen und Entscheidungswege der Stadt offen darzulegen. Dies übernahm der zuständige Fachbereichsleiter Stephan Urny. In einer halbstündigen sehr umfangreichen Präsentation aller bislang getroffenen Maßnahmen machte er allen im Strackenhof Versammelten deutlich, dass die Stadtverwaltung tatsächlich sämtlich denkbare Wege beschreite, um gerade die Belegung von Turnhallen zu verhindern.
Turnhallen als Alternative zu Zelten
So würden bereits alle städtischen Wohnungen genutzt und bisher 58 Wohnungen seien zusätzlich privat angemietet und auch die leerstehenden Schulen in Westenfeld, Endorf und die Dietrich-Bonhoeffer-Schule seien belegt. Urny stellte die Suche nach weiteren Unterkunftsmöglichkeiten dar, ebenso die Verhandlungen mit den Kirchengemeinden über die Belegung nicht mehr genutzter kirchlicher Immobilien und auch die Planungen, in einer Gewerbehalle eine überdachte Zeltunterkunft zu errichten. Deutlich wurde damit, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadt beständig an den unterschiedlichsten Lösungen arbeiten, dass aber Mietwohnungen mittlerweile fehlen, die ehemalige evangelische Kirche in Langscheid schon vermarktet sei und dass noch keine geeignete Gewerbehalle gefunden wurde. Um die Menschen auf der Flucht nicht im nahenden Winter in Zelten im Freien unterbringen zu müssen, habe man eine Bewertung der Turnhallen durchgeführt und die Anzahl der Belegungsstunden als Gradmesser für eine Auswahl genommen. Dabei hatte Endorf die geringste Stundenzahl, gefolgt von Stockum. Vor allem aber finde keine Belegung mit Schulsport statt, wie es bei der Stockumer Turnhalle der Fall sei, in der auch die Endorfer Schüler unterrichtet würden.
Überraschung nach Beratung in nächtlicher Kälte
Anschließend folgte eine emotionale, aber inhaltlich sachliche Diskussion, in der sich Bürgermeister Brodel und Fachbereichsleiter Urny allen Fragen stellten. Zusammenfassend wurde schnell deutlich, dass sich die Endorfer gerne und umfassend um die erst vor ein paar Tagen angekommenen Menschen auf der Flucht kümmern, was Brodel auch schon direkt festgestellt hatte und Stephan Urny nachdrücklich unterstreichen konnte. Nach der sachlichen Frage, warum man die Hilfsbereitschaft in Endorf in kürzesten Zeitabständen so sehr und schnell einfordere, aber im nahegelegenen Stockum keine Möglichkeiten sehe, wiewohl der Schulsport doch ebenso gut in der Endorfer Turnhalle stattfinden könne, überraschte Bürgermeister Ralph Brodel mit einer kurzen Unterbrechung der Diskussion, und zog sich mit Stephan Urny und Ortsvorsteher Reiner Tillmann zur Beratung ins Freie zurück. Nach zehn Minuten nächtlicher Kälte kehrte das Trio zurück und Brodel machte seine Entscheidung klar: Die Argumente hätten ihn überzeugt. Bei der Abwägung, dass die Aufgabe den Menschen auf der Flucht Hilfe zu leisten, gleichmäßig zu verteilen sei, könne auch die Stockumer Turnhalle erst einmal belegt werden, auch wenn dies die Verlegung des Schulsports von Stockum nach Endorf bedeute. Dies werde man in den nächsten Tagen an einem runden Tisch mit den Ortsvorstehern und den Vertreten der Sportvereine aus Endorf und Stockum besprechen. „Ich bin sicher, dass die Solidarität unter den Dörfern genauso stark ist wie die Herausforderungen hoch sind“, so Brodel zum Abschluss der Einwohnerversammlung in Endorf.