Arnsberg. Arnsberg sei eine Stadt, in der er als Rentner gerne leben würde, sagte Bundespräsident Joachim Gauck beim Empfang im Alten Rathaus kaum mehr als zwei Stunden, nachdem er in der Stadt angekommen war. Zwei Stunden, in denen er viel erlebt hatte. Im Bürgerbahnhof hatte er sich eine gute Stunde bei den Akteuren informiert, die Arnsberg zu einer Stadt des langen und guten Lebens entwickeln und anschließend hatte er bei strahlendstem Sonnenschein auf Steinweg und Altem Markt ein Bad in der Menge genommen. So ein freundlicher Empfang und so viele gutartige Menschen, das sei schon etwas mehr gewesen als der übliche Empfang des Präsidenten, der ja überall ordentlich begrüßt werde, freute er sich. Ganz besonders freute er sich aber, so viele Menschen kennengelernt zu haben, „die Ja sagen zur Vita activa auch noch im Alter, die fragen: Wo kann ich helfen? Wo kann ich mich nützlich machen? Wo werde ich gebraucht?“.
Ein lockeres „Morgen allerseits!“
Fast auf die Minute pünktlich fuhr die schwarze Limousine mit der Präsidentenstandarte um 10.30 Uhr vor dem Bürgerbahnhof vor. Am Auto begrüßte Bürgermeister Hans-Josef Vogel den Präsidenten zusammen mit Barbara Steffens, der NRW-Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter. Hier war das Publikumsinteresse noch begrenzt, die zahlreichen Sicherheitskräfte und ein Pulk von mehr als zwei Dutzend Medienvertretern dominierten das Bild. Mit einem lockeren „Morgen allerseits“ schritt Joachim Gauck in den kleinen Saal des Bürgerbahnhofs, wo an vier Tischen insgesamt 16 Arnsberger Protagonisten darauf warteten, dem Präsidenten von ihrer Arbeit zu berichten. „Das ist ja überschaubar, da kann ich ja allen mal das Händchen geben,“ sagte Gauck und tat dies auch. Radiomoderatorin Michaela Padberg moderierte die Gespräche, stellte Gauck die Menschen vor, die „beseelt sind von ihrer Aufgabe“, ob es nun um aktives Altern geht oder um Hilfe bei Demenz, um den Dialog zwischen den Generationen oder den Wissenstransfer. Auf die Feststellung der Moderatorin, dass es doch unbefriedigend sei, als Rentner einfach nur zu Hause zu sitzen, sagte Gauck ein kurzes „Kenne ich!“.
Spaß an Bilderbuch für die Urenkel
Beeindruckt zeigte er sich, als Martin Polenz von der Fachstelle Zukunft Alter berichtete, dass Arnsberg sich schon vor 20 Jahren auf den Weg gemacht habe und das Thema im Rat heute unstrittig als neue kommunale Pflichtaufgabe betrachtet werde. „Da muss ein Genie am Werk gewesen sein,“ sagte Gauck. Er erfuhr vom Bürgermeister, wie wichtig für Arnsbergs Weg die Unterstützung durch große Stiftungen – Robert Bosch, Bertelsmann und Kerber – war und lernte, dass gut funktionierendes Ehrenamt hauptamtliche Unterstützung braucht, die koordiniert und motiviert. Besonders beeindruckt war er vom offenen Gespräch mit dem Demenzkranken Hubert Lütke-Eversloh. „In einer Gemeinde, wo die Menschen angefangen haben, aufeinander zu achten , kann man sich auch zeigen. Großes Kompliment,“ sagte er. Sichtlich Spaß machten Gauck die Bilderbücher des Literaturprojekts „Junge Bilder vom Alter“. Als Ursula Hüser, Leiterin der KiTa Entenhausen in Bruchhausen und Initiatorin des Projekts, ihm ein Bilderbuch schenkte, versprach er, dies intensiv zu nutzen, denn es steigere seine psychische Stabilität als Präsident ebenso wie seine Kompetenz als Opa und Uropa.
Bad in der Menge
Als Gauck kurz vor Mittag auf dem abgesperrten Steinweg ankam, hatten sich dort innerhalb weniger Minuten dichte Menschentrauben gebildet. Hunderte umlagerten den Präsidenten, der keinerlei Berührungsängste erkennen ließ. Er schüttelte Hände, gab Autogramme, ließ sich fotografieren, nahm Mappen und Briefe entgegen und widmete sich auch den vielen Kindern. Das Bad in der Menge war so intensiv, dass der wohlgeplante Fotopunkt vor der Glockenturmkulisse ein wenig zu kurz kam. Mit rund 15 Minuten Verspätung kamen der Bundespräsident, der Bürgermeister und die Ministerin im Rittersaal des Alten Rathauses an.
Mehr Engagierte als Prominente beim Empfang im Rathaus
Zum offiziellen Empfang dort waren vor allem die Arnsberger eingeladen, die das Alter und das älter werden zu ihrer eigenen Sache gemacht haben und sich großartig engagieren, wie Bürgermeister Vogel sagte. Für bunte Farbtupfer sorgte der Zirkus Fantastello des JBZ mit seinen „Gauck“-lern. Aber auch politische Prominenz begrüßte den Präsidenten. Regierungspräsident Gerd Bollermann und Landrat Karl Schneider, die Bundestagsabgeordneten Patrick Sensburg und Dirk Wiese und die Fraktionsvorsitzenden der Parteien im Arnsberger Rat waren gekommen – bis auf Jürgen Antoni von der AfD, der aus Protest gegen die seiner Meinung nach unnötigen Kosten des Besuchs abgesagt hatte.
LED-Lampe für den Präsidentenschreibtisch
Auch im Rathaus gab sich der Präsident locker, begann seine Rede mit einem „Die Zettel hier lass‘ ich mal weg!“, und berichtete, dass er in Arnsberg bereits viel gesehen und gehört habe und auch in seinem Alter noch dazu lernen könne. Bürgermeister Vogel sagte, der Besuch sei für Arnsberg Anerkennung, Auszeichnung und Ansporn zugleich, denn das sich verantwortlich Fühlen der ganzen Stadt sei noch lange nicht gelungen. Ministerin Barbara Steffens sagte, es müssten noch manche Strukturen verändert werden, doch es sei möglich Schätze zu heben. Wenn ein längeres leben auch mit mehr Lebensinhalt gefüllt werde, könnte dies Kranken- und Pflegekassen enorm entlasten. Bevor es im Rittersaal bei Mineralwasser und Apfelsaft in eine lockere Diskussion ging, trug sich der Bundespräsident noch ins Goldene Buch der Stadt ein. Als Geschenk gab ihm der Bürgermeister eine LED-Schreibtischlampe aus Arnsberger Produktion mit nach Berlin. „Das modernste Licht, das es auf der Welt gibt,“ so Vogel.