Neheim. Auch beim zweiten Aufeinandertreffen der vier Arnsberger Bürgermeisterkandidaten innerhalb von 24 Stunden war die Bude voll. Bei der Wahlkampfarena des Digitalen Forums im Neheimer Kaiserhaus drängten sich über 200 Zuhörer im Saal, viele verfolgten die zweistündige Veranstaltung stehend. Anders als tags zuvor beim Seniorenbeirat in Hüsten wurde die Redezeit der Kandidaten nicht gemessen, dafür sorgte Moderatorin Michaela Padberg streng dafür, dass alle am Thema, der digitalen Zukunft Arnsbergs, blieben. Das bot mit den Bereichen Verwaltung, Bildung, Wirtschaft und Handel ohnehin ein weites Feld. Der Veranstalter Digitales Forum hatte sich im Vorfeld viel Mühe gegeben und hatte für kurze Filmeinspieler zahlreiche Arnsberger befragt, Bürger von der Straße ebenso wie Akteure aus Wirtschaft, Verwaltung und Schulen.
Nur ein Kandidat twittert
In der Einstiegsrunde sollten die Kandidaten berichten, wie weit sie selbst schon digital unterwegs sind. Dabei zeigten sich durchaus Unterschiede, auch wenn Internet und Smartphone für alle eine Selbstverständlichkeit sind. SPD-Kandidat Ralf Paul Bittner sagte, dass er soziale Medien wie Facebook und Twitter in seinem Wahlkampf derzeit intensiv nutze und auch Instagram sehr schön finde. Als Mitglied im Stadtrat habe er sofort auf digitale Ratsarbeit umgestellt, als dies möglich wurde, und seine Tageszeitung lese er digital, auch weil er da Informationen ein paar Stunden eher bekommen könne. Peter Erb, parteiloser Kandidat von CDU und Grünen, berichtete, dass er privat PC, Smartphone und Online-Banking nutze, soziale Medien wie Facebook und Twitter aber eher weniger. Im Beruf sei er deutlich mehr online unterwegs. Er habe bei Karstadt inzwischen ein Büro fast ohne Akten und beschäftige sich intensiv mit dem rasant wachsenden Online-Handel. Emilio Peluso, Kandidat der AfD, sagte, er nutze privat Facebook. Betrieblich sei das Internet unverzichtbar, etwa bei den vielen Sonderwünschen der Kunden. Reinhard Wilhelm, Kandidat der Familienpartei, sagte, er sei als einziger der Kandidaten „ein Kind der Digitalen Welt“, erntete aber einen spöttischen Lacher, als er seinen Altersunterschied – 45 gegenüber 51 und 52 der anderen drei – großzügig zweistellig aufrundete. Schon beim Studium habe er die digitale Welt von der Pike auf kennengelernt, so Wilhelm. Heute sei sein Büro komplett digitalisiert und zu Hause komme auch Fernsehen und Radio nur noch aus dem Internet. Facebook nütze er, Twitter halte er dagegen für unnütz.
Wilhelm will „Digitalen Bürgerrat“
Zum Thema Verwaltung stellte Wilhelm sein Projekt Digitaler Bürgerrat vor, das eine große Rolle in seinem Wahlkampf einnehmen solle. das solle eine paßwortgeschützte Plattform für alle Arnsberger sei, um mitzudiskutieren, um stets einen Überblick zu haben, was aus Anträgen geworden ist, aber auch, um Einblick in die eigene elektronische Akte zu haben und den aktuellen Stand zu verfolgen. Emilio Peluso sagte, bei der Digitalisierung des Rathauses seien viele gute Sachen bereits in die Wege geleitet. Man müsse aber aufpassen und abwägen, ob zuviel Digitalisierung nicht nur eine Stange Geld, sondern auch Arbeitsplätze koste. Peter Erb sagte, er sehe seine Aufgabe darin, den unterschiedlichen Gruppen zuzuhören, herauszufinden, was die Arnsberger wollen, alle mitzunehmen und Netzwerke zu knüpfen. Ralf Bittner sagte, Digitalisierung sei mehr als Technik. Sie müsse auch dazu dienen, das soziale Leben gut zu organisieren. Auch für Erb geht es nicht um Einsparungen und Stellenabbau, sondern darum, neue Freiräume zu schaffen und das Leben der Bürger einfacher machen. Bittner kündigte an, dass er als Bürgermeister konsequent die bisherige Projektgruppe zu einem eigenen Fachdienst Digitalisierung ausbauen werde.
Bittner: „Keine Schließung des Stadtbüros Oeventrop“
Ein Zuhörer stellte die Frage nach der Digitalen Spaltung. Erb sagte, man dürfe die Bürger nicht bevormunden und in 0 und 1 kategorisieren, man müsse auch die einbeziehen, die nicht in der Lage seien mitzumachen. Bittner sagte, das es mit ihm keine Schließung des Stadtbüros in Oeventrop geben werde, das gehe gar nicht. Peluso sagte, die Möglichkeit des persönlichen Kontakts mit der Verwaltung müsse aufrecht erhalten werden. Auch Wilhelm sah „viel Bedarf für die soziale Seite“.
Bildung und Kinderarmut
Eine Konfrontation gab es beim Thema Bildung, als Wilhelm sagte, heutzutage habe doch jedes Kind ein Tablet, dass es mit in die Schule bringen könnte. Bittner bot seinem Kontrahenten darauf an, mit ihm in Häuser zu gehen, wo es in Arnsberg Kinderarmut gebe und ein Smartphone oder Tablet für den Nachwuchs alles andere als selbstverständlich sei. Das Thema hatte Erb aufgemacht, als er sagte, es sei besser, dass Kinder ihre eigenen Geräte mitbringen und nicht an schuleigenen arbeiten, die schon veraltet seien, wenn sie angeschlossen werden. Auch Wilhelm räumte hier ein, die Solidarität müsse funktionieren und es müsse finanzielle Förderung geben.
Erb: „Geld für Bildung notfalls woanders wegnehmen“
Gute Bildung sei nicht billig, sagte Erb, und er sei bereit, das Geld notfalls woanders wegzunehmen. Bittner sagte, es gebe einen großen Nachholbedarf bei den Schulgebäuden. Aber man sei auf einem guten Weg, denn 20 Millionen Euro sollen in die Schulen gehen. Nächste Aufgabe sei eine Prioritätenliste. In zwei Jahren werde man einiges erreicht haben. Wichtig für Bittner ist aber auch, die Medienkompetenz zu stärken. Er könne nur mit dem Kopf schütteln, wenn ihm Schüler berichten, dass es noch Lehrer ohne Smartphone gebe. Aus dem Publikum kam der Einwurf, dass es in Arnsberg Schüler der Klasse 11 gebe, die kein Excel und Word kennengelernt haben. Wilhelm forderte einen Unterricht, der mehr auf Produktivität setze. Programmieren lernen mache die Schüler zukunftssicher. Erb antwortete, ihm sei es lieber, wenn die Schüler fünf wichtige Programme anwenden können als wenn sie eins selber schreiben. Ein Schulleiter einer Sekundarschule meldete sich zu Wort. Seine Kollegen wollten digital arbeiten, doch es fehle an Personal und an Kabeln. So habe er einen guten Hausmeister, aber keinen Informatiklehrer. Und bei der Stadt gebe es gerade mal einen Administrator für alle Schulen. „Das wollen wir ändern, das geht so nicht“, sagte Bittner und kündigte einen Medienentwicklungsplan an. Erb sprach auch hier wieder die Netzwerkarbeit an. Er will Alt und Junge, Ehrenamt und Amt zusammenbringen, wobei Arnsberg bereits auf gutem Weg sei. Auch Bittner will die Engagementförderung noch forcieren. Peluso hatte als Vorschlag IT als Unterrichtsfach für Hauptschüler vorgeschlagen, wobei das nicht in der Entscheidung des Arnsberger Bürgermeisters liegt, sich ansonsten den Vorrednern angeschlossen.
Bittner: „Mehr Kompetenz im Rathaus schaffen“
Beim Thema Wirtschaft sagte Moderatorin Michaela Padberg, dass sie das Wort Breitbandausbau jetzt nicht mehr hören wolle, da das ja für alle Kandidaten eine Selbstverständlichkeit sei. Zuvor hatte Erb darauf hingewiesen, dass hier der Bürgermeister nicht allein entscheide, sondern das die Netzbetreiber auch Geld verdienen wollen. Bittner sagte, Arnsberg habe bisher nur eine schwache 4 erreicht, wolle aber mindestens die 2, möglichst die 1 erreichen. Dafür brauche es mehr Kompetenz und dafür wolle er eine Stabsstelle einrichten.
Peluso: „Fachkräfte haben wir genug“
Beim Thema Fachkräftemangel sorgte der AfD-Kandidat für ein Raunen im Saal mit seiner These. „Fachkräfte haben wir genug in Arnsberg, aber das Leben ist nicht attraktiv, hier gibt es ja nix“, sagte Peluso und nannte bezahlbaren Wohnraum und KiTa-Gebühren. „Arnsberg ist eine ganz tolle Stadt und ich wohne gerne hier!“, antwortete Peter Erb. Gleichwohl wolle er die Stadt insgesamt noch interessanter machen und nach außen besser verkaufen, um Fachkräfte anzulocken und zu binden. Auch Bittner ist überzeugt, dass Arnsberg Fachkräfte von außen braucht. Dafür will er eine Zusammenarbeit mit Dortmund schmieden, eine Innovationsbrücke bauen. Das sei eine existenzielle Sache und deshalb Chefsache, so der SPD-Kandidat. Für Reinhard Wilhelm ist es eine gewagte Hoffnung, dass Dortmund Fachkräfte abgeben werde. Er erneuerte seine Position, man müsse die jungen Leute in der Schule stärker in die Produktivität bringen.
Erb: „Handel darf Internet nicht verteufeln“
Beim Thema Handel hatte Peter Erb mit über 30 Jahren Karstadt-Erfahrung ein Heimspiel. Seine klare Ansage an alle Händler: „Das Internet nicht verteufeln, sondern damit arbeiten!“ Online und Offline zu verknüpfen sei auch für kleine Händler die einzige Chance, zu überleben. Dafür sei es wichtig, Plattformen zu schaffen, auf denen sich die lokalen Händler zusammenschließen können. Emilio Peluso sagte, er sei kein Freund des Online-Handels. Die Händler sollten auf den persönlichen Kontakt setzen und ihre Läden schmackhaft machen. Reinhard Wilhelm sagte, er kaufe reichlich online ein, aber auch viel offline. Offline-Einkauf sei für ihn dabei immer auch Erlebnis und Freizeitgestaltung. Deshalb sollte der neue Bürgermeister erlebnisorientierte Veranstaltungen fördern. „Der Einzelhandel ist das Adrenalin der Innenstädte!“, zitierte Ralf Bittner und fügte an, er wolle keine Leerstände, denn die Innenstadt mache eine Stadt lebenswert. Die Preisführerschaft werde der Offline-Handel nie wieder erringen, deshalb müsse er auf die Emotionsführerschaft setzen. Mit viel Kommunikation und Service sei das eine riesige Chance. Bittner und Erb verwiesen beide auch auf den gesamtstädtischen Stadtmarketing-Prozess, bei dem sie beide intensiv mitgewirkt haben. „Der Handel wird profitieren, wenn wir die Stadt von Voßwinkel bis Oeventrop näher zusammenbringen“, so Bittner.
AfD-Kandidat in Schlussrunde sprachlos
In einer kurzen Schlussrunde sollten die vier Kandidaten einen Ausblick auf das digitale Arnsberg im Jahr 2025 geben, wenn ihre über siebenjährige Amtszeit als neuer Bürgermeister enden würde. Reinhard Wilhelm sagte, Digitalisierung sei nicht nur ein Wort, sondern müsse gelebt werden. Besonders wichtig sei die Bildung. Emilio Peluso sagte, er sei kein großer Freund der Digitalisierung, fand dann keine weiteren Worte mehr. Peter Erb sagte, die Arnsberger müssten den Prozess gemeinsam gestalten. Er wolle als Bürgermeister begleiten und treiben, für Qualität und Geschwindigkeit sorgen. Ralf Paul Bittner sagte, für ihn stehe der Mensch im Mittelpunkt und er habe den Anspruch, mit Arnsberg voranzugehen. Die Grundsteine seien gelegt, darauf müsse man aufbauen.
6 Antworten
Es gab für mich eine hochinteressante Minute, als nämlich die Frage nach der Geschwindigkeit der Datenleitung im Arnsberger Rathaus aufkam, und die Moderatorin Padberg ‑sicher ungewollt- hier mit einem Nebensatz aufzeigte, dass vermutlich allein Ralf Bittner sich da auskennen werde. Man merkte deutlich: Herr Wilhelm kann gut reden. Auch ohne etwas zu sagen, denn wirklich Ahnung hat er nicht, auch wenn er denkt, dass man als Jurist alles kann. Herr Peluso ist so hilflos , dass das schon fast Mitleid erweckt. Sicher ein toller Handwerker. Aber das reicht halt nicht. Herr Erb kann verkaufen… und besonders gut sich.Kennt aber von der Welt nur Karstadt. den Konzern, bei dem er sich in die mittlere Führungsebene hochgearbeitet hat. Der Einzige, der wirklich weiss, was vorgeht in Politik und Verwaltung,und der seine „Pappenheimer“ kennt, ist Bittner. So ist es denn kaum verwunderlich, dass er als eindeutiger Sieger dieses Duells hervorging. Wer das bezweifelt: Es ist kein Beweis, aber ein starkes Indiz, dass Herr Erb weitere Diskussionsrunden mit der erkennbaren Ausrede „Termindruck“ ablehnt, auch bereits zugesagte (und damit eingeplante. Er wird auf Sympathiewerte setzen, statt wie Bittner auf Kenntnisse und Fähigkeit, die er als Polizist und durch Verwaltungsstudium erworben hat.
Lieber Herr Klaßen,
ich bedanke mich herzlich für Ihr Lob.
Aber bitte teilen Sie dem Leser zukünftig fairerweise auch mit, dass Sie engagiertes SPD-Mitglied sind, ansonsten versteht ein unbefangener Leser Ihren Frust und Ihre hässlichen Abwertungen nicht.
Mit lieben Grüßen
Reinhard E. R. Wilhelm
– Bürgermeister-Kandidat -
Familien-Partei Arnsberg
Wer zwischen den Zeilen lesen kann, erkennt das lediglich Reinhard Wilhelm mit Fachwissen und Kompetenz überzeugte.
Übrigens 5 Jahre Altersunterschied sind in unserem digitalen Zeitalter „Welten“. Daher, ja Reinhard Wilhelm ist ein Kind der sogenannten „digitalen Welt“.
Wer vor Ort war, konnte erkennen, dass Herr Wilhelm, anders als Herr Peluso, zumindest über angelesenes Wissen verfügte. Das ist jetzt kein Makel. Aber ein Kind der Digitalisierung ist er deshalb noch lange nicht. Ich würde ihn allenfalls als politisch Suchenden bezeichnen wollen, denn er hat ja nun fast alle Parteien durch. Als Anhänger vom AfD Gründer und Euro-Gegner Lucke ist er jedenfalls nicht dafür qualifiziert, für ein politisch eng verzahntes Europa zu sprechen, egal ob mit oder ohne Digitalisierung.
Herr Hoscheidt, was ist denn ein politisch eng verzahntes Europa? Die Geschichtsbücher geben da nichts her, die Zukunft schon gar nicht. Im Übrigen ist Herr Wilhelm kein Anhänger von Professor Lucke, allenfalls hat er Respekt, da sich beide visionär kaum unterscheiden. Man muss Herrn Professor Lucke zugestehen, dass er im Europaparlament gute Arbeit macht, wenn man sich die Stellungnahmen mal anschaut.
Digitale Sprache ist ein Kommunikationsmittel, wo sich mancher Politiker dem Volke wichtig stellt. Letztendlich geht es aber um Prioritäten und monetäre Aufbauverfügbarkeit. Hier hat für mich Wilhelm die weitaus bessere Ideen, weil er die Anforderungsmechanismen erkannt hat und deshalb den Bürgern ein hohes Maß an Eigenständigkeiten geben kann.