Arnsberg/Sundern. Die Volkshochschule Arnsberg-Sundern steht derzeit vor Herausforderungen, wie es auch langjährige Mitarbeiter so noch nicht erlebt haben. Das machte VHS-Leiter Klaus-Rainer Willeke bei der Vorstellung des neuen Halbjahresprogramms deutlich. Denn die Zahl der geleisteten Unterrichtsstunden sei in den letzten beiden Jahren um fast 30 Prozent von rund 18.000 auf etwa 23.300 gestiegen, weil die Volkshochschule so unmittelbar wie kaum eine andere öffentliche Einrichtung mit der Integration der Flüchtlinge befasst sei. „Die Städte Arnsberg und Sundern können sich bei der Bewältigung der anstehenden Aufgaben auf ihre VHS verlassen,“ sagt Willeke – und fügt mit Blick auf 658 Kurse, Vorträge und Studienfahrten im Frühjahr hinzu, dass auch das traditionelle Publikum bei der VHS nicht zu kurz kommen werde, auch wenn die Beratung der Flüchtlinge sowie die Organisation und Durchführung der Deutsch-Kurse derzeit großen Raum einnehme.
Wartezeiten nicht ausgeschlossen
„Wenn nicht heute, dann morgen!“, sagte die für Integration zuständige Fachbereichsleiterin Sylvia Müller-Dörfler auf die Frage, ob denn jeder Flüchtling in Arnsberg und Sundern einen Deutsch-Kurs bekommen könne. Bisher sei es gelungen, jedem ein Angebot zu machen, wenn auch bisweilen mit Wartezeiten und mit Kompromissen bei der räumlichen Unterbringung der Kurse. Und sie werde mit aller Kraft daran arbeiten und sei zuversichtlich, dass das auch 2016 gelinge, auch wenn allein Sundern mit 1000 Neuankömmlingen rechne, so Müller-Dörfler.
Nationalitätenbeschränkung führt zu Frust
Zunehmende Schwierigkeiten, geeignete Lehrkräfte und geeignete Räumlichkeiten für immer neue Kurse zu finden, aber auch die unterschiedlichen Regelungen für verschiedene Flüchtlingsnationalitäten sind derzeit die größten Probleme. So hat es Ende des letzten Jahres Fördermittel des Bundes für neue Kurse gegeben, an denen nur Flüchtlinge aus den vier Ländern Syrien, Irak, Iran und Eritrea teilnehmen durften. „Eine blöde Situation, wenn ich einem Afghanen erklären muss, dass er in einen solchen Kurs nicht hinein darf, denn der sieht das nicht ein,“ so Willeke. Kollegin Müller-Dörfler berichtet von einem jungen Mann aus Mali, der zu Jahresbeginn nach Arnsberg kam und sofort mit einem Deutschkurs anfangen wollte. Den habe sie auf Februar vertrösten müssen. Immer noch eine kurze Zeit im Vergleich zu vielen anderen Städten, wo es vielfach Wartezeiten von einem halben Jahr gebe.
Hoffen auf großformatige Lösung der Raumprobleme
Bei der räumlichen Unterbringung sei man zwangsläufig Kompromisse eingegangen, so Müller-Dörfler. So seien kleinere Kurse schon mal in einen EDV-Raum oder ein großes Büro verlegt worden. Er habe vor Weihnachten noch hektisch sein Büro aufgeräumt, weil dort ein Spanisch-Kurs stattfinden sollte, berichtete Klaus-Rainer Willeke. Der VHS-Leiter berichtete, dass inzwischen auch über die Nutzung von Fahrschulräumen und Versammlungsräumen in Altenheimen nachgedacht werde. Zudem sei er zuversichtlich, in Kürze über eine großformatige Lösung berichten zu können.
Festanstellung von Dozenten „in der Pipeline“
Auch bei der Anwerbung und Bindung von Lehrkräften setzt Willeke auf eine Neuerung, die „in der Pipeline“ ist. Danach könnte es bald möglich sein, dass die Volkshochschulen ihren Dozenten eine attraktive Festanstellung bieten können. „Dann könnten wir unser Team vergrößern,“ so Willeke. Derzeit arbeiten die über 320 VHS-Dozenten in Arnsberg und Sundern nur auf Honorarbasis. Davon sind rund 50 Deutsch-Lehrer, von denen viele 25 und in Ausnahmefällen sogar 29 Wochenstunden geben, einige aber auch nur zwei oder vier. Darunter sind immer wieder auch Dozenten, die die VHS verlassen, weil sie anderswo einen festen sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplatz finden.
Hohe Anforderung an Deutschlehrer
Nur durch langjährige und teils nahezu familiäre Bindungen zu den Dozenten sei es bisher möglich gewesen, die Kurse mit qualifizierten Kräften zu besetzen, so Sylvia Müller-Dörfler, die auch auf die hohen Anforderungen verweist, denn letztlich tue man den zu Unterrichtenden keinen Gefallen, wenn man einen Bäcker, der es gut meint, die Sprache unterrichten lasse. Die Dozenten der VHS-Deutschkurse sollten im Idealfall ein Studium Deutsch als Fremdsprache abgeschlossen haben. Bei einem normalen Deutschstudium sind langjährige Lehrerfahrung mit Fremdsprachlern oder eine Zusatzqualifizierung erforderlich.
Auch Alphabetisierung
Die Kurse umfassen in der Regel 630 Stunden, sechs Monate mit je 100 Stunden Sprachunterricht (fünf Tage je fünf Stunden pro Woche) sowie 30 Stunden zur gesellschaftlichen Orientierung. Angeboten werden aber auch für Flüchtlinge Alphabetisierungskurse, die dann 930 Stunden dauern. Vor allem bei älteren Männern aus dem arabischen Raum sei es häufig, dass sie nicht oder nicht in der lateinischen Schrift alphabetisiert seien, so Müller-Dörfler.
Integration plus für junge Erwachsene
Mit Zuschüssen aus dem Europäischen Sozialfond bietet die VHS ab 2016 auch „Integration plus“-Kurse an. Das neue Format hat die Zielgruppe junge Erwachsene und soll speziell auf das Berufsleben vorbereiten, so Fachbereichsleiterin Ute Backhaus. Die Kurse, die an den drei Standorten Arnsberg, Neheim und Sundern angeboten werden, dauern neun Monate mit je 120 Stunden pro Monat. Die Teilnehmer haben keinen allgemeinen Deutschunterricht mehr, lernen aber zu speziellen Themen, die vom Vorstellungsgespräch bis zur Einführung in die EDV reichen, die entsprechenden Vokabeln.
Nahost-Experte im Sauerlandtheater
Die VHS sieht aber nicht nur die Integration der nach Arnsberg und Sundern gekommenen Flüchtlinge als ihre Aufgabe, sondern auch die Information der Bevölkerung über die Ursachen der Flucht und die aktuelle Situation in der Heimat der Geflüchteten. Deshalb hat die VHS den langjährigen ARD-Nahost-Experten Jörg Armbruster eingeladen. „Es ist wichtig, dass einer zu uns kommt, der sich auskennt. Wir erwarten Vor-Ort-Berichte und eine aktuelle Gesamtübersicht,“ so Willeke. Jörg Armbruster kommt mit seinem Vortrag „Brennpunkt Nahost. Wie eine Region die Welt in Atem hält.“ am Donnerstag, 3. März um 20 Uhr ins Sauerlandtheater. Der Eintritt kostet 10 Euro für Erwachsene, 5 Euro für Schüler und Jugendliche bis 18. Der Vorverkauf in den VHS-Geschäftsstellen in Arnsberg, neheim und Sundern hat begonnen.