Neheim. Die Evangelische Kirchengemeinde Neheim hat sieben Wochen lang einem von Abschiebung bedrohten Flüchtling erfolgreich Kirchenasyl gewährt. Der 30-jährige aus dem westafrikanischen Guinea, der inzwischen ohne Angst vor Abschiebung auf den Ausgang seines Asylverfahrens in Deutschland warten kann, hat sich am Mittwoch abend mit bewegenden Worten beim Presbyterium der Gemeinde bedankt. „Das hat uns nochmals in unserer Überzeugung bestärkt, dass wir alles richtig gemacht haben“, sagte Pfarrer Udo Arnoldi, als er am Freitag zusammen mit dem Presbyteriumsvorsitzenden Wolfgang Faber und Gemeinde-Pressesprecher Karl-Georg Wuschansky umfassend über die zurückliegenden aufregenden und anstrengenden Wochen informierte.
Asylantrag aus formalen Gründen abgelehnt
Die Flüchtlingsbetreuerin des 30-Jährigen, der in einer eigenen Wohnung in der Stadt Arnsberg lebte, hatte sich im Januar hilfesuchend an die Kirchengemeinde gewandt, weil der Termin des Abschiebeflugs nach Italien am 16. Januar kurz bevor stand. Der Asylantrag des Guineers war aus rein formalen Gründen abgelehnt worden und er sollte zurück in das Land, wo er erstmals EU-Boden betreten hatte. An Italien hatte der 30-Jährige, der als klassischer Bootsflüchtling von Libyen übers Mittelmeer gekommen war, aber keine gute Erinnerungen. Dort hatte er zuletzt auf der Straße gelebt.
Einmütiger Beschluss des Presbyteriums
Das Presbyterium der Gemeinde habe den Mann angehört und danach einmütig entschieden, ihm Asyl zu gewähren, berichtet Wolfgang Faber. Das sei eine Frage von Abwägung und Vertrauenswürdigkeit gewesen. Zum einen sei die Frage juristisch strittig, ob Italien als sicheres Herkunftsland gelten könne, zum anderen habe der 30-jährige überzeugend vortragen können, dass er aus politischen Gründen Asyl suche. „Wir können es nicht überprüfen, aber wir glauben ihm“, sagte auch Karl-Georg Wuschansky. Der 30-Jährige habe berichtet, dass er wegen seiner journalistischen Tätigkeit nachts zu Hause abgeholt und mit verbundenen Augen auf einem Truck fortgebracht worden sei. Zum Glück sei ihm die Flucht gelungen. Diese Flucht begann bereits 2015, führte über Liberia quer durch die Sahara nach Libyen. „Dort muss er Dinge erlebt haben, die jeden Menschen am Glauben zweifeln lassen“, deutete Pfarrer Arnoldi an, der nicht zu viel aus persönlichen Gesprächen preis geben wollte. Über Italien und die Schweiz kam der 30-jährige 2017 nach Deutschland, wo er der Stadt Arnsberg zugewiesen wurde.
Sieben Wochen das Gebäude nicht verlassen
Arnoldi schilderte auch den erheblichen organisatorischen Aufwand, den das Kirchenasyl forderte. Dazu gehörten der ständige Kontakt mit der städtischen Ausländerbehörde und dem Bundesamt (BAMF), aber auch mit den Flüchtlingsbeauftragten der Diakonie und der Evangelischen Landeskirche. Der Flüchtling lebte nicht direkt in einer Kirche, sondern in einer gemeindeeigenen Immobilie im Gemeindegebiet, die er sieben Wochen lang nicht verlassen durfte, und wo er tagtäglich von Gemeindemitarbeitern und ehrenamtlichen Helfern betreut wurde. Unter anderem arbeitete der 30-Jährige, der fließend Französisch und Englisch spricht, mit einem Lehrer auch an seinen inzwischen recht guten Deutschkenntnissen. „Nach gutem Brauch“, so Arnoldi, sei das Kirchenasyl von den Behörden respektiert worden. Gemeindemitglieder und Öffentlichkeit seien bewusst nur knapp informiert worden, während das Kirchenasyl noch lief. Es konnte beendet werden, weil inzwischen nach Ablauf einer Sechs-Monats-Frist die Zuständigkeit für das Asylverfahren von Italien auf Deutschland übergegangen ist.
Suche nach Praktikums- oder Ausbildungsplatz
„Er wird jetzt sein ordentliches Asylverfahren in Deutschland bekommen und wir werden ihn dabei unterstützten,“ sagte Pfarrer Arnoldi. Unterstützt werden soll der 30-Jährige, der inzwischen wieder in seiner eigenen Wohnung im Stadtgebiet lebt, auch beim weiteren Lernen der Sprache und der Suche nach Ausbildung oder Arbeit. Gerne würde der auch technisch geschickte Asylbewerber ein Praktikum im Bereich Elektrotechnik oder Metallverarbeitung machen oder auch gleich eine Ausbildung beginnen.
An die Grenzen der Kräfte
In den knapp 20 Jahren, die er jetzt in Neheim sei, habe sich seine Gemeinde steht für Flüchtlinge engagiert getreu dem Bibelwort „Nehmt Euch der Fremden an!“, aber dieser Fall sei auch an die Grenzen der Kräfte gegangen, zog Arnoldi ein Resümee. Deshalb werde es bei künftigen Anfragen kein pauschales Ja und kein pauschales Nein geben. Jeder Einzelfall werde geprüft und abgewogen und es werde getan, was machbar sei. „Es gibt kein Abo!“, fügte der Presbyteriumsvorsitzende hinzu.