Neheim. Das sei eine gute Nachricht für alle Bewohner der Stadt und der Region, denn für alle verbessere sich die medizinische Versorgungssicherheit, wenn Arnsberg sein Profil als Kompetenzzentrum für medizinische Ausbildung und Versorgung weiter stärke, sagte Bürgermeister Hans-Josef Vogel am Freitag im Kaiserhaus, als Dr. Dietmar Wetzchewald, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Intensivmedizin (AIM), den Mietvertrag im Kaiserhaus bis Ende 2024 verlängerte. Auch im kommenden Jahrzehnt werden jährlich rund 2500 Ärzte aus ganz Deutschland zur Fortbildung nach Arnsberg kommen und hier Millionenbeträge ausgeben.
Über 35.000 Ärzte in 25 Jahren
Elf große jeweils neuntägige Kurse für Notärzte werde es künftig pro Jahr geben, so Wetzchewald, wobei jeder Teilnehmer pro Tag für Gebühren, Übernachtung und Verpflegung rund 250 Euro in der Stadt lasse. Im Angebot sind auch Spezialausbildungen für leitende Notärzte, Kommunikationsseminare Arzt-Patient oder Arzt-Krankenschwester oder Fachtagungen. Gerade seien 60 Top-Spezialisten für Leukämie im Kaiserhaus, berichtete Wetzchewald. Das sei seit acht Jahren eine Highlight-Veranstaltung in Arnsberg, die früher in der Messestadt Essen gelaufen sei. In wenigen Wochen feiert der gebürtige Neheimer Wetzchewald in seiner Heimatstadt bereits das 25-jährige Jubiläum seiner Notarztausbildung. Über 20.000 Notärzte und 15.000 Intensivmediziner seien seitdem nach Arnsberg gekommen.
Drei Notarztstationen rund um die Uhr besetzt
Die AIM holt aber nicht nur tausende Ärzte zu Veranstaltungen nach Arnsberg, sondern sie bietet auch hochqualifizierte Arbeitsplätze. Es werden ständig 20 bis 25 angestellte Notärzte beschäftigt. Die sind einerseits in Forschung und Lehre tätig, als Referenten bei den Veranstaltungen oder auch als Betreuer von Doktoranden der Uni Wetter-Herdecke, die deshalb auch ins Kaiserhaus kommen. Andererseits leisten diese angestellten Ärzte aber auch Dienst in den rund um die Uhr besetzten Notarztstationen. „Arnsberg braucht bei der Notarzt-Versorgung den Vergleich mit München nicht zu scheuen,“ sagt Wetzchewald. In Gr0ßstädten rechne man mit einem 24-Stunden-Notarzt pro 100.000 Einwohner. Arnsberg mit seinen knapp 80.000 Einwohnern und dem Umland von Freienohl über Sundern und Ense bis Wickede habe die dreifache Menge, drei rund um die Uhr besetzte Notarztstationen in Alt-Arnsberg, Neheim und Wickede-Wimbern. Dank seiner Notärzte gebe es in dieser Region auch keine Abzock-Dinger wie in vielen anderen ländlichen Regionen, wo Unsummen für die Notarztversorgung mit Honorarkräften gezahlt werden müssten.
Einige Ärzte arbeiten 50:50 am Klinikum und als Notarzt
Auch Werner Kemper, Chef des Klinikums Arnsberg, war zur Vertragsunterzeichnung gekommen. Denn Klinikum und Arbeitsgemeinschaft Intensivmedizin arbeiten eng zusammen. Sie teilen sich sogar einige Ärzte, die 50 Prozent der Zeit als Notärzte arbeiten und während der anderen 50 Prozent ihre Facharztausbildung am Klinikum fortsetzen. „Dank der vielen spezialisierten neuen Abteilungen ist am Klinikum Arnsberg inzwischen fast jede Facharztausbildung möglich,“ lobt Dr. Wetzchewald.
Klinikum will Engpässe bei Notfallversorgung abbauen
Kemper und Wetzchewald liegt es auch am Herzen, dass möglichst viele Notfallpatienten in der Region versorgt werden können. „Der Hubschrauber kann im Hochsauerland wetterbedingt an kaum mehr als 100 Tagen im Jahr fliegen und nachts überhaupt nicht,“ sagt Wetzchewald, und Fahrten mit dem Rettungswagen in die Unikliniken in Bochum oder Marburg könnten bis zu anderthalb Stunden dauern, wobei das Risiko für den Patienten mit jeder Minute steige. Das Klinikum will in den nächsten drei Jahren große Anstrengungen unternehmen, um die Engpässe bei der Notfallversorgung abzubauen. „Der Notfall ist für uns der Regelfall,“ so Kemper. 42 Prozent alle stationär aufgenommenen Patienten seien inzwischen Notfälle, über 12.000 Peronen pro Jahr mit steigender Tendenz.
Neue eigenständige Abteilungen werden aufgebaut
Das Klinikum wird deshalb bereits in diesem Jahr eigenständige Abteilungen für Notfallmedizin und Intensivmedizin aufbauen. Bis 2019, so hofft Kemper, wird am Standort Neheim auch der Neubau für eine neue zentrale Notfallaufnahme und eine um 60 bis 80 Prozent aufgestockte Zahl von Intensivbetten zur Verfügung stehen. Strategisches Entwicklungsziel ist der Aufbau eines regionalen Traumazentrums mit acht bis zwölf Fachabteilungen an einem Standort. Bis zur Fertigstellung des Neubaus in Neheim soll die eigenständige Notaufnahme im 24-Stunden-Rhythmus zwischen den drei Häusern in Neheim, Hüsten und Arnsberg wechseln.
Notärzte lasten Kaiserhaus zu 40 Prozent aus
Die Notarztausbildung sei nicht nur für die Versorgungssicherheit, für die lokale Wertschöpfung und für das Image der Stadt wichtig, sondern auch für das Objekt Kaiserhaus, sagte der Bürgermeister. Ohne die Gewissheit, diesen Mieter zu haben, also quasi ins Blaue hinein, wäre der Umbau dieses alten Industriegebäudes wohl nie verwirklicht worden, sagte Vogel. Bernd Lepski von der Wirtschaftsförderung rechnete vor, dass die Arbeitsgemeinschaft Intensivmedizin alleine die kompletten Veranstaltungsflächen des Kaiserhauses zu 40 Prozent auslastet. Dafür müssten die technologischen Einbauten allerdings auch ständig dem Bedarf angepasst werden. Da sei es gut, dass mit dem neuen Vertrag beide Seiten jetzt für viele Jahre Sicherheit haben.
Szenarien wie Bad Aibling werden fünfmal im Jahr geübt
„Es passt hier!“, sagte Dr Wetzchewald, der 2005 vom Kulturzentrum ins neu eröffnete Kaiserhaus umgezogen war. Für ihn gebe es wenig Grund, seine Heimatstadt zu verlassen. Das Kaiserhaus von heute sei nicht mehr das Kaiserhaus von 2005. So sei im zweiten Stock ein hochmodernes Simulationszentrum für Notfälle aller Art geschaffen worden, das deutschlandweit seinesgleichen suche. Simuliert wird aber nicht nur im Kaiserhaus, sondern auch draußen vor Ort. „Katastrophenszenarien wie jetzt in Bad Aibling mit bis zu 150 Verletzten proben wir in der Region fünfmal im Jahr zusammen mit den Feuerwehren und Hifsorganisationen,“ so Dr. Wetzchewald.