Oeventrop. Die überraschende Neuigkeit kam gleich zu Beginn der Bürgerinformation zur geplanten Flüchtlingseinrichtung in der ehemaligen Salus-Klinik auf der Egge. Bezirksausschussvorsitzender Klaus Büenfeld verkündete den rund 400 Oeventroper Bürgern am Dienstag abend, dass man die folgenden zwei Stunden „über ungelegte Eier“ reden werde, denn der private Investor sei wenige Stunden zuvor ausgestiegen. Thomas Sommer von der Arnsberger Bezirksregierung sagte, dass der leerstehende Gebäudekomplex für ihn weiterhin ein geeignetes Objekt und eine Option für eine Zentrale Unterbringungseinrichtung des Landes bleibe. Doch wenn er in Oeventrop „nicht zu Potte kommt“, werde er anders planen. Die Oeventroper machten in zahlreichen Wortbeiträgen deutlich, dass sie bereits sind, Flüchtlinge aufzunehmen, dass sie aber große Probleme sehen, wenn auf der Egge 400 oder mehr Menschen „zusammengepfercht“ würden. Sie forderten für die Zukunft auch eine transparentere Informationspolitik. Der Bezirksausschussvorsitzende sagte zu, mit künftigen Neuigkeiten „nicht hinterm Berg zu halten“.
Eigentümerfamilie sucht neuen Investor
Nur mit zusätzlichen Stühlen war der Andrang in der Schützenhalle zu bewältigen. Das riesige Interesse machte deutlich, dass es eine kluge Entscheidung der Einlader war, den Gedanken an eine Absage der Veranstaltung wegen des Ausstiegs des Investoren ganz schnell ad acta gelegt zu haben. Klaus Büenfeld sprach in seiner Begrüßung von „den Menschen, die in Not sind und zu uns kommen, weil sie unsere Hilfe brauchen“. Er habe Verständnis, wenn das Land auf die Idee komme, ein leerstehendes Gebäude wie auf der Egge für Flüchtlinge zu nutzen, und er „wünscht, weiß und ist sicher, dass Oeventrop einer solchen Aufgabe gewachsen wäre“. Schnell kam er zu den „letzten Infos, Stand heute“: Die Gespräche zwischen Bezirksregierung und Investor seien eingestellt. Die Familie Salus aus Köln als Eigentümerin sei nun auf der Suche nach einem neuen Investor. Es sei also noch nichts entschieden, Aussagen zum weiteren Zeitablauf seien reine Spekulation.
Land braucht bis Herbst noch 2000 neue Plätze
„Wir sind miteinander nicht klargekommen, die Rahmenbedingungen haben nicht gepasst,“ sagte Thomas Sommer, der bei der Bezirksregierung Arnsberg verantwortlich ist für die landesweite Unterbringung der neu ankommenden Flüchtlinge und Asylbewerber, zu den Verhandlungen mit dem Investor, und fügte hinzu: „Wir haben aber nach wie vor Interesse an dem Objekt.“ Sommer verdeutlichte den Oeventropern die dramatisch angestiegenen Flüchtlingszahlen. Allein im März 2015 seien in Nordrhein-Westfalen über 5400 Menschen angekommen, 149 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Zu seiner Aufgabe gehöre es, dass diese Menschen schon am ersten Abend ein Kopfkissen hätten, und zwar möglichst nicht in Zelten, Turnhallen oder auf der Straße. Zur Zeit verfüge er landesweit über 10.000 Plätze, doch er müsse noch nacharbeiten. Bis zum Herbst, wenn die alljährliche Spitze des Zustroms erwartet werde, brauche er 12.000 Plätze. Er sei deshalb auf der Suche nach leerstehenden Kasernen, Krankenhäusern, Kliniken und Ferienheimen. Ideal auch aus Sicht des Steuerzahlers seien Einheiten, die man „entspannt und friedlich“ mit 500 Regelplätzen fahre, die im Notfall aber auch 100 oder 200 Menschen mehr aufnehmen könnten. In Oeventrop habe er bisher mit 400 Plätzen geplant und sei den Einwohnern damit schon ein Stück entgegengekommen.
Oeventroper gegen „Zusammenpferchen“ von 400 Menschen
„Man muss die Hütte sehen, 400 Bewohner kann man weder den armen traumatisierten Menschen noch dem Umfeld zumuten,“ sagte Gerd Keßler unter starkem Beifall der Oeventroper. Der ehemalige Ratsvertreter hat sich intensiv mit der Geschichte des 1902 als theologische Hochschule für damals knapp 100 Herz-Jesu-Missionare gegründeten Hauses befasst und plädierte auch dafür, im Sprachgebrauch zu dem Begriff „Altes Kloster“ zurückzukommen, da das Haus über 70 Jahre seiner 113-jährigen Geschichte als Kloster genutzt wurde. Ex-Mitarbeiter der vor sieben Jahren geschlossenen Suchtklinik berichteten, dass die Klinik schon bei 105 Patienten „bis unter die Decke zu“ war. Ein älterer Oeventroper erinnerte daran, dass auch im 2. Weltkrieg, als das Kloster in ein Lazarett für Lungenkranke umgewandelt wurde, nie mehr als 300 Patienten dort waren, obwohl man „damals nicht zimperlich war“. Auch Anwohner aus der Egge meldeten sich zu Wort. Sie seien bereit zu helfen, doch 400 Menschen in unmittelbarer Nachbarschaft seien zu viele, machten Angst.
„Andere Maßstäbe als in einer Psycho-Klinik“
Thomas Sommer erläuterte den Oeventropern, dass es um eine Landeseinrichtung gehe, wo die Flüchtlinge nur kurze Zeit untergebracht werden, bevor sie zur endgültigen Unterbringung den Kommunen zugewiesen werden. „Da gelten andere Maßstäbe als in einer Psycho-Klinik, da werden Doppelzimmer auch mit vier oder sechs Personen belegt,“ sagte er. Es gehe vorrangig darum, dass die Menschen ein Bett haben und verpflegt werden, unter Einhaltung hygienischer und medizinischer Standards und mit entsprechendem Personal. Die maximale Aufenthaltsdauer in einer solchen Zentralen Unterbringungseinrichtung sei laut Gesetz drei Monate, doch in aller Regel würden die Bewohner bereits nach zwei bis drei Wochen den Kommunen zugeteilt. Sommer sagte auch, dass eine solche Einrichtung komplett eingezäunt werde, „zur Sicherheit nach innen wie nach außen“, und dass er im rückwärtigen Bereich des Klinikgeländes das Aufstellen von Containern etwa für Sozialräume für möglich halte. Das Aufstellen von Containern auf dem Sportplatz schloss er nach einer entsprechenden Frage aus. Bei anderen Fragen etwa zu Details der Umzäunung und Zuwegung sagte er, da habe er sich „noch keinen Kopp drum gemacht“, da müssten Lösungen gefunden werden, wenn es soweit sei.
Land mietet für fünf oder zehn Jahre
Sommer erklärte auch, dass das Land grundsätzlich nicht kaufe, sondern nur Objekte anmiete, in der Regel für fünf Jahre, bei großen Investitionen auch für zehn Jahre. Er sei auch nicht auf der Suche nach Investoren, sondern nach Objekten. Ein Investor müsse ihm dann aber eine vernünftige Belegung unter Einhaltung der Standards darlegen können. Für Oeventrop gebe es derzeit aber keinen Investor. Und wenn der sich nicht finden lasse, müsse er sich um Alternativen kümmern. Er habe noch „einige andere Eisen im Feuer“ und er brauche Kapazitäten im Herbst. Aus Oeventrop nehme er aber auf jeden Fall mit, dass es eine grundsätzliche Bereitschaft gebe, die Leute aufzunehmen. Sommer sprach auch die zweite Seite der Medaille an, die Vorteile für eine Stadt, die eine solche Einrichtung bekommt. So trage das Land alle Kosten für die Einrichtung und deren Bewohner einschließlich der Krankheitskosten. Der Stadt werden Flüchtlinge aber auf die Zuweisungsquote angerechnet und sie zählen auch bei den Schlüsselzuweisungen des Landes als Einwohner mit. Zudem profitieren Handwerksunternehmen und Zulieferer und es gibt neue Arbeitsplätze.
Kriminalität aus Sicht der Polizei gering
Zum Thema Kriminalität war Polizeioberrat Peter Andres als kompetenter Referent vor Ort. Der ehemalige Chef der Polizeiinspektion in Hüsten leitet inzwischen die Verbindungsstelle der Polizei bei der Bezirksregierung Arnsberg und erarbeitet dort für den Innenminister ein Lagebild für alle Flüchtlingseinrichtungen. Andres berichtete, dass es in 41 Landeseinrichtungen in den ersten drei Monaten 401 Polizeieinsätze gegeben habe, im Durchschnitt also etwa drei pro Monat und Einrichtung. Dazu hätten auch Brandmeldeanlagen und ärztliche Notfälle gehört, nur 192 seien Kriminalfälle gewesen – und dann auch nur Diebstähle und Körperverletzungen. Für ihn sei das eine geringe Zahl, zumal die Kriminalität in einem Drittel der Einrichtungen sogar bei Null gelegen habe. Außerhalb der Einrichtungen gebe es Ladendiebstähle als häufigstes Delikt. In einem Fall habe es auch 16 aufgebrochene Autos gegeben. Aber weder Raubüberfälle noch Vergewaltigungen. Andres verwies auch darauf, dass in den Einrichtungen rund um die Uhr pro 100 Bewohner eine Sicherheitskraft im Dienst sei. Dazu komme noch eine Betreuungskraft pro 75 Bewohner.
Vogel: Nicht bei eigenen Vorurteilen erwischen lassen
Bürgermeister Hans-Josef Vogel forderte die Oeventroper angesichts vorgetragener Sorgen über Kriminalität und auch Sauberkeit auf, sich nicht bei den eigenen Vorurteilen erwischen zu lassen. Er zitierte die Untersuchung einer Drogeriemarktkette, dass Ladendiebstähle statistisch am häufigsten von jungen deutschen Mädchen verübt werden, und forderte die Oeventroper auf, sich mal die eigenen Autobahnauffahrten anzusehen, wenn sie nicht gerade bei der großen Frühjahrsaktion gesäubert worden sind, und sich zu fragen, wer da den Müll aus dem Fenster werfe. Eine Mutter von der Egge, die sich Sorgen um die Sicherheit ihrer Kinder auf Schulweg und Spielplatz macht, sagte er, in Wimbern, wo er sich selbst ein Bild von der Flüchtlingsunterkunft gemacht habe, sei der nächste Kindergarten nur 50 Meter von der Unterbringung entfernt. „Das sind Menschen wie wir alle, die Solidarität brauchen,“ sagte Vogel. „Sorgen und Bedenken sind abarbeitbar.“
Runder Tisch soll kommen
Klaus Büenfeld sagte zum Schluss der Veranstaltung, alle Sorgen, die er „schrecklich gut verstehen“ könne, seien zu Protokoll genommen worden. Schon in der Bezirksausschusssitzung am Donnerstag soll die Einrichtung eines runden Tisches beschlossen werden für den Fall, dass das Thema wieder konkret wird. „Da sollen Caritas und Kirche dabei sein, der TuS, die Schützen und anderen Vereine, natürlich auch der Egge-Bürgermeister,“ so Büenfeld.
2 Antworten
Der Investor spielt mit dem Leid und dem Schicksal der Flüchtlinge und vor allem der Flüchtlingskinder , der sollte sich schämen !
Schade das es soweit kommen mußte das dass Gebäude jetzt abgerissen wird , Naja vielleicht hat es ja auch was gutes dann gibt eswieder Platz für was neues !