Arnsberg. Seit 20 Jahren bietet der Verein „Frauen helfen Frauen e.V“ in Arnsberg Unterstützungsangebote für Frauen und Mädchen in der Region an. Insbesondere die Chancengleichheit von Mann und Frau, der Blick auf die Lebensbedingungen von Frauen und die Vertretung der Frauen in unterschiedlichen Problemlagen stehen im Mittelpunkt der Arbeit. Auch auf viele erfolgreiche Beratungsprozesse kann die Frauenberatung nach 20 Jahren zurückblicken.
Auf der Seite der Frauen
„Ob es um die Bestrafung von Vergewaltigung in der Ehe, um Vergewaltigung als Kriegswaffe in den Balkankriegen, um sexuellen Missbrauch an Kindern oder um spezielle Überlebenstechniken traumatisierter Mädchen und Frauen wie Ritzen und Essstörungen ging – wir standen politisch auf der Seite der Frauen und diese Grundsätze sind nach wie vor die Grundlage unserer Beratungsarbeit“, sagte Uschi Plenge, Diplom-Pädagogin und langjährige Beraterin der Frauenberatung, am Donnerstag bei der Vorstellung des aktuellen Jahresberichts der Frauenberatungsstelle am Brückenplatz 4.
Beratungs- und Gruppenangebote
Frauen stärken und sie durch Beratungs- und Gruppenangebote so zu unterstützen, dass sie es aus eigener Kraft schaffen mit ihren Problemen besser umzugehen oder den Gewaltkreislauf zu durchbrechen ist das Ziel der Beratungsstelle. Eine gute Vernetzung mit anderen Institutionen vor Ort ist dabei unerlässlich, um Hindernisse im schnellen Kontakt besser zu überwinden.
Mit 1,5 Fachstellen, die vom Land NRW, der Stadt Arnsberg und dem Hochsauerlandkreis sowie Geldbußen, Spenden und Mitgliedsbeiträgen finanziert werden, leisten die Mitarbeiterinnen qualifizierte Beratungs- und Gruppenarbeit. Im Jahresbericht 2015 wird das neue Team vorgestellt mit Carmen Tripke-Westhoff in der Verwaltung sowie den Diplom-Pädagoginnen Uschi Plenge und Karola Enners.
Vorträge, Film und Fachtagung
Die Frauenberatung Arnsberg hat im Jahr 2015 Vorträge zu Themen wie Scheidungsrecht, Zuwanderungs- und Aufenthaltsrecht und Arbeitslosengeld II mit externen ReferentInnen durchgeführt. Darüber hinaus gab es die Fachtagung „Flucht und Trauma“ zur Arbeit mit traumatisierten Flüchtlingen und die Filmvorführung „Monsieur Claude und seine Töchter“ in Kooperation mit dem Frauenbildungsnetzwerk Arnsberg. Vertiefende Vorträge oder vertiefte Selbsterfahrungsgruppen boten die Mitarbeiterinnen zu den Themen Trauma, Skillstraining, Depression, Trennung und Scheidung sowie Flucht und Trauma an. An den Vorträgen nahmen 57 Frauen und an den Gruppen 79 Frauen teil. Die Filmvorführung wurde von rund 90 Frauen besucht, die Fachtagung besuchten 70 Fachkräfte aus dem weiteren und näheren Umkreis.
1288 Beratungsgespräche für 393 Frauen
2015 konnten 393 Frauen in insgesamt 1288 Einzelberatungsgesprächen durch die Pädagoginnen begleitet werden. Die größten Beratungsfelder betrafen den Bereich der Gesundheit, der psychosomatischen oder psychischen Erkrankung mit 217 Frauen. Knapp danach folgte der Bereich der physischen und psychischen Gewalt mit 212 Frauen und der sexualisierten Gewalt mit 88 Frauen.
Bei den Themenfeldern Trennung, Scheidung und Beziehungsprobleme suchten 166 Frauen Rat und Hilfe, die Sozialberatung benötigten im Beratungsprozess 144 Frauen, 112 Frauen hatten rechtliche Probleme und brauchten eine Verfahrensbegleitung. Zum Teil überschnitten sich mehrere Beratungsfelder. Die Frauen und Mädchen, die wegen sexualisierter Gewalt kamen, hatten zum Großteil Probleme wegen zurückliegender Missbrauchserfahrung, einer Vergewaltigung oder sexueller Nötigung. Die sexuelle Belästigung wurde an drittgrößter Stelle als Problem benannt.
Jetzt auch Online-Beratung
Mit der Einführung der Online-Beratung konnte der Erstkontakt für die Frauen und Mädchen erleichtert werden, die Schwierigkeiten hatten, telefonisch oder persönlich zur Beratungsstelle zu kommen. „Insbesondere für Frauen mit Beeinträchtigung, langen und teuren Fahrtwegen oder eingeschränkter Zeit stellt diese Form der Beratung eine sinnvolle Ergänzung zum bislang bestehenden Angebot dar“, meint Karola Enners, die als erste Ansprechpartnerin die Online-Anfragen beantwortet.
Möglichkeit der anonymen Spurensicherung
Ein noch sehr neuer Bereich den die Beratungsstelle angestoßen hat, betrifft die anonyme Spurensicherung: Wenn Opfer von sexuellen Gewalttaten eine Anzeige stellen möchten und dies später vor Gericht verhandelt wird, müssen die Spuren der Tat möglichst so gesichert werden, dass es zu einer Verurteilung der Täter führt. Aus Gründen von Scham und Verzweiflung können sich Frauen oft erst einmal keine Anzeige bei der Polizei vorstellen. Die drei gynäkologischen Ambulanzen in Brilon, Meschede und Arnsberg bieten auf Initiative der Frauenberatung Arnsberg und der beiden Arbeitskreise gegen häusliche Gewalt in Arnsberg und dem HSK seit letztem Jahr flächendeckend für den ganzen HSK die Möglichkeit der anonymen Spurensicherung an. Hierzu werden Spuren der Tat gesichert, mit einem Code versehen und anonym in einem Rechtsmedizinischen Institut über längere Zeit aufbewahrt. Frauen haben dann noch über Jahre die Möglichkeit, sich für eine Anzeige zu entscheiden und vor Gericht auszusagen. Mit Hilfe der gesicherten Spuren ist eine spätere Verurteilung der Täter wahrscheinlicher.
Hilfe für geflüchtete Frauen
Schon lange bietet die Frauenberatung Arnsberg Beratung und Hilfe für geflüchtete Frauen an. Neben Kriegen, ethnischen und religiösen Verfolgungen spielt geschlechtsspezifische Gewalt bei den Fluchtgründen sowie bei den aktuellen Problematiken der Frauen eine wichtige Rolle. Lena Baader, angehende Sozialarbeiterin, die den Bereich der Flüchtlingsarbeit in Zusammenarbeit mit Uschi Plenge abdeckt, berichtet zum Stand der Planungen: „Wir als Frauenberatungsstelle wollen direkt auf die Bedürfnisse der geflüchteten Frauen eingehen und sie in ihren Ressourcen stärken. Um möglichst viele Frauen zu erreichen, bieten wir unsere Angebote ab August direkt vor Ort in Hüsten an. Dort beginnt ab August in der Flüchtlingsunterkunft Rumbecker Holz ein interkultureller Frauentreff. Im Anschluss können die Frauen nach Bedarf Einzelberatungen in Anspruch nehmen. Sich Zeit für sich selbst zu nehmen, um die innere Kraft zu stärken, ist besonders für traumatisierte Frauen wichtig. Doch auch geflüchtete Mädchen wollen wir in unseren Angeboten nicht vernachlässigen. Daher sind wir zurzeit in der Planung eines Mädchentreffs, der ihre Selbstbehauptung stärken soll.“
Fortbildung für Flüchtlingshelfer
Zudem möchte die Frauenberatung noch bis Ende des Jahres Fortbildungen, Tagungen und Fachveranstaltungen für hauptamtliche und ehrenamtliche MitarbeiterInnen der Flüchtlingsarbeit anbieten. Diese sollen die Themen Schutz vor Gewalt, Traumatisierung, aber auch das Sicherheitskonzept in Flüchtlingsunterkünften aufgreifen. Die konkreten Daten werden in der nächsten Zeit über Flyer und per Mail bekannt gegeben. „Wir haben bereits einen Verteiler unserer Arbeit erstellt und Kooperationsgespräche mit Institutionen und MitarbeiterInnen der Flüchtlingshilfe geführt, aber wir würden uns freuen, wenn sich noch weitere Interessenten melden, die in der Arbeit mit geflüchteten Frauen mit uns kooperieren wollen“, so Lena Baader. „Eine Traumagruppe für geflüchtete Frauen besteht schon seit April dieses Jahres und neue Frauen können gerne dazu kommen. Die Frauen können durch Übungen in einfacher Sprache erlernen, wie sie sich im Alltag besser stabilisieren können. Die Folgen von Traumata, wie Schlafstörungen, psychosomatische Beschwerden und Depressionen können auf die Dauer zu belastend sein. Daher ist es wichtig, Schutzreaktionen des Körpers und der Seele zu verstehen und Möglichkeiten zu erlernen, um die traumatisierenden Erlebnisse schrittweise zu verarbeiten.“
„Die Frauenberatungsstelle wird weiterhin interventiv und präventiv auf frauenspezifische Problematiken reagieren, um Frauen in ihren Krisen lösungsorientiert zu unterstützen und ihre Ressourcen zu stärken“, so Carmen Tripke-Westhoff. „Im Interesse von Frauen und Mädchen sollen die gesellschaftlichen Verhältnisse frauenfreundlicher gestaltet werden.“