Sundern. Noch einmal über zweieinhalb Stunden hat der Haupt- und Finanzausschuss in einer zusätzlich einberaumten Sitzung ausschließlich über das dicke Paket von Haushaltsanträgen debattiert – und dabei weitgehende Übereinstimmung erzielt. Auf der Tagesordnung standen unter anderem die künftigen Elternbeiträge für die Kindertagesbetreuung, die Schülerbeförderung, aber auch die umstrittenen neuen Stabsstellen im Rathaus. Für die wird jetzt ein „Hybridwesen“ gesucht, wie es der Bürgermeister formulierte.
Schülerbeförderung kommt komplett auf Prüfstand
Gleich beim ersten Punkt, der Schülerbeförderung für die Kinder aus Enkhausen, die laut Haushaltsentwurf ab 2016 gestrichen werden soll, wurde durchaus kontrovers diskutiert. Sebastian Booke (CDU) sagte, er fahre täglich diese Strecke und es sei Wahnsinn, dort Grundschulkinder alleine laufen zu lassen. Michael Stechele (SPD) erwiderte, er sei dort ebenfalls häufig unterwegs und sehe nach den großen baulichen Investitionen der Vergangenheit keinen Gefährdungsaspekt mehr. Diskutieren könne man allenfalls, ob man die Grundschulkinder mit ihren schweren Taschen zwei Kilometer laufen lassen wolle. Rüdiger Laufmöller (FPD) verwies auf die klare gesetzliche Regelung und Siegfried Huff (Linke) warnte davor, ein zusätzliches Fass aufzumachen. Auch Bürgermeister Ralph Brodel warnte davor, Domino zu spielen. Stefan Lange (CDU) verband den Antrag seiner Fraktion, 2016 den Status Quo zu belassen, mit der klaren Zielvorgabe, in diesem Jahr auch alle Entscheidungen der vergangenen Jahre, insbesondere Seidfeld, nochmals auf den Prüfstand zu stellen und ein Gesamtkonzept zu entwickeln, das Sunderns Attraktivität für junge Familien stärke. Bei nur zwei Enthaltungen fand dieser Antrag letztlich eine breite Mehrheit.
KiTa: Mehrbelastung nur für Einkommensstarke
Bei den Elternbeiträgen waren sich alle Fraktionen einig, dass sie keine Mehrbelastung für Eltern mit bis zu 80.000 Euro Jahreseinkommen wollen und auch die Abschaffung der Geschwisterkindregelung ablehnen. Mehreinnahmen sollen nur durch die Belastung einkommensstarker Familien erzielt werden, indem eine zusätzliche Beitragsstaffel jenseits der bisherigen Obergrenze von 80.000 Euro eingeführt wird. Ob dadurch die angepeilten Mehreinnahmen von 50.000 Euro in 2016 und 100.000 Euro in den Folgejahren zu erzielen sind, blieb noch unklar. Bürgermeister Brodel erklärte, dass im Fachbereich von Martin Hustadt derzeit intensiv an einer neuen Beitragsstaffelung gearbeitet werde, die bis Februar fertig sein müsse.
Stabsstelle bedeutet nicht hohe Dotierung
Mit einem lauten „Ahh, jetzt!“ kündigte der Bürgermeister die dann auch durchaus lebhafte Diskussion um die von ihm angekündigten drei Stabsstellen im Rathaus an. Der Begriff Stabsstelle habe wohl für einige Verwirrung gesorgt, sagte Brodel, dabei bedeute dies lediglich, dass diese drei Mitarbeiter künftig direkt beim Bürgermeister angedockt sein sollen. Befürchtungen von Stefan Lange, es könnten neue hochdotierte Stellen („A 13 oder A 14?“) geschaffen werden, wies Brodel mit einem Bundeswehr-Vergleich zurück: „Es gibt Stabs-Offiziere, aber auch Stabs-Unteroffiziere.“ Auch seien es keine zusätzlichen Stellen. Der von allen Parteien gewollte Wirtschaftsförderer stehe bereits im Stellenplan, der Stadtentwickler werde ein bisheriger Mitarbeiter sein, der die neue Aufgabe zusätzlich und ohne Höherstufung übernehme, und der neue Kommunikator werde zwar von außen kommen, aber auf eine bestehende Stelle gesetzt. Brodel machte deutlich, dass ihm diese drei Stellen wichtig seien, dass es ihm aber auch wichtig sei, darüber mit den Politikern zu diskutieren. Kraft seines Amtes hätte er die Stellen auch ohne Diskussion einfach einrichten können.
Bisher macht Brodel Pressemitteilungen selbst
Während der Wirtschaftsförderer ohnehin allseits gewünscht und der Stadtentwickler nach den Auskünften schnell abgehakt war, entfachte sich die Diskussion am Kommunikator. Toni Becker (Grüne) sagte zu Brodel: „Sie sind doch selbst der Kommunikator und nicht zuletzt deshalb von den Sundernern gewählt worden.“ Brodel sagte, er habe in den letzten zwei, drei Wochen fünf, sechs dringend erforderliche Pressemitteilungen selbst verfasst. Auch wenn ihm das durchaus Spaß mache, könne er die Aufgabe nicht auf Dauer erledigen. Und fehlende Kommunikation nach innen wie außen sei im Sunderner Rathaus bisher ein großes Problem gewesen.
Fraktionen wollen mit Doppelfunktion sparen
Die Politiker ließen allerdings nicht locker, vor dem Hintergrund der gemeinsam beschlossenen Personaleinsparungen um zehn Prozent bis 2022 auch bei den Stabsstellen nach Sparmöglichkeiten zu suchen. Toni Becker brachte erneut den mit einer Nachbarkommune geteilten Wirtschaftsförderer ins Spiel. Für Marc-Oliver Stiewe (CDU) problematisch, denn man könne nicht zwei Herren dienen, wenn es konkret um die Neuansiedlung eines Betriebs gehe. Mehr Sympathie bei den Fraktionen fand da der Vorschlag von Rüdiger Laufmöller, ein Mitarbeiter solle sich künftig die Jobs als Wirtschaftsförderer und Pressesprecher teilen. Allerdings nicht beim Bürgermeister: „Wirtschaftsförderer und Kommunikator werden bei mir jeden Tag von 7 bis 18 Uhr zu tun haben.“ Außerdem werde man niemanden finden, der beides könne. Das Geld für die Anzeige wäre rausgeschmissenes Geld.
Nur einer glaubt nicht an Wunder
Worte, die die Ausschussmitglieder offenbar nicht überzeugten. Es mache keinen Sinn, mit dem Kopf durch die Wand zu gehen, erklärte Brodel und sagte zu, „ein solches Hybridwesen“ möglichst zum Einstellungstermin 1. 4. 2016 zu suchen. Bei der folgenden Abstimmung gab es nur eine Gegenstimme. „Ich glaube nicht an Wunder,“ begründete Jens Kuhnen (SPD) seine Ablehnung. Und auch der Bürgermeister legte später noch nach. Wenn man das Hybridwesen nicht finde, werde sich die zur Jahresmitte geplante Einstellung des Wirtschaftsförderers zwangsläufig verschieben, was Folgen für die Neuordnung des Stadtmarketings und damit für kommende Haushalte habe.
Nachholbedarf: An Rathaus-Organisation wird gearbeitet
Der CDU-Antrag auf Überprüfung der gerade erst vor acht Monaten eingeführten neuen Organisationsstruktur im Rathaus fand breite Zustimmung bei den anderen Fraktionen und auch beim Bürgermeister. Auf die von Stefan Lange angesprochenen Punkte – das Herunterheben des 1. Beigeordneten auch Fachbereichsleiterebene und die Ausgliederung der Bauordnung aus dem Bereich Stadtplanung – ging Brodel zwar nicht direkt ein, aber er räumte Nachholbedarf ein, an dem intensiv gearbeitet werde. Es sei nun mal das Wesen einer jeden Planung, dass sich nicht alles, was sich auf dem Papier so lese, bei der tatsächlichen Durchführung auch als gut und klug erweise. So macht es aus der Sicht des Bürgermeisters keinen Sinn, dass Mitarbeiter des Jugendamts jetzt gehalten sind, sich als Mitarbeiter der Abteilung 4.2 vorzustellen, wenn sie an einer Haustür klingen. „Wenn mir einer sagt, ich komme von der Abteilung 4.2, dann antworte ich: Schön, ich komme aus dem Keller,“ sagte Brodel dazu. Auch die Anregung, die Bezeichnungen der Ausschüsse zu überarbeiten, nahm er gerne an: „Machen Sie Vorschläge.“ Insgesamt sagte er eine Organisationsüberprüfung zu, bei er alle möglichen Stellschrauben anziehen werde.
Grundschulentwicklung geht in Fachausschuss
Der CDU-Antrag, in diesem Jahr noch nicht über einen Grundschulverbund Marienschule-Altes Testament ab 2019 zu beschließen, fand bei den anderen Fraktionen durchaus Zustimmung, wurde aber an den Fachausschuss verwiesen, der bereits am Montag tagt. Der Bürgermeister sagte, die Verwaltung werde natürlich ein hohes Augenmerk auf die weitere demografische Entwicklung legen. Wer allerdings auf notwendige Zusammenlegungen oder Schließungen von Schulen verzichten wolle, werde erleben, dass ihm diese Entscheidung von der Bezirksregierung aus der Hand genommen werde.
Keine Kürzung bei Schulsozialarbeit
Einstimmig unterstützte der HaFi den CDU-Antrag, auf eine Kürzung des Zuschusses für die Schulsozialarbeit zu verzichten. „Es tut fast weh, dass nicht SPD über diesem Antrag steht,“ sagte Michael Stechele. Ihren Antrag, den Zuschuss für Druckaufträge von Sunderner Vereinen an die städtische Druckerei nicht völlig zu streichen, zog die CDU zurück, nachdem der Bürgermeister erklärt hatte, dass die bisher geübte Praxis, von der zudem nur einige Vereine gewusst hätten, schlicht nicht erlaubt sei. Die Stadt dürfe hier privaten Druckereien keine Konkurrenz machen.
Verkauf von Erbbaugrundstücken wird geprüft
„Eine gute Idee, keine Frage,“ sagte die SPD zum CDU-Antrag, die Stadtbücherei zu einer SchulStadtBücherei weiterzuentwickeln. Der Antrag wird im Fachausschuss weiter diskutiert und der Bürgermeister sagte zu, das Förderprogramm im Auge zu behalten. „Die CDU war fleißig,“ lobte Brodel bei einem weiteren CDU-Antrag, der einstimmige Unterstützung fand. Es ging um einen möglichen Verkauf von Erbbaugrundstücken an deren Pächter, um zusätzliche Mittel für Investitionen bereitstellen zu können. Derzeit seien ohnehin alle städtischen Grundflächen auf dem Prüfstand, so Brodel.
Vier neue Stellen wegen Flüchtlingsstrom
Auch der Antrag, Wege zu suchen, die Schuleingangsuntersuchungen für Flüchtlingskinder zu beschleunigen, fand allgemeine Unterstützung. „Da gebe es eine völlige Schieflage,“ sagte der Bürgermeister und verwies auf die AGMAF – die Arbeitsgruppe Menschen auf der Flucht – die bereits ihre Arbeit aufgenommen habe und sich auch mit diesem Thema beschäftigen werde. Zuvor hatten die Politiker bereits zusätzlichem städtischem Personal für die Bewältigung der Flüchtlingsherausforderung zugestimmt. Vier Stellen – zwei in der Verwaltung und zwei in der Betreuung – die allerdings nicht dauerhaft den Stellenplan aufblähen, sondern auf drei Jahre befristet sind. Wie schon beim „Hybridwesen“ äußerte der Bürgermeister allerdings seine Zweifel, ob es gelingen werde, die gewünschten Sozialarbeiter auf dem Markt zu finden.
Kein Vorabzuschuss an Sorpesee GmbH
Einstimmig wurde auch der SPD-Antrag angenommen, die 55.000 Euro Vorabzuschuss an die Sorpesee GmbH aus dem Haushalt zu streichen. Der sei nicht nachvollziehbar, sagte Stechele und kündigte für die Ratssitzung einen Antrag an, den städtischen Vertretern in der Gesellschafterversammlung der Sorpesee GmbH ein klares Votum mit auf den Weg zu geben.
Debatte im Sportplatz Hövel
Auch die Platzdeckenrenovation des Sportplatzes Hövel führte zu fortgeschrittener Zeit noch zu einiger Debatte. Die SPD forderte eine saubere Diskussion der Prioritäten und meinte, das Thema sei ohne Umweg durch den Fachausschuss direkt im Haushalt von 2016 gelandet. Dank der neuen Ausstattung der Ratsmitglieder mit Tablet-PCs stellte sich aber schnell heraus, dass bereits im Oktober im Ausschuss eine Durchführung nicht vor 2016 besprochen worden ist. Der Punkt blieb im Haushaltsentwurf, wenn auch mit Sperrvermerk.
Ausstellungen des Kunstvereins nicht gefährden
Auch bei der Kulturförderung setzte der Ausschuss ein einstimmige Signal und unterstützte den SPD-Antrag, die Mittel für die Ausstellungen des Kunstvereins in der Stadtgalerie auch noch für 2017 einzuplanen, damit man nicht plötzlich ohne Räumlichkeiten da stehe, wenn sich bis Ende 2016 keine Alternative für die bisher recht kostspielige Lösung finde. Er sei nach zwei Ausstellungen, die er gesehen habe, echt überrascht, dass Sundern Highlights bieten könne, „die man erst mal haben muss“, sagte Brodel. Er betrachtete den Antrag als Arbeitsauftrag, sich zunächst mit der Erbengemeinschaft der Stadtgalerie in Verbindung zu setzen und noch in 2016 eine Anschlussmöglichkeit zu finden. Hans Klein (WISU) regte dazu an, zu prüfen, ob man nicht die Kunst ins Rathaus holen könnte.
„Minus bleibt Minus“
Da einige der Beschlüsse mehr Geld kosten, hatte Georg Te Pass schon früh am Abend gefragt, wie groß denn die Spielräume seien angesichts der verbesserten Ertragslage vor allem durch sprudelnde Gewerbesteuereinnahmen. „Minus ist immer noch Minus!“, hatte ihm Kämmerin Ursula Schnelle geantwortet, allerdings sei das Minus von 2,59 auf 2,27 Millionen gesunken. Aufpassen müsse man vor allem bei zusätzlichen laufenden Aufwendungen oder fehlenden Erträgen, die auch auch auf die Folgejahre auswirken. Denn das könne die Haushaltssanierung bis 2022 gefährden. Am Ende der Sitzung hatte Schnelle nachgerechnet und verkündet, dass es so gerade noch passe.
CDU wollte noch schieben – und enthielt sich
Die gute Laune des Bürgermeisters, der daraufhin nach weit über 30 bereits einzeln abgestimmten Anträge nochmals die Gesamtvorlage bestätigt wissen wollte, trübte sich ein wenig, als die CDU diesen Punkt in die Ratssitzung am kommenden Donnerstag verschieben wollte. Fraktionschef Stefan Lange begründete dies mit dem Kommunikationsbedarf mit den anderen Mitgliedern der Fraktion – und verwies darauf, dass diese Vorgehensweise in den letzten Jahren gängige Praxis von Seiten der SPD gewesen sei. Der Bürgermeister ließ gleichwohl abstimmen. Bei Enthaltung der CDU wurde der Haushaltsentwurf ansonsten einstimmig zur Annahme empfohlen.