Arnsberg/Neheim. Über 3500 Menschen sind am Freitag, 02.02.2024 dem Aufruf zur Demonstration gefolgt und haben auf dem Neheimer Marktplatz unter dem Motto „Arnsberg steht auf!“ für Demokratie und gegen Rassismus und Rechtsextremismus demonstriert.
Seit der Veröffentlichung der Correctiv-Recherche am 10.01.2024 über den sogenannten „Geheimplan gegen Deutschland“ gehen bundesweit jede Woche hunderttausende Menschen auf die Straße um gegen Rechtsextremismus zu protestieren. Auch Bürgermeister Ralf Paul Bittner hatte beim diesjährigen Neujahrsempfang am 14. Januar seine Sorge bezüglich der Demokratie in Deutschland ausgedrückt. „Ich bin da sehr besorgt“, so seine Worte in der Begrüßungsrede. Bereits da hatte er angekündigt, dass er mit den demokratischen Parteien Arnsbergs im Gespräch ist und mit ihnen gemeinsam „für Frieden und Freiheit, für eine offene Gesellschaft, für eine tolerante Gesellschaft“ einstehen möchte und dieses auch in Arnsberg deutlich machen möchte.
Wenige Tage später – ab dem 17. Januar – haben die demokratischen Parteien Arnsbergs – Bündnis 90/Die Grünen, CDU, Die Partei, FDP, SBL und SPD zur gemeinsamen Demonstration am 02.02.2024 aufgerufen. Über 100 Arnsberger Vereine, Organisationen, Institutionen und Unternehmen haben sich dieser „Allianz der Mitte für Demokratie und gegen Faschismus“ angeschlossen und gemeinsam mit den Parteien zur Teilnahme aufgerufen. Aufgrund der außerordentlich hohen Resonanz haben die Organisatoren den ursprünglichen Plan, gemeinsam vom Bexleyplatz zum Marktplatz zu ziehen, verworfen und stattdessen eine Kundgebung auf dem Marktplatz organisiert.
Über 3500 Menschen versammeln sich auf dem Neheimer Marktplatz
Eine beeindruckend große Menge an Protestlerinnen und Protestlern hat sich ab 16.30 Uhr auf dem Marktplatz zur Kundgebung zusammengefunden. Mit dabei waren Menschen unterschiedlichster Herkunft und Altersgruppen. Kinder, Erwachsene, ältere Menschen – eine vielfältige Gruppe „aus der Mitte der Gesellschaft“ mit dem gemeinsamen Ziel für die Demokratie einzustehen und ein Zeichen gegen Rassismus und Rechtsextremismus zu setzen. Carolin Linke hat durch die Kundgebung geführt und die Reden und Beiträge, die bewusst nicht von Vertretern der politischen Parteien, sondern u.a. von Vertreterinnen und Vertretern aus Kirche, Wirtschaft und dem Arnsberger Integrationsrat gehalten wurden, angekündigt.
Den Auftakt hatte Thomas Binnberg vom TV Arnsberg, der seiner Sorge um Ausgrenzung in der Gesellschaft Ausdruck verlieh. Als Betreuer der TVA Glückskinder, einer Handballmannschaft für Kinder mit Entwicklungsverzögerungen, machte er auch deutlich, dass rassistisch motivierte politische Entscheidungen eine inakzeptable Bedrohung für Migrantinnen und Migranten sind, zusätzlich aber auch die Gleichberechtigung in der Gesellschaft auch für andere Minderheiten gefährden.
Ralf Link, 2. Vorsitzender der deutsch-ukrainischen Hilfsorganisation „DoVira Help Foundation“ bezeichnete die AfD als „Albtraum für Deutschland“ und verwies auf die Gefahr nicht nur für Deutschland, sondern auch für Europa, die von einer möglichen Unterstützung Putins von der AfD als Regierungspartei ausgehe. „Diese Spukgespenster dürfen niemals an die Regierungsgewalt kommen. Nirgendwo!“, so Link. Weiterhin appellierte er: „Wir dürfen nicht schweigen, wir dürfen nicht wegsehen, wir dürfen nicht ignorieren und wir dürfen auch nicht resignieren.“ Stattdessen forderte er: „Wir müssen aufstehen, wir müssen den Mund aufmachen und wir müssen dagegen halten. Klare Kante zeigen, immer und immer wieder wenn uns diese brauen Soße vor die Füße schwappt.“
„Wir sind stark“
Auch Volker Verch, Geschäftsführer des „Unternehmensverband Westfalen Mitte“ hat auf die Gefahr der „vermeintlich demokratischen Fassade der AfD“ für die Werte der deutschen Gesellschaft „Demokratie“, „Freiheit“, „Rechtstaatlichkeit“ und „Menschenrechte“ hingewiesen. Zusätzlich zur Gefahr für die Demokratie sieht Verch durch die AfD auch die wirtschaftliche Zukunftsfähigkeit und damit den Wohlstand und Arbeitsplätze gefährdet. „Wer Unsicherheit sät, wer Ängste schürt und wer auf Abschottung und Ausgrenzung setzt, wird auf den entschiedenen Widerstand aller Unternehmerinnen und Unternehmer in unserer Region stoßen“, so Verch als Vertreter der Wirtschaft in der Region.
„Wir sind mehr als die“
Mit dem Zitat „Zerreißt den Mantel, der Gleichgültigkeit, den Ihr um Euer Herz gelegt!“ von Sophie Scholl, hat Carmen Schwarz, 1. Bevollmächtigte der IG Metall Arnsberg ihre eindringliche Rede eingeführt. Sie hat deutlich gemacht, dass die IG Metall für Vielfalt und Toleranz steht und nicht nach Herkunft, Religion oder Geschlecht differenziert. In der IG Metall Arnsberg seien über 1000 Kolleginnen und Kollegen ohne deutschen Pass organisiert, so Schwarz. Doch unabhängig davon, dass es die Pflicht jeder Gewerkschafterin und jedes Gewerkschafters sei, für die Demokratie zu kämpfen, appellierte sie an alle Bürgerinnen und Bürger, die offensichtliche Gefahr, die von der AfD ausgehe, besonders in Hinblick auf die deutsche Vergangenheit und in Hinblick auf eindeutige Aussagen einzelner AfD-Politiker, nicht zu unterschätzen. „Sie sind menschenverachtend und frauenfeindlich. Eine sprachliche und moralische Verwahrlosung“, so die eindringlichen Worte von Carmen Schwarz gegen die AfD. Ihr deutlicher Appell richtete sich an die Demonstranten: „Es ist wichtig, dass wir abwertende und ausgrenzende Äußerungen nicht unwidersprochen zulassen, sondern an Ort und Stelle etwas dagegen tun. Es geht darum rechtem Gedankengut konsequent zu widersprechen, also Zivilcourage zu zeigen – im privaten Kreis, auf Familienfeiern, im Betrieb, in der Nachbarschaft und auf dem Fußballplatz – und immer dafür zu sorgen, dass abfällige und ausgrenzende Bemerkungen nicht einfach kommentarlos stehen bleiben.“
„Wir stehen zusammen“
Auch Daniel Meiworm, Dechant für St. Petri Hüsten und Manuel Schilling, Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises Soest-Arnsberg sprachen sich gegen Rassismus und Antisemitismus, Hass und Ablehnung aus. „Hände werden nicht erhoben zu einem widerlichen Gruß“, so Meiworm. „Wenn wir Arnsbergerinnen und Arnsberger Hände erheben, dann bitte nur zum Schutz der anderen“. Er ermahnte, das hohe Gut der Demokratie, „für das unsere Großväter und Großmütter, unsere Eltern alles gegeben haben“, zu bewahren und zu verteidigen. „Das dürfen wir als Erben doch nicht einfach kaputt machen lassen“, so Meiworm eindringlich.
Manuel Schilling erläuterte, dass auch die Bibel Nächstenliebe für Menschen aus anderen Ländern lehrt. „Die den Hass säen, die werden in der Kirche einen entschiedenen Gegner haben“, so Schilling. Aber gleichzeitig appellierte er, dem Hass der AfD und der Neuen Rechten nicht mit Hass zu begegnen, sondern auf die Menschen zuzugehen mit der Gewissheit: „Unsere Liebe, unsere Geduld ist Stärker als euer Hass!“
„In Schulen, Kindergärten, Jugendeinrichtungen sind alle willkommen“
Claudia Brozio Schulleiterin der Ruth-Cohn-Schule erläuterte aus Sicht der Bildungseinrichtungen, dass es wichtig sei, die Kinder und Jugendlichen demokratisch zu erziehen und sie so aufwachsen lassen, dass sie diese Werte vertreten. Als Lehrerin hatte sie ein Zeugnis mit Kopfnoten für die Menschen vorbereitet, die sich gegen die freiheitlich demokratischen Rechte aller Menschen in Deutschland – unabhängig von Herkunft und Religion – stellen.
Vielfalt als Bereicherung
Auch Samawal Karkoutly vom Integrationsrat Arnsberg hat sich freudig darüber gezeigt, dass sich so viele Menschen in Neheim zusammengefunden haben um gegen Rassismus und Faschismus zu demonstrieren. In einer kurzen Ansprache hat er an die rassistischen Anschläge in Solingen,
Halle und Hanau erinnert, und damit an die Verantwortung appelliert, gemeinsam gegen Hass und Hetze zu stehen, um eine Zukunft zu gestalten in der jeder Mensch in Frieden und Sicherheit leben kann. Karkoutly hat betont, dass eine vielfältige und multikulturelle Gesellschaft eine Notwendigkeit sei, und die Unterschiede der Menschen als Bereicherung betrachtet werden sollen. Die Vielfalt unserer Gesellschaft sollte gefeiert werden, so Karkoutly. „Lassen Sie uns gemeinsam für eine Gesellschaft eintreten die von Verständnis und Respekt geprägt ist“, so der Appell. Die abschließende Bitte ging auch hier in Richtung aller Demonstrantinnen und Demonstranten, sich im Alltag klar und deutlich gegen Rassismus auszusprechen. „Nur wenn wir aktiv gegen Rassismus und Faschismus aufstehen und die Bedeutung einer vielfältigen Gesellschaft erkennen, können wir eine bessere Zukunft für uns alle schaffen“.
Impressionen in Bildern