Organisierte Massen-Ermordung von Menschen mit Behinderung oder psychischer Erkrankung
Ein Unrecht, das Josef August Senge das Leben kostete. „T4“ – benannt nach der „Zentraldienststelle“ in der Berliner Tiergartentraße 4 – ist die Bezeichnung für die organisierte Massen-Ermordung von Menschen mit Behinderung oder psychischer Erkrankung. Allein in Hadamar fielen ihr zwischen 1941 und 1945 rund 14.500 Menschen zum Opfer – in der Gaskammer, durch tödliche Injektionen und Medikamente.
Josef August Senge wurde am 30. Mai 1906 als Sohn eines Fabrikarbeiters und einer Magd in Meschede geboren. Nach seiner Volksschulzeit arbeitete er, ebenso wie sein Vater, in einer Fabrik. 1928, im Alter von 22 Jahren, wurde Josef August Senge in die damalige „Provinzialheilanstalt Warstein“ eingewiesen. Die Diagnose: „ES – Einfache Seelenstörung“, eine damals übliche Bezeichnung für viele Arten von psychischen Erkrankungen.
Auf der einen Seite der Mensch, auf der anderen das Papier. „…dass nach menschlichem Ermessen unheilbar Kranken bei kritischster Beurteilung ihres Krankenzustandes der Gnadentod gewährt werden kann“ – so hieß es 1939 im so genannten „Euthanasie-Erlass“ Adolf Hitlers, der in der Folgezeit in ganz Europa das Schicksal von 200.000 bis 300.000 Menschen mit Behinderungen oder psychischen Erkrankungen besiegelte.
Dr. Franz-Josef Hücker: Spurensuche enthüllt Umstände der Ermordung Josef August Senges
Dr. Franz-Josef Hücker aus Berlin machte sich auf Spurensuche zu seinem Onkel Josef August Senge. Dabei recherchierte er in den Archiven des LWL Münster, der LWL-Klinik Warstein sowie des LWL-Instituts für westfälische Regionalgeschichte Münster und der psychiatrischen Landesheilanstalt Herborn, in der Gedenkstätte Hadamar, dem Hessischen Hauptstaatsarchiv, dem Bundesarchiv Berlin sowie in der Tötungsanstalt Schloss Hartheim in Österreich. Am 27. Juni 1941 wurde Josef August Senge in die Zwischenstation Herborn verlegt, am 17. Juli 1941 endete sein Leben in der Tötungsanstalt Hadamar. Die Ermordung der Opfer erfolgte nur Stunden nach der Ankunft in Hadamar in der dortigen Gaskammer. Für die Familie gab es einen „Trostbrief“ und eine Sterbeurkunde mit dem Vermerk, Josef August Senge sei an „Grippe mit Sepsis“ – also einer Blutvergiftung – gestorben.
Stolpersteine auch als fortwährende Aufgabe
Gisela Bartsch dankte Dr. Franz-Josef Hücker für seine Recherchearbeit und seinen Einsatz, mit einem Stolperstein das Leben und Schicksal seines Onkels nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Ebenso dankte sie dem Bürgerverein „Alte Synagoge“, der mit einer Spende die Verlegung des Stolpersteins unterstützte. Der Stolperstein für Josef August Senge sei ein Bestandteil des Erinnerns und Gedenkens vor Ort, unterstrich sie – aber er sei keinesfalls ein Abschluss: „Die Stolpersteine sind vielmehr eine fortwährende Aufgabe für die gesamte Stadtgesellschaft – ebenso wie die Wachsamkeit und die Bereitschaft, dem Hass, der Verachtung und der Verfolgung, die während der NS-Zeit allgegenwärtig waren, entgegenzutreten.“
An der Zeremonie nahmen auch Schülerinnen und Schüler sowie Lehrerinnen und Lehrer des Gymnasiums der Stadt Meschede teil, stellvertretend für andere Schulen, die sich mit dem Thema Stolpersteine intensiv auseinandersetzen. Sie übernehmen die Patenschaft für alle Stolpersteine im Stadtgebiet, sorgen dafür, dass die Steine ihren Glanz behalten und so die Erinnerung wach bleibt. „Unserer Schule ist das Thema sehr wichtig, darum haben wir uns zu diesem Engagement entschlossen“, betonte Lehrer Steffen Röhner.
(Quelle: Stadt Meschede)