Arnsberg. Rund eine halbe Stunde und zehn Manuskriptseiten brauchte Bürgermeister Hans-Josef Vogel, um seinen CDU-Parteifreunden zu erklären, wie er auch in den kommenden sechs Jahren Arnsberg nicht nur gut verwalten, sondern auch gestalten will. Seine Wahl zum Bürgermeisterkandidaten der CDU ging dann wesentlich schneller. Einen Gegenkandidaten gab es nicht, die Wahlzettel waren in der Festhalle, wo sich viele Unionsmitglieder zu den Schnittchen ein Bier gönnten, schnell eingesammelt und das Ergebnis war so „wunderbar“, wie es Stadtverbandsvorsitzender Klaus Büenfeld vorausgesagt hatte. Knapp 97 Prozent der abgegebenen Stimmen entfielen auf Vogel, nur eine von 71 Stimmen lautete „Nein“, dazu kam eine Enthaltung. Eine Unterstützung, wie der 57-Jährige sie sich gewünscht hatte.
Vier Herausforderungen
Vogel sagte in seiner Rede, dass es keine besonders zukunftsfähige Strategie sei, wenn eine Kommune all das, was sie bisher gemacht habe, nur immer besser zu machen versuche. Das werde sogar zur Gefahr, wenn die Welt sich innerhalb und außerhalb der Stadt verändere. Und das sich die Stadt und die Welt verändern, machte er an den vier Herausforderungen deutlich. Allem voran der demografische Wandel werde dafür sorgen, das alles nicht so bleibt, wie es ist. 2030 werde Arnsberg nur noch 10.6000 Einwohner unter 18 Jahren haben, 400 weniger als 2009, dafür aber in der am schnellsten wachsenden Altersgruppe 5800 über 80-Jährige, mehr als die Einwohnerzahl des größten Dorfes Herdringen. Dazu müsse die Stadt unter immer enger werdenden finanziellen Bedingen beides tun, Schulden abbauen und in die Menschen und die Infrastruktur investieren. Die dritte Herausforderung, die besonderer Anstrengungen bedürfe, sei, die Umwelt zu schonen und ökologisch zu wachsen. Als letztes nannte Vogel die digital gewordene Lebenswelt insbesondere der jungen Leute. Die Stadt müsse digital handeln, die Infrastruktur für digitale Bildung schaffen und die digitale Souveränität der jungen Menschen fördern.
„Ohne neue Ideen keine Zukunftsfreude“
Auf die Frage, wie diese Herausforderungen gestaltet werden können, antwortete Vogel mit Albert Einstein. Probleme, die wir mit bestimmten Strategien und Denkmustern erzeugt haben lassen sich nicht mit den selben Denk- und Vorgehensweisen lösen. „Es geht nicht mit noch mehr von allem,“ so Vogel, nicht mit noch mehr Vorschriften, noch mehr Kontrollen und noch mehr Einsparungen bei gleichzeitigen Forderungen nach eben diesem noch mehr von allem.“ Ohne neue Ideen werde es keine Leistung und keine Zukunftsfreude geben.
„Wachsen wie das Gehirn trotz Schädeldecke“
Die Frage, wie das gehen soll, beantwortete Vogel mit einem Bild vom menschlichen Gehirn. Dessen Wachstum sei durch die Schädeldecke begrenzt. Dennoch habe das Gehirn eine Lösung gefunden, sich weiter zu entwickeln. Nicht durch mehr Nervenzellen, sondern durch Verbesserung und Ausweitung ihrer Verknüpfungen, ihrer Beziehungen untereinander. Auf die Stadt übertragen bedeute dies, die Stadt kann sich trotz unzureichender Finanzen, demografischen Veränderungen, Sicherung der natürlichen Grundlagen und Gestaltung einer technischen Revolution weiterentwickeln – durch intensive, einander unterstützende, ermutigende und inspirierende Beziehungen der Bürger, ihrer Initiativen und Vereine, ihrer Unternehmen, Betriebe und öffentlichen Einrichtungen. Oder, so Vogel, in Kurzversion: „Es geht nur gemeinsam. dafür stehe ich, dafür steht die CDU Arnsberg.“
„Die Zeit von ‚Command and Controll‘ ist vorbei“
Ein Zukunftsplan für Arnsberg sei nur ein erfolgreicher Zukunftsplan, wenn jede und jeder spüre, gebraucht zu werden, wenn alle miteinander verbunden sind, voneinander lernen, miteinander wachsen und neues Schaffen. „Es geht um die Mit-mach-Stadt Arnsberg,“ so Vogel, „um Vernetzung wie beim Gehirn, dass trotz der Grenze Schädeldecke wächst.“ Eine solche Potenzialentfaltung könne nicht auf Kommando entstehen. Das Zeitalter von „Command and Controll“ sei vorbei. Die Stadtverwaltung werde zum Netzwerkinspirator, zum Netzwerk-Unterstützer und zum Netzwerk-Akteur. Aufgabe von Stadtpolitik und Stadtverwaltung sei es nicht, jemanden ins Boot zu holen, sondern in die Boote zu gehen, in die Verantwortungsboote der Jüngeren, der Älteren und Ältesten, der Zuwanderer- und der Sportvereine, der Betriebe und so weiter. „Das ist unser Verständnis von bürgerschaftlicher Kommunalpolitik, die mehr ist als punktuelle Abstimmung und formelle Beteiligungsriten,“ so Vogel.
Beispiele des Gelingens: Nicht beschlossen, sondern geknüpft
In einem kurzen Blick zurück zählte Vogel Beispiele des Gelingens auf, Beispiele, die er zwei Tage zuvor in der letzten Ratssitzung schon genannt hatte, wo er jetzt aber auch die vielen Beteiligten hinzu fügte. Beispiel neue Sekundarschulen: Es ging und geht nur zusammen mit Eltern, Lehrern, Schulaufsicht, Stadt, Fördervereinen, Grundschulen, gymnasialen Oberstufen und vielen Unterstützern. Beispiel 619 Betreuungsplätze für unter dreijährige Kinder: Nur zusammen mit evangelischer und katholischer Kirche, Jugendamt, Eltern, Fördervereinen, Landesjugendamt, Erziehern und Tagesmüttern. Beispiel „Probe“, die erfolgreiche Berufsvorbereitung für Förder- und Hauptschüler, ein Gemeinschaftswerk von Bürgerstiftung, Handwerk, Schulaufsicht, Berufskolleg, Arbeitsagentur, Kolping-Bildungswerk, Stadt und engagierten Betrieben. „All das,“ so Vogel, „kann man nicht beschließen, geschieht nicht auf Kommando, sondern entsteht aus Verknüpfungen und Netzwerken.“ So sei sogar das Studieren in Arnsberg ohne Hochschule am Ort gelungen. Vogel zählte auf: die neuen Dualen Studiengänge von Fachhochschule Südwestfalen, IHK und Handwerkskammer, die gemeinsame Pflegeschule von Klinikum und Caritas, wiederum das Klinikum, das in Rekordzeit akademisches Lehrkrankenhaus der Uni Münster geworden sei, das bbz der Handwerkskammer, das neue Lehrerseminar oder die Notarzt-Weiterbildung. Weitere Beispiele, die Vogel nannte: Die Finnenbahn, die es ohne den LAC Sauerland nicht gebe, oder die gerade eröffnete Rad- und Skaterbahn, die es ohne Kirmesgesellschaft, RC Victoria, Sportgeschäfte und andere Unterstützer nicht gebe, oder die vielen Kunstrasenplätze, wo Hunderte, ja Tausende mitgeholfen haben. Auch Stadtwerke, Klinikum und Kaiserhaus, Ruhrrenaturierung, Bürgergärten und Bürgerbahnhof fehlten nicht in Vogels Aufzählung.
„Mitstreiter wichtiger als Zustimmer“
Das sei, so Vogel zusammenfassend, eine neue Kommunalpolitik. Eine Politik, „wo Mitstreiter wichtiger sind als Zustimmer“.