Sundern. Das Thema Menschen auf der Flucht nahm breiten Raum ein bei der zweiten Monatspressekonferenz des neuen Bürgermeisters Ralph Brodel. Das begann schon mit der aktuellen Einwohnerstatistik und setzte sich fort mit Unterbringung, Schulpflicht und Integration. Tagesaktuell meldete Brodel 28.916 Einwohner, 65 mehr als noch Ende November. „Natürlich sind das Zugänge vor allem durch die Menschen auf der Flucht, ohne diese Menschen wäre die Einwohnerzahl Sunderns in diesem Jahr auf 28.350 gefallen.“
Notdienst über Festtage kann entfallen
Fachbereichsleiter Stephan Urny nannte die neuesten Zugangszahlen. Aktuell seien im Dezember bisher 78 Neuankömmlinge zu verzeichnen. Nachdem die monatlichen Zugänge von 39 im August steil auf 106 im September und 117 im Oktober gestiegen waren, werde man in diesem Monat sicher noch den Wert von 91 aus dem November erreichen. Denn auch für Freitag und Montag seien Neuzugänge angekündigt und auch am 23. Dezember rechne er noch mit Zugang, so Urny. Über die Feiertage werde es aber auf Anordnung der Ministerpräsidentin keine Zuweisungen geben, so dass der bereits geplante Notdienst bei der Sunderner Stadtverwaltung entfallen könne.
14 Wohnungen in Enkhausen werden belegt
Er müsse Urny und dessen Mitarbeitern einfach mal auf die Schultern klopfen, sagte der Bürgermeister, denn ihnen sei es bisher immer gelungen, die Neuankömmlinge unterzubringen. Sundern sei eine von inzwischen nur noch ganz wenigen Kommunen im HSK, die noch keine vorübergehende Ausnahmegenehmigung bei der Zuweisung beantragt habe. Der Bedarf an Wohnraum sei nach wie vor hoch, so Urny. Sundern liege derzeit bei einer statistischen Unterdeckung von 30 noch aufzunehmenden Personen, für das neue Jahre müsse mit bis zu 1000 Neuankömmlingen gerechnet werden. Bereits in der kommenden Woche werde die Stadt sieben weitere Wohnungen an der Heinrich-Lübke-Straße in Enkhausen belegen und Anfang Januar nochmals sieben, so Urny. Zahlreiche weitere Wohnungen und auch ganze Häuser seien der Stadt angeboten worden, wo noch die Eignung geprüft und der Preis verhandelt werden müsse. Zudem gingen jetzt in allen Ortsteilen die Ortsvorsteher aktiv auf Hausbesitzer zu, die noch freien Wohnraum haben.
Unmoralische und schwachsinnige Angebote
Es gebe auch Angebote, die man in die Kategorien „sehr unmoralisch“ oder „völlig schwachsinnig“ einordnen müsse, sagte Brodel. Dazu zähle er auch das sehr schön aufgemachte Angebot einer Gartengerätehütte für 8500 Euro, in die er drei Betten rein stellen solle – ohne Sanitäranlage und Küche wohlgemerkt. Brodel sagte, es werde derzeit intensiv nachgedacht über eine größere Lösung – sei es eine Leichtbauhalle oder ein Containerdorf oder Holzhütten. Wichtig sei dabei die Haushaltsverträglichkeit, denn Sundern komme nicht drum herum, 2022 einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. Dafür müsse man mit den etwa 10.500 Euro, die man für jeden Flüchtling pro Jahr bekomme, auch auskommen. Echte Mehrausgaben seien nicht möglich.
Integration Point: Brodel will mehr Berater
Einen positiven Schub für eine langfristige Integration der Menschen auf der Flucht erwartet Brodel von einem Termin mit der Arbeitsagentur im Januar. Es geht um das Projekt „Integration Point“, bei dem die Arbeitsagentur neue Wege sucht, auf die Flüchtlinge zuzugehen und abzufragen, was sie können. Die Arbeitsagentur hatte zunächst drei Berater für den gesamten HSK vorgesehen, ist inzwischen wohl bereit, auf maximal fünf zu gehen. „Wir wollen mehr, wir könnten einen allein in Sundern gebrauchen,“ sagt der Bürgermeister, der zudem zuversichtlich ist, dass den Flüchtlingen dann auch schnell Qualifizierungsmaßnahmen angeboten werden können, weil hier derzeit längst nicht alle Mittel abgerufen werden.
Engpass schulärztliche Untersuchung fällt weg
Martin Hustadt, Fachbereichsleiter Bildung, berichtete über den Stand der Integration der Kinder und Jugendlichen, die nach ihrer Flucht in Sundern leben. Derzeit sind dies exakt 171, davon 108 im schulpflichtigen Alter. Obwohl vom Tag der Zuzugs in Sundern Schulpflicht besteht, besuchen bisher nur knapp die Hälfte der Kinder eine Schule, 27 eine Grundschule und 26 eine weiterführende Schule. Das wesentliche Hindernis sei bisher die schulärztliche Untersuchung vor einer Aufnahme gewesen, bei der es Wartezeiten von bis zu acht Wochen gegeben habe, so Hustadt. Jetzt seien aber die Bestimmungen geändert worden und die schulärztliche Untersuchung könne auch nach der Aufnahme nachgeholt werden. Das sei unbedenklich, da eine ärztliche Untersuchung der Kinder etwa auf ansteckende Krankheiten bereits bei der Erstaufnahme erfolgt sei. Nach einer individuellen Einstiegsberatung sollen deshalb jetzt alle Kinder möglichst schnell in eine Klasse kommen.
Pädagogen werden knapp
Damit seien aber noch nicht alle Probleme gelöst, so Hustadt, denn es werde zunehmend schwieriger, geeignete Pädagogen zu finden. So habe die Realschule seit November eine zusätzliche Stelle für die Betreuung der Auffangklasse, aber noch niemanden gefunden, der sie besetzen wolle. Deshalb werde die Arbeit vom Kollegium mit erledigt. Das sei zwar ein tolles Engagement, aber nicht auf Dauer machbar, so Hustadt. Auch die Sorgen der Grundschulleiter in der Kernstadt und in Hachen teile er, sagte der Fachbereichsleiter. Deshalb solle durch eine transparente Umverteilung verhindert werden, dass einzelne Klassen allzu hohe Flüchtlingsanteile bekommen. Auch wenn Klassen schlichtweg voll sind, müsse umverteilt werden. In Stockum etwa liege die erste Grundschulklasse derzeit bei 29 Schülern, dem größten gesetzlich möglichen Wert. Wenn jetzt Flüchtlingskinder in diesem Jahrgang dazu kommen sollten, müssten die nach Allendorf gebracht werden, so Hustadt. Auch für die Schülerbeförderung müsse in solchen Fällen natürlich gesorgt werden.
70 Euro für Einschulungsbedarf
Hustadt berichtete zudem, dass die Freie Schule am See in Langscheid auf die Stadt zugekommen sei und angeboten habe, ebenfalls Flüchtlingskinder aufzunehmen, dass alle Schulen der Stadt jetzt wöchentlich ihre aktuellen Schülerzahlen melden müssen, und dass Flüchtlingskinder in einem vereinfachten Verfahren ohne Einzelnachweis jeweils 70 Euro für Einschulungsbedarf bekommen.
Kleiderkammer sucht noch Räume
Einen Beinahe-Erfolg habe es bei der Suche nach einem neuen Standort für die Kleiderkammer des Flüchtlings-Netzwerks gegeben. Die angestrebte Lösung habe sich aber leider im letzten Moment zerschlagen. Man bleibe aber an der Sache dran, denn in der bisherigen unbeheizten Räumlichkeit könne die Kleiderkammer nicht bleiben, da die Kleidung dort Schaden nehme.
- Die Koordinatorin der AGMAF (Arbeitsgruppe Menschen auf der Flucht) ist unter der Hotline 0151 61104099 erreichbar.