Holzen. Sieben neu geplante Windkraftanlagen mit jeweils 200 Meter Höhe im Stadtbezirk Holzen, das Thema berührt und besorgt die Bürger. Die ungewohnte Ansammlung von geparkten Autos rund um den Gasthof Hauswirth in der Oelinghauser Heide am Dienstag abend zeigte, dass viele Holzener die von der Stadt für Donnerstag nächster Woche angesetzte Informationsveranstaltung in der Schützenhalle nicht abwarten wollten und sich deshalb auf den Weg in die Heide machten, wo der Bezirksausschuss tagte, um sich aktuell zu informieren. Der Saal im Gasthof war überfüllt und einige Zuhörer standen bis durch die Tür im Nachbarraum. Und sie sparten nicht mit zumeist kritischen Wortbeiträgen, als die Sitzung unterbrochen wurde, um auch den Bürgern das Wort zu geben.
Nagel: „Das hat sich so keiner ausmalen können“
Auch für die Politiker des Bezirksausschusses stand nur Information auf der Tagesordnung. „Zu beschließen gibt es für uns heute nichts, Genehmigungsbehörde ist der Hochsauerlandkreis, nicht die Stadt Arnsberg,“ sagte der Vorsitzende Theo-Josef Nagel. Dessen Vorgänger Werner Lattrich sprach der Stadt Arnsberg ein Lob für ihre offene Informationspolitik aus, um gleich darauf den Kreis in dieser Beziehung zu kritisieren. Er erinnerte daran, dass der Bezirksausschuss erst vor zwei Monaten über eine neue Windkraftanlage westlich des Calcit-Steinbruchs beraten und das gemeindliche Einvernehmen gegeben habe. Von den jetzt beantragten Anlagen habe man dabei noch nichts gewusst, obwohl die schon in der Pipeline gewesen sein müssten. „Es geht nicht an, den Politikern, die an der Basis stehen und entscheiden müssen, solche Informationen vorzuenthalten“, so Lattrich. „Das hat sich so keiner ausmalen können. Sieben auf einen Schlag, da kann ich die Emotionen der Bevölkerung schon verstehen,“ sagte auch Nagel. Dipl.-Ing. Frank Gisder, Projektmanager der Firma Naturwerk aus Recklinghausen, die die Windkraftanlagen bauen und betreiben will, erklärte auf Nachfrage, die Antragsunterlagen habe seine Firma im Juni herausgeschickt. Eine erste Information sei aber bereits im Februar an das Arnsberger Bürgermeisterbüro gegangen.
Bei Gutachten muss nachgearbeitet werden
Eine Information, von der auch Wilfried Bergmann, der für Windkraft zuständige Stadtplaner im Arnsberger Rathaus, erst im Nachhinein erfuhr. Bergmann berichtet dem Bezirksausschuss insbesondere von dem Scooping-Termin, der in der letzten Woche im Arnsberger Rathaus stattgefunden hat. Bei diesem Behördentermin waren neben dem Antragsteller, der Stadt Arnsberg und dem HSK auch die Nachbarkommunen, der Landesbetrieb Wald und Holz, der Wasserwirtschaftsverband sowie die Naturschutzorganisationen VNV und BUND dabei. Ergebnis des Termins sei, dass bei den vorzulegenden Gutachten noch nachgearbeitet werden müsse. Damit sei, so Bergmann, der anvisierte Termin zur Offenlegung der Pläne im September nicht zu halten. Ein neuer Termin für die vierwöchige Offenlegung der Pläne im Rathaus werde möglicherweise im November sein. Im weiteren Gang des Verfahrens werde es dann noch einen Erörterungstermin geben, der voraussichtlich sehr umfangreich sein werde. Jede Anlage müsse einzeln auf ihre Genehmigungsfähigkeit geprüft werden. Insgesamt, so Bergmann, könne das Verfahren deshalb noch zwei, drei Jahre dauern.
Ursprünglich sogar zehn Anlagen geplant
Bergmann berichtete auch, dass die Firma Neuwerk ursprünglich zehn Anlagen geplant, drei aber wieder aus der Planung herausgenommen habe. Im Umfeld der Anlagen gebe es 24 Wohnhäuser, auf die die geplanten Anlagen eine bedrängende Wirkung ausüben könnten. Für drei Häuser seien vertiefende Untersuchungen vereinbart worden. Bei drei Anlagen sei auch ein Eiswurfgutachten erforderlich. Das werde gebraucht, wenn die Windkraftanlage näher als das Anderthalbfache ihrer Höhe neben einer öffentlichen Straße liegt. Auch Rotmilan und Schwarzstorch sowie ein Wasserschutzgebiet erfordern noch weitere Untersuchungen.
Intelligente Anlagen reagieren bei Lärm und Schattenwurf
Frank Gisder ging in seinen Ausführungen insbesondere auf die Themen Lärmschutz und Schattenwurf ein. Wenn eine Anlage die gesetzlichen Grenzwerte nicht einhalten könne, werde sie nicht gebaut, sagte er zum Thema Lärm. Die Grenzwerte lägen nachts bei 45 Dezibel im Außenbereich, 40 Dezibel im allgemeinen Wohngebiet und 35 Dezibel im reinen Wohngebiet. Um sie einhalten zu können, habe jede neue Anlage verschiedene Betriebsmodi. Nachts werde automatisch in einen schallreduzierten Modus geschaltet, der dann allerdings auch weniger Leistung bringe. Auch bei Schattenwurf könne jede Anlage intelligent reagieren und die Rotoren abschalten, wenn für bestimmte Flächen die Grenzwerte von 30 Minuten pro Tag oder 30 Stunden pro Jahr überschritten werden. Gisder beruhigte die Anwohner auch, dass es keine neuen Hochspannungsleitungen zum Ableiten des gewonnenen Stroms geben werde. Die Leitungen würden unterirdisch verlegt. Der Einspeisungspunkt ins Netz stehe derzeit noch nicht fest, aber an einem Einspeisungspunkt sei noch keine Windkraftanlage gescheitert.
Anwohner: „Erholung auf Terrasse nicht mehr möglich“
Im Namen von drei Familien der Häuser Wettmarsen 6, 7 und 8 verlas Lothar Blomberg eine Erklärung auf zwei eng beschriebenen Seiten, mit der die Firma Naturwerk aufgefordert wird, insbesondere auf den Bau der Anlage 5 zu verzichten, die im Abstand von 450 Metern zum Wohngebäude Blomberg und von 580 Metern zu den beiden anderen Wohngebäuden geplant sei. Eigentlich habe er das Haus in Wettmarsen gekauft, um seinen Ruhestand in Ruhe und in der Natur zu verbringen, sagte Blomberg. Bereits jetzt gebe es sieben aktive Windkraftanlagen im Umkreis von 2000 Metern. Die 1300 Meter entfernte und 150 Meter hohe Enercon-Anlage am Kirchlinder Modellflugplatz sei akustisch bereits deutlich wahrnehmbar. Bei einer neuen 200 Meter hohen Anlage in nur 450 Meter Entfernung werde ein erholsamer Aufenthalt auf der Terrasse nicht mehr möglich sein. Auch das ungehinderte Eintreten tieffrequenter Schallanteile in Wohn- und Schlafräume mache Sorge. „Abstände neuer Anlagen unterhalb der Achtfachen Anlagenhöhe sind für uns aus Gesundheitssicht nicht akzeptabel,“ appellieren die Unterzeichner an die Firma Neuwerk, aber auch an die Politiker, die so entscheiden sollten, als seien sie selbst betroffen.
Hövels Ortsvorsteher: „Verstehe jeden, der kämpft!“
Unterstützung bekamen die Holzener von Ortsvorsteher Karl-Heinrich Rüther aus dem benachbarten Sundern-Hövel. Er könne die Sorgen der Holzener zu 100 Prozent verstehen. In Hövel seien die neuen Anlagen viel lauter als versprochen, so dass Kinder nachts wach werden. Er könne deshalb jeden verstehen, der kämpfe.
„Hier regen sich nur 500 auf und nicht 10.000“
Er habe eine ketzerische Anmerkung, sagte ein Teilnehmer der Versammlung. Ihm komme es so vor, als solle in Arnsberg das Problem an den Rand geschoben werden nach dem Motto: „Wir bauen alles in Holzen, da regen sich nur 500 auf und nicht 10.000 wie in anderen Stadtteilen!“ Es gab spontanen Beifall für den Wortbeitrag, aber auch Widerspruch von Planer Bergmann. Er verwies darauf, dass die Stadt Arnsberg ein vom Rat beschlossenen Klimaschutzkonzept habe, das die bundesweite Energiewende unterstütze und dezentrale Energieerzeugung vor Ort vorsehe. Dazu gehöre die Windenergie und deshalb seien neue Anlagen auch gewollt. Arnsberg habe allerdings – anders als Nachbarstädte wie Sundern – nur wenige Flächen, auf denen Windkraft möglich sei. Das gesamte Stadtgebiet sei untersucht worden. Bei 60 Prozent Wald, über 40 Prozent Naturschutzflächen und vielen Siedlungsschwerpunkten im langgestreckten Ruhrtal seien nicht viele Potentialflächen übrig geblieben. Und die landwirtschaftlich genutzten Flächen im Stadtbezirk Holzen gehörten zu diesen wenigen Potentialflächen.
Zehn-Punkte-Papier der CDU
Die Holzener CDU hat im Bezirksausschuss ein Positionspapier mit zehn Forderungen vorgelegt mit der Hoffnung, dass Antragsteller und Genehmigungsbehörde auf die Wünsche der Holzener eingehen. „Der Schutz der Anwohner und Bürger ist das Maß aller Dinge. Flora, Fauna und Habitate sind untergeordnet zu werten,“ ist einer der Punkte, frühzeitige und lückenlos Information der Bevölkerung ein anderer. Mit ihrer Forderung eines Mindestabstands der zweieinhalbfachen Bauhöhe zwischen Windrädern und Wohnhäusern liegt die Holzener CDU wohl noch unter dem aktuellen Stand des Verfahrens, denn im Scooping-Termin war schon von dreifacher Bauhöhe die Rede. Die CDU fordert ferner, die Berücksichtigung neuester gesetzlicher Vorgaben und fachlicher Erkenntnisse, die Berücksichtigung vorhandener Schallquellen wie z. B. Steinbrüche bei den Untersuchungen, eigene Visualisierungsgutachten für jede Windkraftanlage, eine erneute Offenlegung bei wesentlichen Bauänderungen und eine Beweispflicht der Anlagenbetreiber. Zudem ist die CDU gegen eine auffällige Markierung der Flügel der Windkraftanlagen und wünscht sich, dass neue Windräder genutzt werden, um Mobilfunk und Internet im ländlichen Raum zu optimieren.
Infoveranstaltung am 27. in der Schützenhalle
Am kommenden Donnerstag, 27. August um 19 Uhr sind alle interessierten Bürger zur Informationsveranstaltung in den Veranstaltungsraum der Schützenhalle eingeladen, wo die Firma Naturwerk und die Arnsberger Stadtplaner das Projekt vorstellen werden. „Da ist dann Gelegenheit, auch mehr ins Detail zu gehen und ausführlich zu diskutieren. Und Platz genug für alle gibt es auch,“ sagte Wilfried Bergmann.
8 Antworten
Laut Herrn Rüther, Ortsvorsteher von Hövel, sind doch WEA laut wie „landende Hubschrauber“, so jedenfalls hat er lauthals im Sunderner Stadtparlament verkündet.
Dann wieder, als das Repowering anstand, reklamierte er, dass plötzlich im gesamten Ort Hövel kein Handyempfang mehr möglich wäre. Die neue WEA sollte aber nun allerschnellstens gebaut werden.
Jetzt wieder reklamiert er, die neuen Anlagen wären viel lauter als angegeben, die Kinder könnten nicht schlafen.
Am besten hilft, man fährt mal selbst in die Nähe der Höveler Anlagen und dann kann man sich ein unvoreingenommenes Bild über den Lärm dort machen. Ich war mehrmals dort, und weiß seitdem die Aussagen von Herrn Rüther einzustufen.
Herr Hengesbach, bei Ihren angeblichen Besuchen in unserem Ort, wäre eine Befragung der unmittelbaren Nachbarn der WEA sinnvoll gewesen. Die Familien aus den Häusern Wettmarsen 7, 8 und 9 hätten Ihnen zum „Thema Lärm durch WEA“ sicher auch gerne Rede und Antwort gestanden. Zum „Handyempfang in Hövel“ haben Sie das Thema total verfehlt.
Also zukünftig vor Abgabe von Kommentaren besser informieren.
Herr Rüther, ich bin eigentlich ganz gut informiert, aber ich werde mit Ihnen Kontakt aufnehmen und werde mir nochmals die Anlagen ansehen und anhören. Für eine sachliche Auseinandersetzung bin ich sehr zugänglich, aber kommen Sie mir bitte nicht wieder mit den Hubschraubern.…..
Sehr geehrter Herr Hengesbach, etwas mehr Sachlichkeit wäre doch angeraten.
In Bezug auf Belästigung durch Lärmemissionen, Infraschall und optische Bedrohungen, die durch die bestehenden WEA ausgehen, sollten Sie die Meinungen bzw Erfahrungen der betroffenen Anwohner respektieren. Zu den betroffenen Anwohnern der bestehenden und geplanten Anlagen gehören im Stadtgebiet Sundern, neben Hövel, auch Anwohner aus Estinghausen und Enkhausen. Meines Wissens gehören Sie jedoch nicht dazu.
Meinen detaillierten Aufzeichnungen einer Anwohnerversammlung in Hövel nach, wurde uns Anwohnern seitens des Betreibers der repowerten Anlage in Hövel, bei der es sich laut Gesetz allerdings nicht um ein sog. Repowering handelt, eine deutlich lärmreduzierte WEA zugesichert. Tatsächlich gehen die Lämbelästigungen deutlich (!) über die Schallwerte der alten WEA hinaus und werden durchaus als Lärm und Bedrohung empfunden!
WEA, die die 10fache Anlagenhöhe unterschreiten, sind nicht nur menschenverachtend, sondern haben langfristig eine körperverletzende Wirkung! Aber das sehen Profiteure natürlich anders!
Lieber Herr „Estinghäuser“,
ich respektiere die Meinungen, aber ich überprüfe sie auch gerne durch eigene Anschauung.
Wenn Sie Sachlichkeit wünschen, dann sollten Sie selbst z.B. das Thema Infraschall schnellstens begraben. Hierbei handelt es sich um ein völlig überhöhtes Thema. Über Lärmemission und optische Bedrohung lasse ich mich gerne vor Ort nochmals informieren. Die neue Anlage muß ja dann noch schlimmer sein als ein landender Hubschrauber!
.…zu manchen Kommentaren kann man nur den Kopf schütteln.…
E‑Mail Adresse OK.
Ein guter, neutraler Bericht, der alle in der Sitzung gemachten Aussagen in den wesentlichen Details übersichtlich widerspiegelt. Ich persönlich kannte diese Online-Bürgerzeitung noch nicht – gefällt mir.
L. Blomberg