Hachen. Die Heve hat heute noch ein weitgehend von Menschenhand unbeeinflusstes natürliches Flußbett – eine Seltenheit auch im Sauerland. Weit mäandrierend und behäbig durchfließt sie im Arnsberger Wald ihr weites und flaches Tal auf dem Weg zur Möhnetalsperre. So ähnlich mag auch einmal die Sorpe zwischen Langscheid und Hachen ausgesehen haben. Aber daran können sich selbst die 90-Jährigen nicht mehr erinnern. Seit dem Bau des Sorpedamms eilt die Sorpe dort in einem tief eingemauerten Kanal schnurstracks durch die Wiesen. Aber das soll sich in den kommenden Monaten ändern. Am Montag wurde das erste große Gewässerrenaturierungsprojekt in Sundern mit dem ersten Spatenstich gestartet. Nach dem Vorbild der Heve sollen der Unterlauf der Sorpe und auch ein angrenzender Teilabschnitt der Röhr ein ganz neues Gesicht bekommen. Zusammen mit dem für 2015 geplanten zweiten Bauabschnitt in der Ortslage Hachen ein 1,3‑Millionen-Euro-Projekt.
Hachen beim großen Hochwasser 2007 kurz vor Teilevakuierung
Eine große finanzielle Herausforderung, aber auch ein dramatischer Anlass, an den Sunderns Beigeordneter Meinolf Kühn beim ersten Spatenstich erinnerte: Beim großen Hochwasser im August 2007 seien hier große Flächen und die Straßen überflutet worden und es hätten nur noch 30 Minuten bis zu einer Teilevakuierung von Hachen gefehlt, als der Regen glücklicherweise eine Pause machte, erinnerte Kühn. Damals habe man sich im Rathaus sofort zusammengesetzt und überlegt, wie solche Gefahren künftig abgewehrt werden könnten, schließlich gehe es um Hab und Gut, um Leib und Leben. Der Beigeordnete dankte allen Beteiligten für zügige Planungs- und Genehmigungsverfahren. Dass dennoch bereits sieben Jahre seit dem großen Hochwasser vergangen sind, liegt vor allem an den notwendigen Grundstückskäufen. So musste die Stadt Sundern hier – anders etwa als die Stadt Arnsberg bei ihren Ruhrrenaturierungen, die in Sundern als Vorbild gesehen werden – sämtliche Grundstücke erst erwerben. Kühn dankte hier speziell die Firma Froh, die auf ihre geplanten Erweiterungsflächen verzichtet hat.
„Wichtig und wertvoll“ – Land gibt 90 Prozent Fördermittel
Joachim Drüke von der Bezirksregierung Arnsberg sagte, dass der Hochwasserschutz Anlaß und auch wichtiges Ziel dieses Umbaus sei, dass es aber um mehr gehe, um die Zurückeroberung der Aue. Er schwärmte von neuer Lebensqualität, wenn dort Familien Fahrrad fahren und Kinder im Bach spielen, wenn sie Spaß haben, Forellen im Fluss und Libellen im Flug zu beobachten. Solche Projekte seien im besten Sinne klug und deshalb, wenn auch nicht ganz billig, dem Land so wichtig und wertvoll, dass bis zu 90 Prozent Fördermittel bereitgestellt werden. Er freue sich auf eine lebendige Röhr und Sorpe mit weniger Risiken.
Auch der Ruhrverband ist mit im Boot. Ihm gehe es bei diesem Kombiprojekt vor allem um den Talsperrenauslass, der Bedeutung für den Wasserstand der Ruhr und damit die Trinkwasserversorgung von 4,6 Millionen Menschen, aber auch für die Energiegewinnung habe, so Dr. Thomas Grünebaum. Auch die Rolle des Gewässers als Vorfluter ist für ihn von Bedeutung. In den nächsten Wochen werden Fischereispezialisten des Ruhrverbands vom Möhnesee die umzugestaltenden Flussläufe abfischen, damit die Fische nicht zu Schaden kommen. Zudem wird der Ruhrverband den Übergang zum Kanal in Tiefenhagen sichern.
Zweiter Bauabschnitt im Ort Hachen folgt 2015
Diplom-Biologe Thomas Schmidt vom Wasserwirtschaftsspezialisten WAGU aus Kassel präsentierte beim ersten Spatenstich den in Aquarellfarben gemalten Plan des künftigen Laufs der beiden Flüsse. Er versprach sehr schöne Landschaften – Magerrasenflächen für extensive Landwirtschaft, Auwald, Flachwasserbiotope und Kiesflächen. Die völlig unnatürliche 660 Meter lange Schußrinne, in der die Sorpe ungebremst in Richtung Röhr ballert, wird verfüllt. Stattdessen entsteht ein neues Bett, dass mit 1,4 Kilometern mehr als doppelt so lang ist. Dazu müssen erhebliche Mengen von Boden bewegt werden. Zunächst werden rund 12.000 Kubikmeter Oberboden abgetragen. Von diesem fruchtbaren Mutterboden werden nur 2000 Kubikmeter wieder eingebaut, der Rest anderswo verwertet. Dann folgt der Aushub von rund 25.000 Kubikmeter lehmigem Auenboden, von dem 15.000 Kubikmeter wieder eingebaut werden. Schließlich werden noch rund 15.000 Kubikmeter Flusskies bewegt, die komplett im Gelände verbleiben.
Zunächst werden die neuen Flussläufe trocken modelliert, dann erfolgt der Durchstich und die alten Wasserläufe können verfüllt werden. Zum Schutz der Vogelwelt seien die Gehölze bereits im Frühjahr abgeholt worden und auf den Wiesen habe man die erste und zweite Vogelbrut abgewartet, bevor der Bagger angerollt ist, sagt Dieter Leser von der Stadt Sundern, der mit einer viermonatigen Bauzeit rechnet. Einige Pflanzarbeiten könnten auch noch bis ins neue Jahr reichen. 2015 ist dann auch der 2. Bauabschnitt vorgesehen. Dann geht es in die Ortslage Hachen, wo im Verlauf der Röhr gezielt Engpässe aufgeweitet werden sollen.