
Arnsberg. Mit der Frage, ob und wie sich die Parteien vor Ort mit der politischen Teilhabe von Frauen befassen, beschäftigt sich eine Vielzahl nordrhein-westfälischer ZONTA Clubs. Die Clubs, darunter auch der ZONTA Club Arnsberg, haben die jeweiligen Vorsitzenden der im örtlichen Stadtrat vertretenen Parteien um eine Stellungnahme zur Geschlechterverteilung gebeten. Im Mittelpunkt stehen dabei Ziele für eine bestimmte Anzahl an weiblichen Mitgliedern in Partei und Ämtern sowie Maßnahmen zur Steigerung der jeweiligen Anteile. Vielerorts fand die Befragung bereits im zweiten Jahr statt.
Engagement der ZONTA Clubs für Parität
ZONTA Clubs setzen sich auf vielen Ebenen für Parität ein. Denn politische Teilhabe stellt sicher, dass Belange, die Frauen und Mädchen besonders betreffen, auf der politischen Agenda zentral und angemessen berücksichtigt werden.
Unterschiedliche Lebenswirklichkeiten von Frauen
Die Lebenswirklichkeit von Frauen in Deutschland ist anders als die von Männern. Frauen haben zumeist Beruf und Familie – Kinder und Ältere – parallel und in vielen Facetten im Blick. Dies führt zu differenzierter Alltagserfahrung, bspw. in den Bereichen Kinderbetreuung, Schulalltag, Stadtgestaltung, Mobilität, Pflege und Gesundheit.
Frauen sind wirtschaftlich tendenziell schwächer als Männer aufgestellt. Dafür sorgt z.B., dass überwiegend von Frauen gewählte Berufe vergleichsweise niedrig entlohnt werden. Aber natürlich auch der hohe Anteil von Frauen in Teilzeit oder die Tatsache, dass die Mehrheit der Alleinerziehenden Frauen sind. Das Gender Pay Gap ist leider weiblich.
Zusätzlich haben Frauen unmittelbar Erfahrung mit Unterrepräsentanz und Benachteiligung: Frauen erleben die berühmten „gläsernen Decken“ im beruflichen Aufstieg. Auch deshalb erlangen sie in geringem Maße Führungs- und Machtpositionen.
Frauen und Mädchen sind besonders geschlechtsspezifischer Gewalt ausgesetzt. Frauen fühlen sich oft unsicher im öffentlichen Raum.
Mehr Frauen in die Politik: ein wichtiges Ziel für fast alle Parteien
Mit mehr Frauen in den Parlamenten würde daher ein größeres Spektrum an Lebenswirklichkeit in die Gesetzgebung einfließen. Alle Parteien außer der AfD beschreiben es auch als wichtiges Ziel, mehr Frauen für die aktive Politik zu gewinnen. Trotzdem gelingt es seit Ende der 90er Jahre nicht, den Frauenanteil in Stadträten, Landtagen und dem Deutschen Bundestag höher zu schrauben als rund 30–35%. Erfahrene Politikerinnen wie Christa Nickels von Bündnis90/Die Grünen sprechen hier von einem regelrechten „30%-Bunker“.
Wo beginnen die Schwierigkeiten? Tatsächlich nicht erst auf der Landes- oder Bundesebene, sondern bereits ganz konkret in praktisch jeder Kommune. Die Kommune ist die Keimzelle politischer Teilhabe – hier beginnt politisches Engagement.
Befragung des ZONTA Paritäts-Barometers
Deshalb richtet sich die Befragung des ZONTA Paritäts-Barometers an die Parteiaktiven vor Ort. Nachdem in der ersten Durchführung 2023 ein Drittel der angeschriebenen Orts- und Stadtverbandsvorsitzenden eine Rückmeldung gegeben haben, bricht die Beteiligung im vergangenen Jahr um die Hälfte ein.
Die Parteien befassen sich aktuell mit der Aufstellung der Kandidatinnen und Kandidaten für die nordrhein-westfälischen Kommunalwahlen in 2025. Insofern kann davon ausgegangen werden, dass die Umfrage der ZONTA Clubs in eine empfindliche Phase von politischer Personalentwicklung erfolgt ist. Die eingehenden Rückmeldungen lassen gleichzeitig aber auch erahnen, dass die Frage politischer Teilhabe von Frauen als strategisches Ziel insgesamt eher unsystematisch angegangen wird. Zur Gewinnung von Frauen für politische Mandate wird üblicherweise eher vage und wenig kreativ „gezielte Ansprache geeigneter Kandidatinnen“ als Mittel der Wahl genannt.
Parteien im Vergleich: Strategien und Herausforderungen
Die CDU in Arnsberg hat beispielsweise das Ziel ausgegeben, den Anteil von Frauen in der zukünftigen Fraktion auf 40% anzuheben. Derzeit liegt er bei nur 15%. „Die Aufgabe neue Kandidatinnen für die Kommunalpolitik zu begeistern, ist nach wie vor eine Herausforderung. Nur durch große Bemühungen und Netzwerkarbeit beispielsweise der Frauen-Union lassen sich Erfolge erzielen.“ beschreibt der Stadtverbandsvorsitzende Dr. Marcel Kaiser die Bemühungen, das strategischen Ziel zu erfüllen. Die FDP hingegen ist im Arnsberger Stadtrat bereits paritätisch besetzt. Der Parteivorsitzende Daniel Wagner sagte dazu 2023: „In der kommenden Wahlperiode wollen wir die aktuelle Parität in unserer Ratsfraktion möglichst erhalten. Dies wollen wir allerdings ohne Quoten erreichen. Die FDP setzt sich dafür ein, dass die Besetzung von Gremien aufgrund von Qualifikationen und Fähigkeiten erfolgt, unabhängig vom Geschlecht oder anderen Merkmalen.“ Der Parteivorsitzende der FDP in Meschede Dr. Jobst Köhne gab in 2024 dazu an, dass man sich kein Ziel für den Frauenanteil in der Fraktion setze und argumentiert dies mit der „Gleichheit der Geschlechter“.
Teil der Wahrheit scheint jedoch auch, dass es für die Parteien ganz grundsätzlich sehr schwierig ist, Frauen für die aktive Mitarbeit zu gewinnen. Einige berichten, dass sie hier versuchen, zumindest durch organisatorische Veränderungen die Rahmenbedingungen zu verbessern: Durch festgelegte Anfangs- und Endzeiten von Sitzungen, der Möglichkeit hybrider Sitzungsteilnahme und politischer Elternzeit erhoffen sie sich, für Frauen attraktiver zu werden.
Gleichwohl gilt dies nicht für alle Parteien gleichermaßen. Die Partei Bündnis90/Die Grünen haben auf jeder politischen Ebene durch ihr sog. „Frauenstatut“ sichergestellt, dass Frauen hälftig repräsentiert sind und entsprechend mitgestalten und Schwerpunkte setzen können.
Diese wertvollen Hinweise der Befragten auf das Problem, dass insgesamt nur wenige politisch interessierte und engagierte Frauen gewonnen werden können, lenken den Blick auf die Parteien und auf den Anteil weiblicher Mitglieder. Auch diese Zahl bewegt sich im Durchschnitt im 30%-Bunker. Allerdings sind die Unterschiede groß: CDU/CSU haben nur ein Fünftel Frauen unter ihren Mitgliedern, Bündnis90/Die Grünen kommen auf das Doppelte.
Appell der ZONTA Clubs: Mehr Frauen in der Politik als Ziel priorisieren
Die ZONTA Clubs appellieren an die Parteivorsitzenden, Gewinnung und Beteiligung von Frauen als strategisches Ziel prioritär zu behandeln. Sie rufen aber auch Frauen auf, sich auch auf kommunaler Ebene für Politik zu interessieren und diese aktiv mitzugestalten. Auch noch im 21. Jahrhundert eine Hälfte der Gesellschaft strukturell demokratisch unterrepräsentiert zu lassen, ist mindestens fahrlässig angesichts des Drucks, unter dem westliche Demokratien derzeit stehen.
Die ZONTA Clubs vor Ort suchen auf der Basis der Befragung zum einen das Gespräch mit den örtlichen Parteien, um sich selber intensiver mit den Herausforderungen politischer Teilhabe zu befassen und dem Thema Parität auf kommunaler Ebene mehr Beachtung zu geben. Sie werden auch in diesem Jahr wieder vor Ort nachfragen, ob und wie sich die Mitgliederzahlen und Ziele geändert haben. Dann wird interessant sein, ob sich durch die Aufstellung der Kandidatinnen und Kandidaten und der Besetzung der Wahllisten bereits ein Trend in Richtung mehr Parität erkennen lässt.
(Quelle: ZONTA-Club Arnsberg)










Eine Antwort
Eine kleine Zusatzinfo, die FDP in Arnsberg betreffend. Sie zitieren Daniel Wagner aus dem Jahr 2023. Aktueller Stand 2025: Ratsfraktion – paritätisch besetzt, 2 Frauen+ 2 Männer; Kommunalwahl 2025 – bis Listenplatz 10 paritätisch besetzt. Ich persönlich freue mich sehr darüber, dass das wieder gelungen ist. Ziele sind aus meiner Sicht wichtig, die praktische Umsetzung aber noch wichtiger! Und eine Info ist mir noch besonders wichtig: Immer wieder habe ich festgestellt, dass viele Frauen es scheuen, direkt einer Partei beizutreten, es besteht oft sogar der Eindruck, man müsse „Parteikarriere“ machen um sich lokalpolitisch zu engagieren. Daher werbe ich sehr dafür: Ein guter Einstieg in die Politik kann die Funktion einer sachkundigen Bürgerin sein, und dafür ist keine Parteimitgliedschaft erforderlich. Sprechen Sie einfach mal eine Fraktion ihrer Wahl an (gerne natürlich auch mich): Vielleicht gibt es auch für Sie eine Möglichkeit ab der kommenden Ratsperiode! Christine Becker, Ratsfrau in Arnsberg (FDP-Fraktion)