Arnsberg/Sundern. Deutschland soll bis 2045 klimaneutral werden, dieses Ziel wurde im Klimaschutzgesetz 2021 verankert. Um dieses Ziel zu erreichen und die Energiewende zu beschleunigen, hat die Bundesregierung im Jahr 2022 mit dem sogenannten „Osterpaket“ das Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) novelliert. Hierbei wird festgelegt, dass der deutsche Strombedarf bis zum Jahr 2030 zu mindestens 80 Prozent aus erneuerbaren Energien, d.h. durch Windkraft, Solarenergie, grünem Wasserstoff etc., gewonnen werden soll. Die Umsetzung dieser Vorgabe ist „eine Mammutaufgabe“, die in der Modellregion Arnsberg und Sundern zukunftsweisend umgesetzt wird.
Verteilnetze stehen vor großer Herausforderung
Immer mehr Wärmepumpen heizen Haushalte und Unternehmen, immer mehr Fahrzeuge tanken an E‑Ladesäulen. Erneuerbare Energien sind eine zentrale Säule der Energiewende – der geforderte Ausbau ist logische Konsequenz zur Erreichung der Klimaziele. Die geforderte Beschleunigung des Ausbaus ist jedoch „der ultimative Stresstest und eine gigantische Herausforderung“ für die Verteilnetzbetreiber, erläutert Patrick Wittenberg, Geschäftsführer der Westnetz GmbH im Rahmen eines Pressetermins in der Netzleitstelle in Arnsberg.
Früher war der Stromfluss in den Stromnetzen übersichtlicher und somit einfacher zu regulieren. Der Strom floss von seiner Erzeugung im Kraftwerk bis zum Verbraucher in Häusern und Unternehmen in eine Richtung, ähnlich einer Einbahnstraße. Mit der Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energien hat sich diese zentrale Energieversorgung zu einer dezentralen verändert. Strom wird jetzt auch durch zahlreiche kleine dezentrale Anlagen, wie beispielsweise Photovoltaik- oder Windkraftanlagen, erzeugt und fließt in alle Richtungen. „95 Prozent aller erneuerbaren Energien sind direkt an die Verteilnetze angeschlossen“, erläutert Patrick Wittenberg, diese müssen sich an die geänderten Bedingungen anpassen.
Besonders deutlich wird die Herausforderung vor der die Verteilnetze stehen, anhand von konkreten Beispielen und Zahlen. „Wir haben in den vergangenen 15 Jahren allein in der Westenergie-Gruppe rund 265.000 Photovoltaik-Anlagen an unser Netz angeschlossen. In den nächsten 6 Jahren werden wir 675.000 Anlagen anschließen. Das zeigt die Dimension, die vor uns liegt“, so Patrick Wittenberg. Weiter erläutert Wittenberg die Entwicklung bei den sogenannten „Wallboxen“, den Lagemöglichkeiten von Elektromobilen: „Im Jahr 2021 haben wir rund 150.000 Elektromobile an unserem Netz gehabt, wir erwarten im Jahr 2030 1,8 Millionen Elektromobile.“ Auch bei der Anzahl der angeschlossenen Wärmepumpen ist eine enorme Erhöhung zu erwarten. Der aktuelle Netzentwicklungsplan von der Bundesnetzagentur geht im Jahr 2030 von 9 Millionen Wärmepumpen in Deutschland aus. „Das sind gigantische Zahlen, exponentielle Steigerungszahlen“, vermittelt Wittenberg eindringlich die aktuelle Situation, die die Westenergie in der Modellregion Arnsberg und Sundern erfolgreich angeht.
„Wir müssen unsere Netze digitalisieren“
Um diese Herausforderung zu meistern, ist nicht nur ein Ausbau der Netze erforderlich, also nicht nur beispielsweise „mehr Leitungen“ und „mehr Transformatoren“, sondern eine Digitalisierung der Netze, so dass sogenannte „Smart Grids“ entstehen. Smart Grids sind intelligente und digitalisierte Stromverteilnetze die eine Beobachtbarkeit und Steuerung des Stromflusses aus der Ferne ermöglichen, und dadurch eine Kostenreduktion und Versorgungssicherheit gewährleisten, erläutert Wittenberg.
Landesministerin Mona Neubaur: digitale, intelligente Infrastrukturen unumgänglich
Auch Mona Neubaur, Ministerin für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen, ist bei dem Pressetermin zu Gast, und führt die Dringlichkeit der Digitalisierung der Verteilnetze aus. „Bereits heute werden 97 Prozent des Stroms von Erneuerbaren von mehr als 2 Millionen Einspeisepunkten erzeugt“, so Neubaur. „Wir werden unsere Verteilnetze in ganz andere Lagen versetzen, um mit dieser Vielseitigkeit der Einspeisepunkte zu arbeiten und gleichzeitig die Verbrauchssicherheit und Energieversorgungssicherheit gewährleisen zu können.“ Nach den Langzeitszenarien des Bundeswirtschaftsministeriums und Klimaschutzministeriums werden sich die Verteilnetzkosten bis 2045 im Vergleich zu heute verdoppeln, erläutert Neubaur. Diese lassen sich signifikant senken, wenn Flexibilität in Form steuernder Eingriffe in das Verteilnetz genutzt wird.
Westenergie zeigt schon heute das Stromnetz der Zukunft
Im Rahmen des Modellprojekts „Smarte Energieregion Arnsberg Sundern“ hat die Westenergie bereits jetzt zukunftsweisend das Energiesystem der Zukunft in Arnsberg und in Sundern umgesetzt. Das Smart Grid der Region enthält bereits über 70 digitale Ortsnetzstationen, die Live-Daten über Mobilfunk oder Glasfaser übertragen, und ermöglichen, dass Westnetz das Stromnetz in Echtzeit analysieren und regeln kann.
Außerdem sind mehr als 2200 Smart Meter in Arnsberg und Sundern installiert. Diese intelligenten Messsysteme liefern anonymisierte Daten zur Netzauslastung, Stromverbrauch und der Einspeisung, und ermöglichen nicht nur aktuelle Netzengpässe zu erkennen, sondern auch zukünftige zu prognostizieren.
Als weitere Schlüsselkomponente ermöglichen zwei smarte Umspannwerke mittels digitaler Kommunikation über Glasfaserkabel, die Transformation des Verteilnetzes zum Smart Grid in der Region.
Modellregion als Pionier für Energiewende
Die Digitalisierung der Verteilnetze ist der einzige Weg, wie wir die Herausforderungen der Zukunft meistern können, so Patrick Wittenberg. „Mit dem Projekt „Smarte Energieregion“ wollen wir in Arnsberg und Sundern die Machbarkeit der Energiewende zeigen.“
„Es ist gut, dass wir hier in der Modellregion sehen können, wie es laufen kann“, betont Mona Neubaur die Wichtigkeit des Projektes. „Wir werden als Landesregierung nicht aufhören weiterhin intensiv die Stärkung des Netzausbaus voranzutreiben. Die positiven Ideen, die in Arnsberg und Sundern entstanden sind, nehmen wir mit, weit über die Grenzen von Arnsberg und Sundern und dem Sauerland hinaus“, so Neubaur. Das Modellprojekt übernimmt eine Vorreiterrolle und kann bundesweit als Blaupause für weitere Verteilnetze dienen.