Sundern. Man kann seine Arbeitswoche auch weniger schön beginnen. Franz-Josef Lersch-Mense, Minister für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien des Landes Nordrhein-Westfalen, ist aus Düsseldorf ins schöne Sauerland gereist. „Um gute Nachrichten zu verkünden“, wie er am Montag bei einer Pressekonferenz im Sunderner Rathaus sagte. Dort hatte er Bürgermeister Ralph Brodel und dessen Amtskollegen aus Balve, Brilon und Meschede über „Gute Schule 2020“, das neues Förderprogramm für die kommunale Schulinfrastruktur, informiert, das Landesregierung und Landtag noch in diesem Jahr beschließen werden. Sundern kann sich wie auch Meschede über 1,5 Millionen Euro freuen. Brilon bekommt 1,1 Mio., das deutlich kleinere Balve 650.000 Euro – alles zins- und tilgungsfrei.
Schnell und unbürokratisch
Gute Bildung sei von entscheidender Bedeutung für die wirtschaftliche Zukunft des Landes und in den Schulen gebe es einen hohen Investitionsbedarf für Sanierungen und Modernisierungen, der von vielen Kommunen angesichts der Konsolidierungsnotwendigkeiten nicht so einfach darzustellen sei, begründete der Minister das Programm, für das die Landesregierung mit der NRW-Bank – verteilt auf die vier Jahre 2017 bis 2020 – insgesamt 2 Milliarden Euro zur Verfügung stellt. Das Programm werde schnell und unbürokratisch sein, damit es schnell Früchte trage, sagte Lersch-Mense. Förderanträge könnten ab 2. Januar gestellt und notwendige Ratsbeschlüsse auch später nachgereicht werden. Der Verteilerschlüssel berücksichtige je zur Hälfte die Schülerzahl und die Höhe der Schlüsselzuweisungen der Kommunen. So sei gewährleistet, dass alle Kommunen vom Programm profitierten, die mit besonders angespannter Finanzlage aber besonders gefördert würden.
Finanzstarke Kommunen bekommen nur die Hälfte
„Hier gelingt die Quadratur des Kreises“, freute sich Sunderns Bürgermeister. „Seit Jahren rennen wir dem Investitionsstau hinterher und haben nie das Gefühl, dass wir den Verfall einholen können. Jetzt könnten wir ein Stück näher ran kommen“, sagte Meschedes Bürgermeister Christoph Weber. „Genau das, was wir jetzt brauchen,“ meinte auch sein Briloner Amtskollege Dr. Christof Bartsch, bekundete aber auch „Bauchschmerzen mit dem Verteilungsschlüssel“. Als Kommune, die keine Schlüsselzuweisungen erhalte, sei seine Stadt bei der Hälfte des Programmes außen vor. Eine Verteilung nur nach Schülerzahl sei aus seiner Sicht sachgerechter, denn mit der Einzahlung in den Stärkungspakt habe seine Stadt ihre Solidaritätspflicht bereits erfüllt. Ein Problem, dass Sundern und Meschede ebenso betrifft. Bürgermeister Brodel sagte, dass es ihn auf der anderen Seite aber auch fröhlich mache, dass Sundern keine Schlüsselzuweisungen mehr bekomme, weil es finanziell besser da stehe.
Toiletten und High Tech
„Von der Toilettenspülung bis zum High-Tech-Arbeitsgerät“ sollen die Verbesserungen an Sunderns Schulen reichen, die mit dem Programm Gute Schule 2020 umgesetzt werden können, kündigte Brodel an. Schwierig werde es nicht sein, etwas zu finden, sondern alle Begehrlichkeiten zu einer Prioritätenliste zusammenzufassen. Fachbereichsleiter Martin Hustadt hat bereits Kontakt mit den Schulleitern aufgenommen. Die in die Jahre gekommenen Fachräume für Physik und Chemie stehen ebenso auf der Wunschliste wie die teilweise noch fehlenden Whiteboards, aber auch Akustikdecken oder ein Sicherheitszaun. Und nicht zuletzt auch die Erneuerung von Sanitäranlagen aus den 60-er und 70-er Jahren.
Über 2500 Schüler an zehn Schulen
In Sundern gibt es derzeit neun städtische Schulen – ein Gymnasium, eine Real- und eine Hauptschule sowie sechs Grundschulen – sowie eine Ersatzschule mit insgesamt über 2500 Schülern. Die Freie Schule am See in Langscheid kann als Ersatzschule aus diesem Programm kein Geld für bauliche Maßnahmen bekommen, doch über ein Sonderprogramm stehen landesweit 70 Mio. Euro für die Förderung digitaler Infrastruktur zur Verfügung.
Eine Antwort
Sicher, es fehlt an allen Ecken und Enden und Geld kann man immer gebrauchen: Hier eine Reparatur, dort eine Verschönerung und das ein oder andere Whiteboard. Toll wäre, wenn mit Geld alles gut würde.
Ist es aber nicht und wird auch nicht. Der Fehler liegt im System – in ganz Deutschland. Zwar ist Bildungspolitik Ländersache, die Wege differieren, doch die Ziele sind identisch. So ist unser deutsches Bildungssystem vor allem auf Leistung und Effizienz ausgerichitet, die bestmöglichen Bildungschancen erhalten bekanntlich Kinder aus gut situierten und gebildeten deutschen Familien.
Gestresste Kinder bereits in der Grundschule, weniger Freizeit, Notendruck – die Kinder werden angepasst an ein Bildungsystem, was leistungsstarke Kinder hervorbringen will. Perönlichkeitsbildung steht eher hintenan. Die Schulen bemühen sich um die bestmögliche Bildung für alle Kinder, die gesetzten Anforderungen und Rahmenbedingungen machen es ihnen nicht leicht. Ein gesamtdeutsches Problem. Es fehlt ein gutes Konzept einer Bildungspolitik, welches für ganz Deutschland gilt und somit die vielen, durch den Förderalismus verursachten Probleme überwindet. Und dafür natürlich eine auskömmliche Finanzierung.
Kinder brauchen wieder mehr Zeit und Freiraum, sich auszuprobieren, gute pädagogische Angebote, gute Infrastruktur, ein weniger enges Zeitkorsett, weniger Leistungsorientierung. Gerade angesichts der zutiefst gespaltenen Welt und der Bedrohungen für Mensch und Natur brauchen wir Menschen, die gut gebildet sind, für die ‚Gemeinschaft‘ kein Fremdwort ist und die von ihrer Hände Arbeit leben können. Nur so können junge Menschen Verantwortung übernehmen für die Gestaltung einer Welt, in der alle gut leben können, nicht nur einige wenige. In Sundern und anderswo funktioniert noch vieles hervorragend, insbesondere das bürgerschaftliche Engagement ist beispielhaft. Ich befürchte nur, dass auch hier irgendwann dieser Zusammenhalt gefährdet sein könnte.
Prof. Dr Gesine Schwan hat im Zusammenhang mit der Finanzkrise folgendes geschrieben, ich teile ihren Befund:
„Eine Aufarbeitung der Krise darf aber nicht bei den Banken und der Finanzwelt halt machen. Wir müssen fast alle gesellschaftlichen Bereiche einer Revision unterziehen: Im Zentrum steht für mich hier die Bildung. Leider setzen wir auch bei der Bildung seit langem nur noch auf die entfesselte Konkurrenz: gefördert wird vor allem, wer sich im Wettbewerb gegen die anderen durchsetzt. Damit haben wir eine Kultur geschaffen, die Bereicherung mit Leistung verwechselt und Egoismus zum Zentralprinzip allen Handelns erklärt. Egoismus ist aber nur dann moralisch zu rechtfertigen, wenn er im Ergebnis allen und nicht nur dem Einzelnen nutzt. Wir brauchen einen Neuanfang in der Bildung, der auf das Miteinander der unterschiedlichen Talente und Charaktere zielt. Unsere Institutionen müssen wieder echte Verantwortungsträger ausbilden. Dafür gilt es, das vorherrschende Effizienzprinzip in Bildung und Ausbildung zu durchbrechen und auf allen Ebenen wieder Freiräume für Nachdenken und spielerische Experimente zu schaffen. Nur so gewinnen wir Potenziale für Innovationen.“