Sundern. Die Menschen auf der Flucht waren wieder einmal zentrales Thema bei der Monatspressekonferenz im Sunderner Rathaus. Bürgermeister Ralph Brodel und Fachbereichsleiter Stephan Urny berichteten von dem mühsamen Unterfangen, den Flüchtlingen in Sundern einen Termin zur Abgabe des Asylantrags beim BAMF in Bielefeld zu beschaffen, auf den die große Mehrzahl noch wartet, teils bereits über sechs Monate. Brodel und Urny machten keinen Hehl aus ihren Zweifeln an einem „kuriosen“ System, das sie nicht erklären könnten und das jedenfalls mit preußischem Beamtentum nichts zu tun habe.
Termin im Mai für 60 bis 70 von 499 Betroffenen
Exakt 499 Menschen auf der Flucht warteten derzeit in Sundern auf ihren Termin beim BAMF, sagte Urny. Nach einer Intervention bei der Zentrale in Nürnberg sei es jetzt endlich gelungen, am 10. Mai für 60 bis 70 Betroffene aus Sundern einen Termin bei der zuständigen Außenstelle in Bielefeld zu bekommen. Dort werden Asylanträge entgegengenommen und etwa einstündigen Interviews geführt. Nach dieser Anhörung wird über den Status der Menschen entschieden. Es sei nicht nur für die Menschen wichtig, dass sie endlich Klarheit haben, ob sie wieder ausreisen müssen oder bleiben dürfen und auf Jobsuche gehen können, so der Bürgermeister, sondern es liege auch im vitalen Interesse der Stadt Sundern, dass entschieden werde, denn sobald das Jobcenter für die Menschen zuständig werde, müsse nicht mehr die Stadt Sundern, sondern der Bund für deren Unterhalt aufkommen.
Etwa 330 Euro im Monat
Bei der Gelegenheit rechnete Stephan Urny auch vor, wieviel Geld ein Mensch auf der Flucht in Sundern bekommt. „Da kursieren völlig falsche Darstellungen!“, sagte Ralph Brodel. Ein alleinstehender erwachsener Flüchtling – zu dieser Gruppe gehören mit Abstand die meisten der Sunderner Flüchtlinge – bekommt eine Barleistung von 364 Euro im Monat, von der noch Stromkosten abgezogen werden. Bei größeren Bedarfsgemeinschaften wie Familien mit Kindern liegen die Summen pro Person niedriger. Unterkunft und Heizung sind kostenlos, ebenso medizinische Versorgung. Es bleiben einem Alleinstehenden rund 330 Euro für Nahrung und Bekleidung, Verkehr, Freizeit, Kultur etc. Viele nutzen die Unterstützung von Kleiderkammer und Tafel. „Das reicht zum Überleben, mehr nicht,“ so Brodel.
Kriminalität: Polizei versteht Aufregung nicht
Der Bürgermeister hat sich kürzlich auch über die aktuelle Kriminalstatistik für 2015, herunter gebrochen für das Sunderner Stadtgebiet, informieren lassen und zitierte Sunderns Polizeichef Olaf Wiesenberg mit dem Satz: „Ich kann die aufgeregte Diskussion nicht verstehen, denn man kann sich in Sundern absolut sicher fühlen.“ „Die Menschen auf der Flucht sind in Sachen Straftaten nicht auffälliger als die deutsche Bevölkerung,“ so Brodel. Bei der Polizei seien zwei sexuelle Übergriffe aktenkundig. In einem Falle handele es sich um ein sogenanntes Betatschen durch einen Asylbewerber, im anderen Fall lebe der angezeigte Ausländer bereits seit 25 Jahren in Sundern, beide Beteiligte seien bei dem Vorfall jenseits der zwei Promille gewesen. In sechs Fällen habe es Anzeigen wegen Körperverletzung gegeben, darunter eine unschöne Messerstecherei in Westenfeld, so Brodel weiter. In allen Fällen seien es Streitigkeiten unter Asylbewerbern gewesen. In gewisser Weise seien solche Auseinandersetzungen auch nachvollziehbar, wenn junge Männer sechs Monate und länger zu Untätigkeit verurteilt seien. Deshalb bemühe man sich in Sundern ja intensiv mit Sportvereinen wie Arbeitgebern, diesen Menschen etwas Sinnvolles zu tun zu geben.
Prognose wie Blick in trübe Glaskugel
Derzeit sind Menschen auf der Flucht stadtweit in 83 Objekten untergebracht, wobei nur noch wenige Ortsteile weiße Flecken auf der Landkarte bilden, etwa Linnepe und Meinkenbracht, aber auch Stemel und für wohl nur noch kurze Zeit Langscheid. Die letzten Wochen habe man für kleinteilige Planungen genutzt, um die Leute besser zu verteilen, sagte Urny. Dazu sei keine Zeit gewesen, als so viele kamen. „In den letzten Monaten des alten Jahres waren es jeweils über 100 Menschen, die pro Monat nach Sundern kamen. Im neuen Jahr waren es 23 im Januar, zwölf im Februar und bisher null im März,“ so Urny, der allerdings damit rechnet, dass die Zahlen auch in Sundern wieder steigen, wenn die Großstädte in NRW ihre Defizite aufgeholt haben. Eine Prognose, wie viele Menschen in diesem Jahr kommen, „ist wie ein Blick in eine Glaskugel, die völlig trüb ist“, so Urny. Nach einer Prognose von Ministerpräsidentin Kraft habe er zum Jahreswechsel von 1000 Neuankömmlingen in 2016 ausgehen müssen. Inzwischen rede der Bundesinnenminister von einer halben Million für ganz Deutschland, was 214 für Sundern bedeute, der Landesinnenminister von 200.000 für NRW, was 402 für Sundern bedeute.
Haus Richter in Hachen auch sozialer Treff
Auch wenn derzeit weniger Menschen ankommen, würden weiterhin Wohnungen gesucht, von Entspannung könne noch keine Rede sein, sagte der Bürgermeister. Urny berichtete, dass die erste betreute Wohngemeinschaft mit sieben Jugendlichen an der Hachener Straße bezogen sei. Inzwischen sei zudem das Haus Richter am Kreisverkehr in Hachen hergerichtet, das komplett für Menschen auf der Flucht zur Verfügung stehe. Hier solle eine weitere WG für Jugendliche, die ohne Eltern unterwegs sind, eingerichtet werden. In die weiteren Wohnungen sollen Familien aus den Sammelunterkünften ziehen. Im Erdgeschoss gebe es keine Wohnungen, sondern Schulungsräume für die in Hachen und Enkhausen untergebrachten Menschen auf der Flucht, die auch als sozialer Treffpunkt genutzt werden könnten.
Stadt-Homepage beantwortet Fragen
Am Dienstag wurde auf der Homepage der Stadt Sundern ein eigener Bereich freigeschaltet, der häufig gestellte Fragen rund um Menschen auf der Flucht beantwortet und in den kommenden Wochen und Monaten noch wachsen soll. Zudem sollen alle Informationen, die es bis jetzt nur auf Deutsch gibt, mit Unterstützung des Bürgernetzwerks ins Arabische, Englische und Französische übersetzt werden.
Brodel bittet dringend um Aufstockung des Integration Point
Die Arbeit aufgenommen hat inzwischen auch der Integration Point der Bundesagentur für Arbeit. Ein Mitarbeiter ist einen Tag pro Woche im Sunderner Rathaus vor Ort. Der leiste gute Arbeit, ebenso wie das Bürgernetzwerk gute Vorarbeit geleistet habe, sagte der Bürgermeister, der dennoch „dringend“ an die Bundesagentur appelliert, personell noch aufzustocken, damit es schneller gehe, die Menschen auf der Flucht in Arbeit zu bringen. Denn „bisher sind das nicht so viele, wie man wünscht, auch wenn es nicht so wenige sind, wie mancher denkt,“, sagte Brodel und verwies auf einen Syrer, der in einem Sunderner Friseursalon eine Stelle als Herrenfrisör angenommen habe. Eine Stelle, die zuvor lange ohne Erfolg angeboten worden sei.
2 Antworten
Gut, dass die Diskussion mal auf einer Sacheben geführt wird und nicht immer nur gerüchteweise Zahlen und Vorfälle durchs Netz schwirren!
Mir gefällt der Bericht sehr gut. Es ist so wichtig das es neutrale Berichterstattung gibt. Vor allem bei der rechten Hetze im Netz.