Wirtschaft in Südwestfalen tritt auf der Stelle – IHKs fordern wirtschaftspolitischen Aufbruch statt Ankündigungen

Stell­ten die Ergeb­nis­se der Kon­junk­tur­um­fra­ge vor (von links): Dr. Ralf Gerusch­kat (Haupt­ge­schäfts­füh­rer SIHK zu Hagen), Dr. Thi­lo Pahl (Haupt­ge­schäfts­füh­rer IHK Sie­gen), Wal­ter Vie­ge­ner (Prä­si­dent IHK Sie­gen), Ralf Stof­fels (Prä­si­dent SIHK zu Hagen), Andre­as Knappstein (Prä­si­dent IHK Arns­berg) und Jörg Nol­te (Haupt­ge­schäfts­füh­rer IHK Arns­berg) (Foto: SIHK zu Hagen)

Die süd­west­fä­li­sche Wirt­schaft kommt wei­ter­hin nicht vom Fleck. Der regio­na­le Kon­junk­tur­kli­ma­in­dex sta­gniert bei 87 Punk­ten (Früh­jahr: 88). Das zeigt die gemein­sa­me Kon­junk­tur­um­fra­ge der drei Indus­trie- und Han­dels­kam­mern Sie­gen, Hagen und Arns­berg, an der sich 1.265 Unter­neh­men mit mehr als 100.000 Beschäf­tig­ten betei­ligt haben. Der Herbst-Ein­bruch wie in den ver­gan­ge­nen Jah­ren bleibt damit zwar aus. Der ange­kün­dig­te Herbst der wirt­schafts­po­li­ti­schen Refor­men kommt noch nicht bei den Unter­neh­men an. Lage- und Erwar­tungs­wer­te blei­ben nega­tiv. Die Lage­ein­schät­zun­gen fal­len mit einem Sal­do von minus 17 Punk­ten deut­lich schlech­ter aus als die Erwar­tun­gen (Sal­do ‑8 Punk­te). Ins­ge­samt fehlt der süd­west­fä­li­schen Wirt­schaft aktu­ell eine erkenn­ba­re Ent­wick­lungs­dy­na­mik sowie neue Impul­se, um die vor­an­schrei­ten­de Rezes­si­on zu stoppen.

Mehr als 40 Prozent der Unternehmen beurteilen die Geschäftslage als schlecht

Die regio­na­le Wirt­schaft kämpft an zu vie­len Fron­ten zugleich: Schwa­che Inlands­nach­fra­ge, hohe Arbeits- und Ener­gie­kos­ten und die maro­de Infra­struk­tur sind dafür nur eini­ge Bei­spie­le“, erklärt Ralf Stof­fels, Prä­si­dent der SIHK zu Hagen. In der Indus­trie beur­tei­len mehr als 40 Pro­zent der Unter­neh­men die Geschäfts­la­ge als schlecht, nur knapp ein Fünf­tel sieht Bes­se­rung in Sicht. „In der Indus­trie ver­har­ren die Export­erwar­tun­gen im nega­ti­ven Bereich – die USA fal­len als ver­läss­li­cher Han­dels­part­ner aus, umso mehr braucht Euro­pa einen star­ken Bin­nen­markt und wei­te­re Frei­han­dels­ab­kom­men“, betont Stof­fels. Die export­ori­en­tier­te Indus­trie mel­det wei­ter­hin eine schwa­che Aus­lands­nach­fra­ge: Nur 17 Pro­zent der Betrie­be rech­nen mit stei­gen­den Expor­ten, 29 Pro­zent mit Rückgängen.

Wal­ter Vie­ge­ner, Prä­si­dent der IHK Sie­gen, bringt es auf den Punkt: „Das indus­tri­el­le Herz Süd­west­fa­lens schlägt noch – doch der Druck steigt und steigt: Der von der Bun­des­re­gie­rung aus­ge­ru­fe­ne ‚Herbst der Refor­men‘ ist bei den Unter­neh­men bis­lang nicht ange­kom­men. Blei­ben kon­kre­te Maß­nah­men aus, dro­hen nicht nur ein wei­te­rer Ver­trau­ens­ver­lust, son­dern auch ver­pass­te Chan­cen. Jetzt braucht es ent­schlos­se­nes Han­deln: Die Strom­steu­er sen­ken, Netz­ent­gel­te redu­zie­ren, Geneh­mi­gungs­ver­fah­ren deut­lich beschleu­ni­gen. Nur so gelingt die Wen­de, damit wir Unter­neh­men Inves­ti­tio­nen und Arbeits­plät­ze in der Regi­on sichern können.“

Pessimistischer Blick in die Zukunft

Im Bau­ge­wer­be zeigt sich dage­gen eine leich­te Ent­span­nung. In kei­ner ande­ren Bran­che wird die aktu­el­le Geschäfts­la­ge so posi­tiv bewer­tet. Mehr als ein Drit­tel der Betrie­be spricht inzwi­schen wie­der von einer guten Geschäfts­la­ge. Die Inves­ti­ti­ons­be­reit­schaft und erwar­te­ten Beschäf­tig­ten­zah­len der Bau­bran­che neh­men hin­ge­gen wie­der ab.

Wäh­rend die Dienst­leis­tungs­bran­chen in wei­ten Tei­len robust auf­ge­stellt sind, bleibt im Groß- und Ein­zel­han­del die Stim­mung äußerst düs­ter. Jeweils etwa ein Drit­tel der regio­na­len Groß- und Ein­zel­händ­ler bewer­tet ihre aktu­el­le Geschäfts­la­ge als schlecht und bli­cken zugleich pes­si­mis­tisch in die Zukunft. Anhal­ten­de Kon­sum­zu­rück­hal­tung, hohe Beschaf­fungs­kos­ten, aber auch der Per­so­nal­man­gel brem­sen die Ent­wick­lung aus ver­schie­de­nen Seiten.

Andre­as Knappstein, Prä­si­dent der IHK Arns­berg, warnt: „Auf der einen Sei­te fehlt die Nach­fra­ge – Han­del und per­so­nen­be­zo­ge­ne Dienst­leis­tun­gen spü­ren die Zurück­hal­tung der Ver­brau­cher wei­ter­hin deut­lich. Auf der ande­ren Sei­te fehlt Per­so­nal. Der Fach­kräf­te­man­gel ist und bleibt eine wesent­li­che Wachs­tums­brem­se – quer durch alle Bran­chen. Wir brau­chen ech­te Per­spek­ti­ven für den Arbeits­markt: Ziel­ge­rich­te­te Qua­li­fi­zie­rung aus der Arbeits­lo­sig­keit, bes­se­re Erwerbs­an­rei­ze, moder­ne Zuwan­de­rung und digi­ta­le Ver­fah­ren, die Ankom­men und Arbei­ten beschleunigen.“

Die Umfra­ge bestä­tigt Knappsteins Befund ein­drück­lich: Der Fach­kräf­te­man­gel wird in den Bran­chen, die ver­mehrt eine gute Geschäfts­la­ge mel­den (Bau­ge­wer­be, Dienst­leis­tun­gen, Ver­kehrs­ge­wer­be), als größ­tes Hemm­nis für die wirt­schaft­li­che Ent­wick­lung genannt. Damit ein­her geht die Befürch­tung, dass der Fach­kräf­te­man­gel mit einer kon­junk­tu­rel­len Bele­bung in ande­ren Bran­chen – etwa in der Indus­trie – wie­der zunimmt und zu einem ernst­zu­neh­men­den Eng­pass für die wirt­schaft­li­che Ent­wick­lung Süd­west­fa­lens wird. Gesamt­wirt­schaft­lich liegt wei­ter­hin die Sor­ge über die schwa­che Inlands­nach­fra­ge mit 66 Pro­zent an der Spit­ze der Risi­ko­lis­te. Dahin­ter fol­gen wirt­schafts­po­li­ti­sche Rah­men­be­din­gun­gen und stei­gen­de Arbeits­kos­ten (jeweils 61 Pro­zent). Auch Ener­gie­prei­se und Roh­stoff­kos­ten belas­ten wei­ter­hin jedes zwei­te Unter­neh­men. Die Risi­ken kumu­lie­ren in einem Umfeld, das von vor­sich­ti­gem Kos­ten­ma­nage­ment und ver­hal­te­nen Zukunfts­in­ves­ti­tio­nen geprägt ist.

Finanzierungslage kritisch

Nur 17 Pro­zent der Betrie­be pla­nen höhe­re Inves­ti­tio­nen, 38 Pro­zent rech­nen hin­ge­gen mit Kür­zun­gen. Bei der Beschäf­ti­gung erwar­ten 32 Pro­zent eine sin­ken­de Mit­ar­bei­ter­zahl, wäh­rend ledig­lich acht Pro­zent einen Per­so­nal­auf­bau pla­nen. Gleich­zei­tig ist die Finan­zie­rungs­la­ge kri­tisch: Seit einem Jahr bewer­tet fast die Hälf­te der Unter­neh­men ihre finan­zi­el­le Situa­ti­on als pro­ble­ma­tisch, jedes sechs­te Unter­neh­men berich­tet von Liqui­di­täts­eng­päs­sen, rund ein Fünf­tel von sin­ken­dem Eigen­ka­pi­tal. Die Reser­ven bei vie­len Unter­neh­men schwin­den und damit die Mög­lich­kei­ten, die­se lang­wie­ri­ge wirt­schaft­li­che Schwä­che­pha­se zu überstehen.

Die Prä­si­den­ten sehen Süd­west­fa­len damit als Spie­gel­bild der gesamt­deut­schen Lage: Vie­le Betrie­be ste­hen noch soli­de da, doch der Mut für neue Pro­jek­te schwin­det. Von der Bun­des­re­gie­rung erwar­ten die IHKs zügig ein deut­li­ches Signal für Auf­bruch und Ent­las­tung – durch gerin­ge­re Steu­er- und Abga­ben­last, weni­ger Büro­kra­tie, ver­läss­li­che Ener­gie­prei­se und eine Fach­kräf­testra­te­gie, die in der Pra­xis greift. „Jetzt ent­schei­det sich, ob Ver­trau­en zurück­kehrt“, beto­nen Vie­ge­ner, Stof­fels und Knappstein gemein­sam. „Süd­west­fa­len ist bereit, in Zukunft und Wachs­tum zu inves­tie­ren – wenn der wirt­schafts­po­li­ti­sche Reform­stau end­lich auf­ge­löst wird.“

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