Es ist fünf vor zwölf: Kutschaty über ein AfD-Verbotsverfahren

Der ehe­ma­li­ge NRW-Jus­tiz­mi­nis­ter Tho­mas Kut­scha­ty erläu­tert juris­ti­sche Hin­ter­grün­de eines Par­tei­ver­bots. (Foto: SPD Arsnberg)

Arns­berg. Die SPD-Rats­kan­di­da­tin­nen für Hüs­ten, Mar­git Hie­ro­ny­mus, und Hol­zen, Anke-Eli­sa­beth Schoen, haben den ehe­ma­li­gen NRW-Jus­tiz­mi­nis­ter Tho­mas Kut­scha­ty zu einer Ver­an­stal­tung zum AfD-Ver­bot ein­ge­la­den. Gespro­chen wur­de beson­ders über die juris­ti­sche Dimen­si­on eines der­ar­ti­gen Verbots.

Juristische Grundlage im Grundgesetz

Kut­scha­ty eröff­ne­te die Dis­kus­si­on mit einer juris­ti­schen Bestands­auf­nah­me. Das Grund­ge­setz rege­le die Rech­te der Bür­ge­rin­nen und Bür­ger, wie das Recht auf freie Mei­nungs­äu­ße­rung, Ver­samm­lungs­frei­heit oder Parteiengründung.

Doch auch die recht­li­che Basis für ein Par­tei­ver­bot steht im Grund­ge­setz (Arti­kel 21 Absatz 2). „Par­tei­en, die nach ihren Zie­len oder dem Ver­hal­ten ihrer Anhän­ger dar­auf aus­ge­hen, die frei­heit­li­che demo­kra­ti­sche Grund­ord­nung zu beein­träch­ti­gen oder zu besei­ti­gen (…) sind ver­fas­sungs­wid­rig. Über die Fra­ge der Ver­fas­sungs­wid­rig­keit ent­schei­det das Bundesverfassungsgericht.“

Historische Beispiele von Parteiverboten

„In der 76-jäh­ri­gen Geschich­te der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land hat es erst zwei Par­tei­en­ver­bo­te gege­ben“, so Kut­scha­ty. 1952 wur­de die Sozia­lis­ti­sche Reichs­par­tei ver­bo­ten, 1956 die KPD. „Unse­re Demo­kra­tie ist sehr sta­bil, für ein Par­tei­en­ver­bot exis­tie­ren sehr hohe Hürden.“

Gescheiterte NPD-Verbotsverfahren

Zwei­mal schei­ter­ten Ver­su­che, die NPD zu ver­bie­ten. „Das ers­te NPD Ver­bots­ver­fah­ren 2003 ist geschei­tert, weil der Ver­fas­sungs­schutz zu vie­le V‑Leute in den Rei­hen der NPD hat­te“, so Kut­scha­ty. 2017 schei­ter­te es eben­falls. Dabei war die NPD weder in einem Land­tag oder Bun­des­tag ver­tre­ten. „Die NPD war zu unbe­deu­tend“, so der Esse­ner. Bei der AfD sei die Lage anders, erklärt Kut­scha­ty: „Die Par­tei hat ein höhe­res gesell­schaft­li­ches, poli­ti­sches und ver­fas­sungs­ge­fähr­den­des Poten­zi­al. Sie kann ihre Wäh­ler­schaft mobi­li­sie­ren, hat Radi­ka­li­sie­rungs­ten­den­zen inner­halb der Par­tei, beein­flusst die poli­ti­sche Kul­tur und gefähr­det demo­kra­ti­sche Insti­tu­tio­nen und Grund­wer­te. Wer gezielt Res­sen­ti­ments schürt, ist kei­ne poli­ti­sche Alter­na­ti­ve mehr, son­dern wird zur Gefahr für die Demokratie.“

Juristische Abläufe eines Verbotsverfahrens

Ein Par­tei­ver­bot müs­se juris­tisch begrün­det und vom Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt ent­schie­den wer­den. Grund­la­ge sei das tat­säch­li­che Ver­hal­ten der Par­tei und ihrer Mit­glie­der, nicht nur die par­tei­po­li­ti­sche Pro­gram­ma­tik. „Das Ver­fah­ren dau­ert drei bis vier Jah­re“, erklär­te Kutschaty.

Die AfD wird vom Bun­des­amt für Ver­fas­sungs­schutz als rechts­extre­mis­ti­scher Ver­dachts­fall ein­ge­stuft. Ihre ras­sis­ti­schen, völ­ki­schen und anti­de­mo­kra­ti­schen Wer­te spie­geln sich vor allem in ihrer Spra­che, so Kut­scha­ty. Er ver­wies auf abwer­ten­de Aus­sa­gen füh­ren­der AfD-Poli­ti­ker wie Alex­an­der Gau­lands „Flie­gen­schiss in der Geschich­te Deutsch­lands“ oder Ali­ce Wei­dels For­mu­lie­run­gen über „Kopf­tuch­mäd­chen“ oder „Mes­ser­jun­ge“. „Das steht natür­lich nicht im Wahl­pro­gramm“, so der SPD-Poli­ti­ker. „Die AfD möch­te län­ger­fris­tig unse­re Demo­kra­tie beseitigen.“

Der Bun­des­tag stellt einen Antrag an das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt und ermög­licht dem Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt ein Ver­bots­ver­fah­ren zu starten.

Was bringt ein Parteienverbot?

In der anschlie­ßen­den Dis­kus­si­on frag­te ein Teil­neh­mer, wel­che Kon­se­quen­zen ein Ver­bot für Funktionär:innen hät­te. „Die Par­tei­fi­nan­zen wür­den dem Bun­des­tag zuflie­ßen, die Funk­tio­nä­re ver­lie­ren ihre Man­da­te und die Plät­ze wer­den nicht neu besetzt“, so Kut­scha­ty. Sor­gen, dass ein AfD-Ver­bot das fal­sche Signal aus­sen­det, macht sich der Ex-Minis­ter nicht: „Nach mei­ner Ein­schät­zung ist das Risi­ko grö­ßer, nichts zu tun. Es ist fünf vor zwölf.“

Er betont, dass die Ein­stel­lung der AfD-Wähler:innen sich dadurch nicht ändern wer­de. Es sei sogar wahr­schein­lich, dass sich eine Nach­fol­ge­par­tei bil­de. „Ein Par­tei­ver­bots­ver­fah­ren dient nur dazu, die AfD nicht in Macht zu brin­gen. Man gewinnt dadurch Zeit“, so Kutschaty.

Warum wählen Menschen die AfD?

„Wenn ich die AfD wäh­le, dann habe ich eine Wirk­macht. Ich kann beob­ach­ten, wie die ande­ren Par­tei­en auf den Tischen tan­zen“, erklärt Kut­scha­ty. „Natür­lich haben auch die demo­kra­ti­schen Par­tei­en Feh­ler gemacht“, räumt er ein.

Gera­de in der Kom­mu­ne gehe es dar­um, bezahl­ba­re Kita-Plät­ze anzu­bie­ten, für sozi­al­ver­träg­li­ches Woh­nen ein­zu­ste­hen, für eine gute ÖPNV-Anbin­dung zu sor­gen und poli­ti­sche Sicher­hei­ten zu schaf­fen. „Bei der AfD spielt der Neid­fak­tor eine gro­ße Rol­le“, erläu­tert der Jurist. Etwa bei Migrant:innen, die angeb­lich bevor­zugt wer­den, oder Bezieher:innen von Sozialleistungen.

„Die AfD spricht sich gegen den Min­dest­lohn aus, ist gegen Gewerk­schaf­ten und für einen Aus­tritt aus der EU“, macht Mar­git Hie­ro­ny­mus deut­lich. „Da zählt nur der Gedan­ke: wir zuerst – aber wir sind auch auf unse­re Part­ner angewiesen.“

Am Ende ist klar: Die AfD hat sich in wei­ten Tei­len von den Grund­wer­ten des Grund­ge­set­zes ent­fernt. Es geht ihr nicht um kri­ti­sche Oppo­si­ti­on, son­dern um die sys­te­ma­ti­sche Aus­höh­lung der frei­heit­lich-demo­kra­ti­schen Grundordnung.

„Die demo­kra­ti­sche Gesell­schaft hat das Recht – und die Pflicht –, sich gegen ihre Geg­ner zu schüt­zen“, so Kutschaty.

 

 

 

 

 

 

 

 

(Quel­le: SPD Arnsberg)

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