Hüsten. Vor einem Jahr herrschte reges Leben in der ehemaligen Pestalozzi-Schule in Unterhüsten. Bis zu 300 Flüchtlinge waren dort in einer Notunterkunft des Landes untergebracht. Die ist inzwischen aufgegeben worden. Doch zumindest im Nebengebäude, dem sogenannten Varielbau, rechnet Helmut Melchert, Fachbereichsleiter bei der Stadt Arnsberg, schon bald wieder mit einer „strammen Belegung“. Denn dort errichtet die Stadt mit finanzieller Unterstützung des Landes ein multifunktionales interkulturelles Engagementzentrum, das unter dem Motto „Für alle offen, mutig und engagiert“ Flüchtlinge und Zuwanderer, die schon länger in Arnsberg leben, sowie bürgerschaftliche Vereine und Initiativen des Stadtteils zusammenführen und gemeinsame Bildungs- und Kulturangebote im Quartier organisieren soll.
Leiterin Binetha Beckmann: „Offen bleiben!“
Frischgebackene Leiterin des derzeit noch kurz „Das E“ genannten Zentrums ist Binetha Beckmann. Die gebürtige Brandenburgerin, die mit einem Rumbecker verheiratet ist, bringt ihre reichen Erfahrungen als Schulsozialarbeiterin, Leiterin eines Jugendzentrums, Organisatorin einer Fraueninitiative und auch als vierfache Mutter ein. „Alles ist denkbar“, ist ihr Ansatz. Sie will den Nutzergruppen nichts vorgeben, sondern offen zu bleiben, sich am Bedarf orientieren, Initiativen aufgreifen und Impulse fördern. Sie will Räume schaffen für Engagement in Bildung, Kultur und Leben und insbesondere den Neubürgern das An- und Weiterkommen erleichtern. „Vielfalt und Verschiedenheit wird zugelassen, aber eine Kultur des Respekts ist Voraussetzung“, sagt sie.
Beste räumliche Voraussetzungen
Der weitläufige und noch recht moderne Bau hat beste Voraussetzungen für ein zweites großes Engagementzentrum in der Stadt neben dem Bürgerbahnhof in Arnsberg. Sportler, Musiker und Portugiesen nutzen einen Teil der Räume schon länger und die Engagementförderung hat kürzlich ihre Neheimer Gruppen hierhin verlegt, weil die bisherigen Räume in der Villa Bremer für die Erweiterung der dortigen Kindertagesstätte gebraucht wurden. Ob Bauchtanz, Musik, Schach oder Computer, meist sind dies Gruppen der Generation 50+. In einigen Bereichen werden die Handwerker noch etwa acht Wochen zu tun haben. Dann gibt es auch dort eine Vielzahl von Räumen zwischen 20 und 90 Quadratmetern, die multifunktional genutzt werden können. Dazu kommen eine Küche, Sanitärbereiche und ein großes Foyer, in dem ein Café eingerichtet werden könnte. Auch ein einladender neuer Zugang direkt von der Straße wird derzeit gebaut. Nutzbar sind auch die Außenanlage und die Sporthalle.
Effiziente Auslastung und Nutzerverträge
Organisiert wird das „E“ nach dem selben bewährten System wie der Arnsberger Bürgerbahnhof. „Dort ist das überhaupt kein Problem,die Arnsberger sind firm darin“, sagt Petra Vorwerk-Rosendahl von der Geschäftsstelle Engagementförderung. Die einzelnen Räume sind nicht abschließbar und stehen ihren Nutzern nur zeitlich begrenzt zur Verfügung, um Vielfalt und effiziente Auslastung zu ermöglichen. Die Leiterin hat ihr Büro im Zentrum und richtet ihre Arbeitszeit am Bedarf aus. Das Zentrum ist aber auch bei ihrer Abwesenheit nutzbar. Dafür werden Nutzungsverträge abgeschlossen und Gruppenleiter als Ansprechpartner benannt, die über ein Schließsystem bis abends um 22 Uhr Zugang haben. Gruppen ohne eigene Einkünfte zahlen für die Nutzung nichts.
Zentraler Treffpunkt für Flüchtlinge
Stefan Wulf, Leiter des Büros für Zuwanderung und Integration, sieht die große Chance, hier die etwa 950 Flüchtlinge, die inzwischen über das ganze Stadtgebiet verstreut in Wohnungen vermittelt wurden, wieder zusammenzuführen, ihnen Kontakte mit der eigenen Kulturgemeinschaft, aber auch mit der Mehrheitsbevölkerung zu ermöglichen, von denen alle profitieren. Wulf berichtete auch, dass von den 2015 und 2016 angekommenen Asylbewerbern inzwischen 740 einen anerkannten Status als Flüchtlinge oder Schutzbedürftige haben und damit länger bleiben dürfen, während 530 immer noch im Asylverfahren seien.
Treffen am 21. Februar
Bereits bei einem ersten Treffen Ende letzten Jahres haben sich erste Gruppen abgezeichnet, die die neuen Möglichkeitsräume nutzen wollen. Auch der Freundeskreis Pestalozzi-Schule bleibt weiter aktiv und will Angebote organisieren. Am kommenden Dienstag, 21. Februar lädt das Engagementzentrum von 17 bis 19 Uhr zum zweiten Treffen ein, bei dem sich auch neue Interessenten melden können. Danach soll es dann schnell losgehen, den möglichst noch vor den Sommerferien soll mit vielen verschiedenen Gruppen ein Einweihungsfest gefeiert werden. „Die Heizungen funktionieren, die Wände sind gestrichen, aber das Konzept ist noch nicht fertig, soll noch gemeinsam gestaltet werden“, lädt auch Liberto Balaguer vom Büro plan-lokal in Dortmund, der das Projekt begleitet, zum Mitmachen ein.
Endgültiger Name noch offen
Zu den Möglichkeiten des Mitgestaltens gehört auch der Name des Zentrums. „Engagementzentrum E“ war nur der Arbeitstitel für den Zuschussantrag beim Land und gilt bei den Beteiligten als „zu steif“. Er finde „DAS E“ ganz gut, sagt Stefan Wulf, und weiß dabei auch den Bürgermeister auf seiner Seite. „E“ stehe dabei für eigenständig, für erfolgreich und für soziale Einbindung. Das Land zahlt übrigens 80 Prozent der Umbau- und Einrichtungskosten sowie der Personalstelle für zwei Jahre, insgesamt 290.400 Euro. 20 Prozent muss die Stadt dazu tun.
Standort mit vielen Vorteilen
Helmut Melchert schätzt die Vorteile des Standorts. Bushaltestelle in unmittelbarer Nähe, Bahnhof nicht weit. Kindergarten und Seniorenhaus in unmittelbarer Nachbarschaft. Schulzentrum ebenso fußläufig erreichbar wie die Flüchtlingsunterkünfte Berliner Platz und Rumbecker Holz. Und ein Quartier, das auch die Notunterkunft angenommen und akzeptiert hat. Während sich im Varielbau viel tut, ist der Altbau der Pestalozzi-Schule derzeit leer und abgeschlossen. Er ist aber weiterhin mit Etagenbetten ausgestattet und wird von der Stadt als mögliche Notunterkunft vorgehalten, falls der Flüchtlingszustrom plötzlich wieder anschwellen sollte. Ob das passiert, weiß niemand. Dass aber nebenan bald reger Betrieb herrscht, da sind die Verantwortlichen sehr zuversichtlich.