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Windenergie: noch sind 15 Prozent der Stadtfläche im Topf

Derzeit wird bei Hövel an einem alten Standort eine neue Windkraftanlage errichtet. Auf dem weg zur Entscheidung über andere mögliche Standorte sind Sunderns Politiker einen Schritt weiter. Die Entscheidung fällt am 2. Dezember. (Foto: BAS)
Der­zeit wird bei Hövel an einem alten Stand­ort eine neue Wind­kraft­an­la­ge errich­tet. Auf dem weg zur Ent­schei­dung über ande­re mög­li­che Stand­or­te sind Sun­derns Poli­ti­ker einen Schritt wei­ter. Die Ent­schei­dung fällt am 2. Dezem­ber. (Foto: BAS)

Sun­dern. Das gesamt­städ­ti­sche Plan­kon­zept zur Ermitt­lung von Poten­ti­al­flä­chen für die Wind­ener­gie­nut­zung im Stadt­ge­biet Sun­dern – oder ein­fa­cher, die Fra­ge, wo denn künf­tig die­se Spar­gel, die bis zur Rotor­spit­ze über 200 Meter hoch sein kön­nen und land­auf, land­ab für viel Auf­re­gung sor­gen, errich­tet wer­den dür­fen – kommt vor­an. Der Fach­aus­schuss für Stadt­ent­wick­lung, Umwelt und Infra­struk­tur hat sich in sei­ner jüngs­ten Sit­zung wei­te­re rund drei Stun­den ruhig und sach­lich mit dem The­ma befasst und die mög­li­che Kulis­se für Wind­rä­der in Sun­dern wei­ter ein­ge­engt, wobei die Ent­schei­dun­gen mit brei­ter Mehr­heit von CDU, FDP und wei­ten Tei­len der SPD fie­len. Grü­ne und WiSu konn­ten sich mit ihren For­de­run­gen nach grö­ße­ren Schutz­zo­nen für den Schwarz­storch nicht durch­set­zen. Den ent­schei­den­den Schritt wer­den die Poli­ti­ker am 2. Dezem­ber gehen, wenn sie poli­tisch ent­schei­den, wel­che der jetzt noch ver­blie­be­nen Gebie­te tat­säch­lich im Rah­men des Flä­chen­nut­zungs­plans aus­ge­wie­sen wer­den sol­len. Bis dahin steht ihn noch die Lek­tü­re von rund 1500 Sei­ten Ent­schei­dungs­hil­fe bevor. Die Sun­derner Stadt­pla­ner arbei­ten der­zeit mit Hoch­druck an die­ser detail­lier­ten Bewer­tung aller Flä­chen und wol­len sie in zwei Wochen vorlegen.

Ohne Plan droht der Windrad-Wildwuchs

Mah­nen­de Wor­te hör­ten die Poli­ti­ker eini­ge an die­sem Abend. „Auch Sun­dern muss sei­nen Bei­trag zur Ener­gie­wen­de leis­ten!“ stell­te der Bei­geord­ne­te Mein­olf Kühn klar. Und Stadt­pla­ner Lars Ohlig mal­te recht dras­tisch die Fol­gen aus, wenn die Poli­ti­ker sich nicht auf einen Plan eini­gen könn­ten. Dann kön­ne prak­tisch über­all im Stadt­ge­biet der Bau von Wind­kraft­an­la­gen bean­tragt wer­den. Der Aus­schuss­vor­sit­zen­de  Klaus Töl­le for­der­te sei­ne Kol­le­gen auf, sich die Ent­schei­dung bei die­sem hoch­sen­si­blen The­ma nicht ein­fach zu machen und schon gar nicht Kirch­turms­den­ken an den Tag zu legen. Danach ver­ab­schie­de­te er sich mit den Wor­ten „Das tut weh!“ und über­gab den Vor­sitz an sei­nen Stell­ver­tre­ter Jür­gen ter Bra­ak. Töl­le war als Grund­be­sit­zer befan­gen wie auch vie­le sei­ner Kol­le­gen. Die CDU muss­te des­we­gen die Stamm­mann­schaft des SUI-Aus­schus­ses fast kom­plett auswechseln.

Visualisierung ohne Bilder des Schreckens

Anschlie­ßend prä­sen­tier­te André Nor­mann vom Büro imp die vom Sun­derner Rat in Auf­trag gege­be­ne Visua­li­sie­rung, die die opti­sche Wir­kung von mög­li­chen Wind­kraft­an­la­gen im Stadt­ge­biet zei­gen soll. Ein Vor­füh­rung mit 35 Foto­mon­ta­gen und ein voll­stän­di­ges 3D-Modell des gesam­ten Stadt­ge­biets von Sun­dern, was die Poli­ti­ker sehr inter­es­sier­te, aber weder sie noch die zahl­rei­chen Zuschau­er im Raum auch nur ein ein­zi­ges Mal zu lau­ten „Ohhhs!“, „Ahhhs!“ oder Schre­ckens­ru­fen ver­an­lass­te. „Wir zei­gen rea­le Gege­ben­hei­ten, wol­len weder dra­ma­ti­sie­ren noch beschö­ni­gen“, sag­te Nor­mann. Und auch Lars Ohlig fand: „Jetzt sind wir alle etwas schlau­er!“ Denn die­se Bil­der, so Ohlig wei­ter, sähen doch anders aus als man­che Visua­li­sie­rung, die bis­her im Umlauf war, wo einer „eine Wind­kraft­an­la­ge aus einem Pro­spekt aus­ge­schnit­ten und auf ein Foto auf­ge­klebt“ habe. Gezeigt wur­den Bil­der aus allen Sun­derner Orts­tei­len, teils in ver­schie­de­ne Rich­tun­gen. Kri­tik kam, dass die Foto­stand­or­te nur sel­ten in den Orts­ker­nen lägen. Dort, so Ohlig, sei­en die Anla­gen häu­fig, vor allem in engen und tie­fen Tal­la­gen, über­haupt nicht zu sehen oder es tauch­ten gera­de mal Tei­le der Rotor­blät­ter zwi­schen Gebäu­den, Bäu­men und Schil­dern auf.

Herumgeisternde Zahl von 169 Anlagen „komplett fiktiv“

Die Visua­li­sie­rung, die am Don­ners­tag abend in der Schüt­zen­hal­le im Rah­men einer Bür­ger­ver­samm­lung auch der Öffent­lich­keit vor­ge­stellt wird, ist von 73 Wind­rad-Stand­or­ten im Sun­derner Stadt­ge­biet aus­ge­gan­gen. Die Zahl von 169, die immer durch die Dis­kus­si­on geis­te­re, sei „kom­plett fik­tiv“, sag­te Ohlig. Für die Visua­li­sie­rung habe er in jedem Gebiet zunächst die höchs­te Kup­pe mit einer Anla­ge belegt und dann unter Ein­hal­tung der Min­dest­ab­stän­de wei­te­re hin­zu­ge­fügt. Bei ande­rer Anord­nung kön­ne man dort jeweils auch ein paar mehr oder weni­ger unter­brin­gen. Die Bür­ger, die am Don­ners­tag nicht in die Schüt­zen­hal­le gehen, kön­nen sich die Visua­li­sie­rung in Kür­ze auf der Stadt­sei­te im Inter­net anse­hen. Das hat­te die FDP bean­tragt und der Aus­schuss stimm­te zu. Das 3D-Modell wird aller­dings nur mit ein­zel­nen Fotos und Vide­os zu sehen sein, da es kom­plett mit 50 Giga­byte viel zu groß wäre. Eini­ge in der Sit­zung noch sicht­ba­re Wind­rä­der wer­den auch nicht mehr zu sehen sein, weil deren Stand­or­te im wei­te­ren Ver­lauf der Sit­zung noch aus der Kulis­se genom­men wur­den, so etwa ein gro­ßes Was­ser­schutz­ge­biet süd­lich von Dörnholthausen.

Der Schwarzstorch spaltet die Fraktionen

NRW-Umweltminister Remmel hat anlässlich des Internationalen tags der artenvielfalt den schwarzstorch als Repräsentanten des Hochsauerlandkreises ausgewählt. (Foto. Nach der aktuellen „Roten Liste der gefährdeten Arten in NRW“ sind etwa 45 Prozent der beobachteten Arten gefährdet, vom Aussterben bedroht oder ausgestorben. Die Zahl der Tier- und Pflanzenarten, die als ausgestorben oder verschollen gelten, liegt in Nordrhein-Westfalen mit mehr als 9 Prozent so hoch wie nie zuvor. Zwar konnte das Land zwischen 1999 und 2011 mit einer aktiven Naturschutzpolitik eine weitere Verschlechterung bei verschiedenen gefährdeten Arten abwenden. So sind Weißstorch, Uhu und Biber an vielen Stellen im Land wieder heimisch geworden. Dennoch drohen Tierarten wie die Kreuzotter, die Gelbbauchunke, die Mopsfledermaus oder der Feldhamster in absehbarer Zeit zu verschwinden, wenn nicht gegengesteuert wird. Wir stellen Ihnen hier – sozusagen stellvertretend – Arten aus Nordrhein-Westfalen vor, die landesweit gefährdet oder vom Aussterben bedroht sind, die in einigen unserer Kreise und kreisfreien Städten Nordrhein-Westfalens jedoch noch - oder aber aufgrund erfolgreicher Naturschutzmaßnahmen wieder - vorkommen. (Foto:  ich  / pixelio.de)
Der Schwarz­storch brü­tet in Sun­dern in sechs bekann­ten Nes­tern. (Foto: ich / pixelio.de)

Der nächs­te Refe­rent war Bert­ram Mes­ter­mann aus War­stein, der ein aktua­li­sier­tes Arten­schutz­gut­ach­ten für die vier wind­kraft­re­le­van­ten Vogel­ar­ten vor­leg­te. Der Baum­fal­ke war schnell abge­hakt, da es in Sun­dern nur ein Brut­paar weit­ab von allen mög­li­chen Wind­kraft­stand­or­ten gibt. Der Uhu ist dage­gen recht häu­fig und für den Rot­mi­lan und den Schwarz­storch sind Sun­dern laut Gut­ach­ter ein Lebens­raum von her­aus­ra­gen­der Bedeu­tung. Von bun­des­weit etwa 500 Brut­paa­ren des Schwarz­storchs sol­len in Sun­derns süd­li­chen Wäl­dern allein sechs leben. Anders als der Rot­mi­lan, der furcht­los auf die dre­hen­den Roto­ren zufliegt und nicht sel­ten getrof­fen und getö­tet wird, ist der Schwarz­storch ein scheu­er Gesel­le. Er mei­det die Roto­ren und fühlt sich gestört, wenn Anla­gen zu nah an sei­nem Horst, den er mit­ten im Wald errich­tet, oder an den Flug­rou­ten zu den Nah­rungs­quel­len liegt. Hier lag dann auch die unter­schied­li­che Sicht­wei­se der Frak­tio­nen. Bei Rot­mi­lan und Uhu waren sich alle eini­ge, dass ein Schutz­ra­di­us von einem Kilo­me­ter um die Hors­te genügt. Beim Schwarz­storch blieb es am Ende mit CDU‑, FDP- und SPD-Stim­men auch bei einem Kilo­me­ter. Die Grü­nen woll­ten drei Kilo­me­ter, die WiSu als Kom­pro­miss anderthalb.

Der Grat ist schmal, das Verwaltungsgericht nahe

„Wie­der hat der Arten­schutz ver­lo­ren,“ kom­men­tier­te Vogel­schüt­zer Her­bert Bar­tetz­ko die Abstim­mung. Lars Ohlig hat­te dage­gen ein­dring­lich davor gewarnt, einen Drei-Kilo­me­ter-Radi­us fest­zu­le­gen, denn dadurch wer­de das gro­ße Gebiet im Süden Sun­derns fast völ­lig aus der Kulis­se genom­men und es bestehe eine gro­ße Gefahr, das der kom­plet­te Sun­derner Plan vom Ver­wal­tungs­ge­richt gekippt wer­de, weil er ins­ge­samt das Recht, Wind­kraft­an­la­gen zu bau­en, zu sehr beschnei­de. Mit Kla­gen, so Ohlig, sei hin­ter­her von der einen wie der ande­ren Sei­te ohne­hin zu rech­nen und man wan­de­le auf einem schma­len Grat, den es mög­lichst genau zu tref­fen gel­te. Er erin­ner­te auch dar­an, dass jede ein­zel­ne Wind­kraft­an­la­ge, wenn sie denn gebaut wer­den soll, noch­mals umfas­send geprüft wird und auch dann noch Beein­träch­ti­gun­gen durch Bau oder Betrieb zu Ableh­nung oder Auf­la­gen füh­ren können.

Der Uhu killt Standorte bei Hachen und Melschede

Am Ende die­ses Tages war die Kulis­se für Wind­kraft in Sun­dern auf rund 30 Qua­drat­ki­lo­me­ter geschrumpft, rund 15 Pro­zent des Stadt­ge­biets und damit, so Lars Ohlig, immer noch eine „sub­stan­zi­el­le“ Flä­che. Von sie­ben rela­tiv geschlos­se­nen Gebie­ten waren vor allem Dank des Uhus zwei ganz unter den Tisch gefal­len, das Gebiet nord­west­lich von Hach­en zur Arns­ber­ger Stadt­gren­ze und das Gebiet bei Schloss Mel­sche­de. Das Gebiet west­lich von Allen­dorf ist durch die Abstands­flä­chen bewohn­ter Ein­zel­ge­bäu­de kurz hin­ter der Neu­en­ra­der Stadt­gren­ze in zwei Tei­le geteilt wor­den, das gro­ße Gebiet auf der Hel­le­fel­der Höhe durch Vogel­hors­te sowie Natur­schutz- und FFH-Gebie­te sogar in drei Tei­le. Das mit­tel­gro­ße Gebiet bei Saal ist ange­knab­bert wor­den, das ganz gro­ße zwi­schen den Orts­la­gen von Hagen, Wil­de­wie­se, Allen­dorf, Sto­ckum, Endorf, Lin­ne­pe und Mein­ken­bracht ist ziem­lich zer­fled­dert. Die­ses Gebiet ist allein aber immer noch 13 Qua­drat­ki­lo­me­ter groß und die Pla­ner wol­len es bei der anste­hen­den Bewer­tung ger­ne auf­tei­len, vor­aus­sicht­lich ent­lang der Land­stra­ße Endorf-Mein­ken­bracht. Rela­tiv unbe­schä­digt ist das letz­te Gebiet geblie­ben, der Höhen­rü­cken zwi­schen Sun­derner Kern­stadt und Sorpesee.

1500 Seiten abwägungsrelevantes Material für die Politiker

Zu die­sen Gebie­ten wer­den die Pla­ner den Poli­ti­kern jetzt die 1500 Sei­ten „abwä­gungs­re­le­van­tes Mate­ri­al“ als Ent­schei­dungs­grund­la­ge an die Hand geben. Dabei wer­den zahl­rei­che wei­te­re wei­che Stand­ort­fak­to­ren bewer­tet – Topo­gra­fie, Haupt­wind­rich­tung, Schat­ten­wurf, Land­schafts­bild, Erhol­uns­ge­bie­te und Wan­der­rou­ten, Erfor­der­nis­se von Forst­wirt­schaft und Luft­fahrt und eini­ges mehr. Die Pla­ner wer­den den Poli­ti­kern für die ent­schei­den­de Sit­zung am 2. Dezem­ber auch eine kon­kre­te Beschluss­emp­feh­lung geben, wel­chen Gebie­ten sie den Vor­zug geben.

Umzingelung von Meinkenbracht städtebaulich nicht wünschenswert

Die Meinkenbrachter Hochffläche ist von für die Windkraft geeigneten Flächen umzingelt, auf Sunderner, wie auf Mescheder Gebiet. (Foto: oe)
Die Mein­ken­brach­ter Hoch­flä­che ist von für die Wind­kraft geeig­ne­ten Flä­chen umzin­gelt, auf Sun­derner wie auf Mesche­der Gebiet. (Foto: oe)

Ziem­lich sicher dürf­te bei die­sem Beschluss­vor­schlag der Höhen­rü­cken zwi­schen Sun­dern und Sor­pe­see dabei sein, denn es klang bereits an, dass hier rela­tiv wenig wei­che Fak­to­ren zusam­men­kom­men, die gegen das Gebiet spre­chen, und des­halb eine Nicht­be­rück­sich­ti­gung bei einem mög­li­chen Gerichts­ver­fah­ren schwer zu begrün­den sei könn­te. Das abge­trenn­te Gebiet zwi­schen Endorf, Lin­ne­pe und Mein­ken­bracht hat dage­gen gute Chan­cen, nicht berück­sich­tigt zu wer­den. Zum einen sind hier die Hän­ge beson­ders steil, zum ande­ren böte sich die Mög­lich­keit, die Umzin­ge­lung von Mein­ken­bracht auf­zu­bre­chen, was, so Lars Ohlig, „städ­te­bau­lich wün­schens­wert“ sei. Denn der­zeit ist die Mein­ken­brach­ter Hoch­flä­che noch kom­plett von poten­zi­el­len Wind­kraft­ge­biet umge­ben, auf drei Sei­ten von Sun­derner Flä­chen und hin­ter der Stadt­gren­ze Rich­tung Gre­ven­stein auch von Mesche­der Flä­chen. Ein Knack­punkt wird sicher die Hel­le­fel­der Höhe. Wenn hier Wind­kraft zuge­las­sen wird, dürf­ten die Flä­chen nicht mehr zum Erho­lungs­ge­biet Altes Tes­ta­ment gehö­ren. Man kön­ne die Gren­zen des Erho­lungs­ge­biets ändern, sag­te Lars Ohlig. Aber wel­che Fol­gen das für das Rest­ge­biet habe, kön­ne er nicht sagen.

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