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Verständigung mit Händen und Füßen

Mit einem Frühstück startete die Internationalen Förderklasse am Berufskolleg am Eichholz. (Foto: Fabian Stratenschulte / Alle Rechte vorbehalten)
Mit einem Früh­stück star­te­te die Inter­na­tio­na­len För­der­klas­se am Berufs­kol­leg am Eich­holz. (Foto: Fabi­an Stra­ten­schul­te / Alle Rech­te vorbehalten)

Arns­berg. Ande­re Län­der – ande­re Sit­ten. So ler­nen die Schü­le­rin­nen und Schü­ler der neu ein­ge­rich­te­ten Inter­na­tio­na­len För­der­klas­se am Berufs­kol­leg am Eich­holz (BKAE) an ihrem ers­ten Schul­tag gleich ein klas­si­sches deut­sches Früh­stück ken­nen. Damit star­te­te der Unter­richt für 19 Schü­ler und zwei Schü­le­rin­nen aus unter­schied­li­chen Natio­nen. Eines haben sie alle gemein­sam, sie kön­nen kaum ein Wort Deutsch und haben auch sonst kei­ne gemein­sa­men Sprachkenntnisse.

Internationale Förderklasse am BKAE gestartet

Die Bröt­chen wer­den zag­haft ange­nom­men und lie­ber mit Mar­me­la­de und Obst belegt als mit Käse. Dass die Ver­stän­di­gung und ein ers­tes Ken­nen­ler­nen trotz der Sprach­pro­ble­me klap­pen, liegt sicher auch am Prag­ma­tis­mus der unter­rich­ten­den Kol­le­gen. „Wir ver­ste­hen uns trotz­dem, erklärt wird not­falls auch mit Hän­den und Füßen“, berich­tet Klas­sen­leh­re­rin Julia Leip­zig lachend.
Die Schü­le­rin­nen und Schü­ler gestal­te­ten am ers­ten Schul­tag klei­ne Natio­nal­flag­gen und zei­gen den Mit­schü­lern, an wel­cher Stel­le Ihr Land auf der Welt­kar­te zu fin­den ist. Anschlie­ßend befin­den sich Fähn­chen aus Paki­stan, Iran, Irak, Syri­en, Ser­bi­en und Afgha­ni­stan auf der Kar­te, die im Klas­sen­zim­mer auf­ge­hängt wird. Leip­zig sieht den Schü­le­rin­nen und Schü­lern an, wie ihre Augen leuch­ten, wenn sie von ihrer Hei­mat erzäh­len dür­fen. Zwi­schen 16 und 18 Jah­ren sind die Schü­le­rin­nen und Schü­ler. Die meis­ten von ihnen leben hier nun ohne ihre Fami­lie in Jugend­hil­fe­ein­rich­tun­gen der Region.

„Die wollen unbedingt lernen“

Die Klas­sen­leh­re­rin bewun­dert die Moti­va­ti­on des neu­en Schü­ler­kli­en­tels: „Die wol­len unbe­dingt ler­nen.“ Bemer­kens­wert sei dabei die außer­ge­wöhn­lich gute Kon­zen­tra­ti­ons­fä­hig­keit der Schü­le­rin­nen und Schü­ler. „Für sie ist es ein Pri­vi­leg zur Schu­le gehen zu kön­nen“, ergänzt Schul­so­zi­al­ar­bei­te­rin Bri­git­te Bren­ner, die eben­falls in der Klas­se tätig ist. Die Grup­pe wis­se genau, dass vie­le ähn­lich alte Lei­dens­ge­nos­sen noch kei­nen Schul­platz zuge­wie­sen bekom­men haben und auch kei­nen mehr bekom­men wer­den, weil sie unter Umstän­den nicht mehr schul­pflich­tig sind. Den­noch über­rascht es die bei­den Päd­ago­gen immer wie­der, wie höf­lich die Asy­lan­ten ihnen begeg­nen. Stets wür­den sie auf dem Flur emp­fan­gen. „Die Schü­ler rei­ßen sich dann dar­um, mei­ne Tasche tra­gen zu dürfen.“
Manch­mal hat Julia Leip­zig aber auch den Ein­druck, dass die gan­ze Situa­ti­on der Flucht die jun­gen Men­schen sicht­bar beschäf­tigt und for­dert. Es habe schon öfters die Situa­ti­on gege­ben, dass ein Schü­ler hef­tig zusam­men­ge­zuckt sei, wenn sie ihn wäh­rend einer Arbeits­auf­ga­be ange­spro­chen habe. „Da habe ich oft das Gefühl, dass ich sie aus einem bösen Traum herausreiße.“

16 Stunden Deutschunterricht pro Woche

Das obers­te Ziel des Unter­richts in der indi­vi­du­el­len För­der­klas­se ist es, die Schü­le­rin­nen und Schü­ler in eine Aus­bil­dung oder einen wei­ter­füh­ren­den Bil­dungs­gang ver­mit­teln zu kön­nen. Als ers­te Etap­pe wer­ten Leip­zig und Bren­ner dabei die erfolg­rei­che Ver­mitt­lung in einen Prak­ti­kums­platz. „Aber dafür müs­sen sie in der Lage sein, eine Arbeits­an­wei­sung oder Gefah­ren­vor­schrif­ten zu ver­ste­hen“, so Leip­zig. Des­halb steht der Deutsch­un­ter­richt an ers­ter Stel­le des Lehr­plans, 16 Stun­den die Woche. Dar­über hin­aus bekommt die Klas­se neben Fach­pra­xis vor allem Mathematik‑, Sport- und Ethik­un­ter­richt. Vor dem ers­ten Prak­ti­kum wird in Pra­xis­pha­sen an der eige­nen Schu­le und in den Werk­stät­ten am Berufs­kol­leg am Ber­li­ner Platz geübt. Auch Exkur­sio­nen ste­hen auf dem Pro­gramm, damit die Flücht­lin­ge sich in der neu­en Umge­bung ori­en­tie­ren können.
Das BKAE arbei­tet bei der Gestal­tung der Inter­na­tio­na­len För­der­klas­se mit dem Bri­lo­ner Berufs­kol­leg zusam­men. Dar­über hin­aus steht das Leh­rer­team für einen kol­le­gia­len Aus­tausch mit Berufs­kol­legs in Hamm und Bie­le­feld in Kon­takt, die schon vor zwei Jah­ren mit die­sen För­der­klas­sen gestar­tet sind.

Andre­as Thiemann

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