Arnsberg. „2016 wird kein überschäumendes Jahr für die heimischen Unternehmen. Es gibt keinen Grund zu jubeln, aber auch keinen Grund, in den Keller zu gehen,“ blickt Egbert Neuhaus, Hüstener Unternehmer und Vorsitzender des Unternehmensverbands Westfalen-Mitte, bei der Vorstellung der aktuellen Konjunkturumfrage seines Verbands in die Zukunft. „Es knallt nicht nach oben, aber es knallt auch nicht nach unten,“ drückt es Verbandsgeschäftsführer Volker Verch aus. Beide sehen eine „solide Seitwärtsbewegung“, machen sich allerdings auch ein wenig Sorgen um das untere Drittel der Unternehmen, „das sich langsam auf die 40 Prozent zu bewegt“. Es gebe immer noch viele Betriebe, denen es gut und sehr gut gehe, doch die Zahl derjenigen, denen es schlechter gehe, werde tendenziell mehr.
Noch 74 Prozent mit Ertragslage zufrieden
Der in Neheim ansässige Verband vertritt derzeit 352 Mitgliedsbetriebe aus den Kreisen Hochsauerland und Soest, der Stadt Hamm und Teilen der Kreise Unna, Coesfeld und Warendorf. 142 Betriebe haben sich ein gutes Drittel der Mitgliedsbetriebe im Dezember an der traditionellen Umfrage beteiligt. „Also durchaus repräsentativ,“ so Neuhaus, der das Kernergebnis mit dem Satz „Noch ist die Mehrheit der Betriebe zufrieden, aber die Unsicherheit wächst!“ zusammenfasst. So haben noch 55 Prozent der Betriebe positive Geschäftserwartungen. Anfang 2015 waren es noch 61 Prozent. Die aktuelle Ertragslage bewerten sogar 74 Prozent positiv, ein Prozent mehr als vor Jahresfrist. An die künftige Ertragslage haben allerdings nur 61 Prozent positive Erwartungen, vor Jahresfrist waren es noch 65 Prozent. Das liege vor allem an vermehrten Risiken, die viele Unternehmen derzeit im Auslandsgeschäft sähen, so Neuhaus. Denn Absatzmärkte, die in Krisengebieten verloren gingen, seien nicht so schnell zu ersetzen.
Krisen von Russland über Nahost bis China
So zeigt die Umfrage auch, dass 70 Prozent der Unternehmen mit der Entwicklung der Auftragslage im Inland zufrieden sind, deutlich mehr als die 56 Prozent vor einem Jahr. Bei den Auslandsaufträgen ist die Zufriedenheit dagegen von 68 auf 64 Prozent zurückgegangen. Die Russland-Krise habe manche heimischen Unternehmen hart getroffen, jetzt komme der Nahe Osten hinzu, möglicherweise auch die Türkei und auch China. Er selbst sei noch im Oktober in China gewesen und habe gesehen, dass sich dort nichts Gutes entwickele, dass viel zu viele Betriebe zu machen, berichtete Neuhaus. Manch einer springe jetzt auf den Zug Iran auf, ohne zu wissen, wie sich das entwickele. Und auch in Märkten wie Brasilien und sogar USA mache sich der Preisverfall bei Öl und Rohstoffen durch ausbleibende Aufträge bemerkbar. Andererseits habe der Verfall des Ölpreises allen Firmen, die im Konsumgüterbereich unterwegs seien, sehr gut getan. Das zeige sich an der positiven Inlandsnachfrage. Allerdings, so Neuhaus, hätten niedriger Euro-Kurs und niedriger Ölpreis im Jahr 2015 keinen so großen Effekt gehabt wie er noch am Anfang des Jahres erwartet habe. Ein Übersprudeln der Konjunktur habe es nicht gegeben.
Weniger Klagen über Fachkräftemangel
Die Belegschaftsentwicklung ist stabil und die Ausbildungsbereitschaft der Firmen bleibt hoch, fasst Neuhaus zwei weitere Umfrageergebnisse zusammen. 71 Prozent der Unternehmen wollen ihre Belegschaft halten und 15 Prozent sogar aufstocken. Die Zahl der Firmen, die Entlassungen planen, ist allerdings von 11 auf 14 Prozent gestiegen. „Auch hier ein Zeichen, dass die Schere weiter auseinander geht,“ so Verch. Mit 87 gegenüber 88 Prozent ist die Zahl der Unternehmen, die unverändert oder vermehrt ausbilden will, nahezu gleich geblieben. Ein wenig verblüfft hat die Verbandsspitze, dass die Zahl der Unternehmen, die aktuell keinen Fach- und Führungskräftemangel haben, von 27 auf 36 Prozent gestiegen ist. „Möglicherweise schon ein Erfolg der erheblichen Anstrengungen auf diesem Gebiet,“ so Neuhaus. Als guten Indikator für die Stimmung sieht Neuhaus die Investitionsbereitschaft. Die sei bei 52 statt 58 Prozent der Unternehmen noch positiv und damit leicht rückläufig, was ein Zeichen für etwas größere Vorsicht sei.
Große Mehrheit will Flüchtlinge beschäftigen und ausbilden
Auch zum Thema Flüchtlinge hat der Unternehmensverband seine Mitglieder befragt. „Solche politischen Fragen haben wir bisher noch nie gestellt, doch in der momentanen Situation schien uns das ratsam,“ so Neuhaus. Die Umfrage habe mit deutlichen 84 Prozent bestätigt, was er auch im persönlichen Gespräch mit vielen Unternehmerkollegen so wahrgenommen habe: „Die Firmen sind dafür offen, Flüchtlingen Arbeit und Ausbildung anzubieten.“ Dafür müssten aber auch Grundlagen geschaffen werden. Allerwichtigste Grundvoraussetzung seien deutsche Sprachkenntnisse. Ein Handicap sei auch der ungeklärte Aufenthaltsstatus. Mit Einstellungen im größeren Umfang sei erst zu rechnen, wenn es ein verlässliches Bleiberecht gebe. Auch an der beruflichen Qualifizierung müsse gearbeitet werden. Er persönlich halte es für Wunschdenken, sofort Leute auf Facharbeiterniveau zu bekommen, sagte Neuhaus. Doch es gebe gute tarifvertragliche Ansätze etwa zur Anlernung Unqualifizierter, die aber noch mit Beispielen gefüllt werden müssten. Das Thema Lohnkostenzuschüsse rangiert bei den Umfrageteilnehmern mit acht Prozent weit hinter gesicherter Aufenthalt (48 %), Sprachkurse (31 %) und berufliche Qualifikation (21 %). Insgesamt rechnen nur neun Prozent der Unternehmen mit negativen Auswirkungen der Flüchtlingsmigration auf die heimische Wirtschaft.
Flexibilität ein Ziel der Tarifrunde
Zum Thema Lohnkosten sind die Unternehmen diesmal nicht befragt worden. Vor allem bei den Unternehmen, denen es nicht so gut gehe, werde das Thema Tarifentwicklung mit Sorge verfolgt, so Volker Verch. Deshalb gehe man in die im März anstehende neue Tarifrunde nicht nur mit dem allgemeinen ziel, den Ball flach zu halten, sondern auch mit dem Wunsch nach mehr Flexibilität, um der Unterschiedlichkeit gerecht zu werden.
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