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Stern-Autor Ludwig Greven: So viel Aufregung habe ich noch nicht erlebt

Stern-Autor Lud­wig Gre­ven war mehr­fach in Sun­dern, sprach mit SPD-Poli­ti­kern, aber auch mit dem Bür­ger­meis­ter, allen ande­ren Rats­frak­tio­nen und ein­fa­chen Bürgern.

Sun­dern. Vor knapp drei Wochen erschien im Ham­bur­ger Nach­rich­ten­ma­ga­zin „Stern“ unter dem Titel  „Nach Jahr­zehn­ten stellt die SPD hier den Bür­ger­meis­ter – doch dann zer­legt sie sich selbst“ eine Repor­ta­ge über Sun­dern, die in der Stadt für gro­ßes Auf­se­hen und auch für gro­ße Auf­re­gung sorg­te. Bür­ger­meis­ter Ralph Bro­del schrieb einen kri­ti­schen offe­nen Brief an die Stern-Chef­re­dak­ti­on (wir berich­te­ten) und 26 pro­mi­nen­te Sun­derner Sozi­al­de­mo­kra­ten for­der­ten öffent­lich die Abwahl des SPD-Stadt­ver­bands­vor­sit­zen­den Ser­hat Sari­ka­ya „wegen respekt­lo­sen und par­tei­schä­di­gen­den Ver­hal­tens“ (wir berich­te­ten). Der Blick­punkt sprach jetzt mit Lud­wig Gre­ven, dem Autor der Stern-Reportage.

„Es ist ja, wenn man sich von der Politik und vom Rathaus fernhält, sehr schön in Ihrer Stadt.“

Herr Gre­ven, Ihre Repor­ta­ge im „Stern“ über die Sun­derner SPD und Bür­ger­meis­ter Ralph Bro­del sor­gen in der Par­tei und in der Stadt wei­ter­hin für Wir­bel. Haben Sie das erwartet?

Lud­wig Gre­ven: Es hat mich über­rascht. Ich schrei­be seit 35 Jah­ren für über­re­gio­na­le Medi­en über Bun­des- und Euro­pa­po­li­tik, gele­gent­lich auch über Lan­des­po­li­tik, und über vie­le ande­re The­men. Nicht jedoch auf loka­ler Ebe­ne. Dass ein Bericht von mir so viel und so anhal­tend Auf­re­gung erzeugt, habe ich noch nie erlebt. Vor allem nicht, dass ich selbst und mei­ne Arbeit zum Mit­tel der Aus­ein­an­der­set­zun­gen in einer Par­tei und ich zum Gegen­stand der Bericht­erstat­tung in ande­ren Medi­en wie Ihrem und der „West­fa­len­post“ gewor­den bin. Ande­rer­seits: So wie ich die Par­tei und die han­deln­den Per­so­nen, ins­be­son­de­re Herrn Bro­del ken­nen­ge­lernt habe, wun­dert mich inzwi­schen gar nichts mehr.

Wie sind Sie auf die Idee gekom­men, aus­ge­rech­net über die SPD in Sun­dern zu schrei­ben? Für einen über­re­gio­nal täti­gen Jour­na­lis­ten aus Ham­burg liegt das ja nicht unbe­dingt nahe.

Gre­ven: Ich stam­me aus dem Rhein­land, des­halb ken­ne ich natür­lich das Sau­er­land. Mit mei­nen Eltern und Freun­den aus einer katho­li­schen Jugend­grup­pe bin ich hier gewan­dert, wir haben gezel­tet und im Sor­pe­see geba­det. Wir haben auch mal eine Rad­tour quer durchs Sau­er­land gemacht und gestaunt, wie hüge­lig es ist, aber auch wie schön. 2013 habe ich ein Buch über Kor­rup­ti­on geschrie­ben. Ser­hat Sari­ka­ya, damals noch Jura-Stu­dent in Mar­burg, hat mich zu einer Lesung dar­aus ein­ge­la­den. Er hat mir eine Men­ge erzählt über sich, über die Ver­hält­nis­se in der Stadt und in sei­ner Par­tei. Das hat mich inter­es­siert. Ich habe zu ihm Kon­takt gehal­ten, wie ich das bei vie­len Men­schen tue, nicht nur sol­chen, über die ich berich­te, und sei­ne Ent­wick­lung ver­folgt. Hin und wie­der, wenn es in der SPD mal wie­der brann­te, haben wir Mails aus­ge­tauscht oder tele­fo­niert. So erfuhr ich, dass er erst ört­li­cher Juso-Vor­sit­zen­der und dann mit jun­gen Jah­ren Vor­sit­zen­der des Stadt­ver­bands wur­de, und wie er es mit einem höchst unge­wöhn­li­chen Bünd­nis geschafft hat, dass die SPD in die­ser tief­schwar­zen Gegend zum ers­ten Mal seit dem Krieg den Bür­ger­meis­ter stellt. Aber auch, dass man ihn trotz­dem – oder viel­leicht gera­de des­we­gen – im Janu­ar stür­zen wollte.

„Der Stern hat als erster zugegriffen“

Als dann Andre­as Nah­les als Par­tei- und Frak­ti­ons­vor­sit­zen­de der Bun­des­par­tei zum Rück­tritt gezwun­gen wur­de, kam mit der Gedan­ke, dass man die Dau­er­kri­se der SPD gut am Bei­spiel von Sun­dern spie­geln könn­te, der Hei­mat von Franz Mün­te­fe­ring. Ich habe das dem „Spie­gel“, dem „Stern“ und ande­ren über­re­gio­na­len Medi­en ange­bo­ten. Der „Stern“ hat als ers­ter zugegriffen.

Nun behaup­ten aber man­che, Ser­hat Sari­ka­ya habe Sie nach Sun­dern gelockt und sie gezielt mit Par­tei­in­ter­na ver­sorgt, um ein bestimm­tes Bild zu ver­mit­teln, das der Par­tei schade.

Gre­ven: Ich war Redak­teur, Repor­ter, Bon­ner und Ber­li­ner Kor­re­spon­dent und Res­sort­lei­ter bei ver­schie­de­nen natio­na­len und inter­na­tio­na­len Medi­en, und Autor der „Zeit“ und für ande­re füh­ren­de Zei­tun­gen. Seit Jah­res­an­fang bin ich frei­er, völ­lig unab­hän­gi­ger Jour­na­list, Buch­au­tor und Dozent für poli­ti­schen Jour­na­lis­mus. Ich gehö­re kei­ner Par­tei an. Für gewöhn­lich habe ich mit Bun­des­tags- und Euro­pa­ab­ge­ord­ne­ten, Minis­tern in Ber­lin, Vor­sit­zen­den der Bun­des­tags­par­tei­en und der Kanz­le­rin zu tun. Die Vor­stel­lung, dass ich mich vom Vor­sit­zen­den einer Par­tei in einer Klein­stadt instru­men­ta­li­sie­ren lie­ße, ist absurd und lächer­lich. Es ist genau anders­her­um: Eini­ge sei­ner füh­ren­den Geg­ner haben ver­sucht, mich mas­siv unter Druck zu set­zen, als sie merk­ten, dass sie in mei­ner Geschich­te nicht so gut weg­kom­men wür­den. Tele­fo­nisch und in Mails.

Und was ist mit den Parteiinterna?

Ralph Bro­del, Bür­ger­meis­ter von Sun­dern, im Gespräch mit Lud­wig Gre­ven. (Foto: Jan Richard Heinicke/Stern)

Gre­ven: Ich habe, wie man nach­le­sen kann, mit sehr vie­len Leu­ten gere­det. Ich habe lan­ge Gesprä­che mit dem SPD-Rats­frak­ti­ons­vor­sit­zen­den Micha­el Ste­che­le, mit Herrn Bro­del und natür­lich mit Herrn Sari­ka­ya geführt, mit Mit­glie­dern der Par­tei und des Rats, aber auch mit nor­ma­len Bür­gern und Geschäfts­leu­ten in der Stadt und den Vor­sit­zen­den aller im Rat ver­tre­te­nen Par­tei­en. Von wem ich wel­che Infor­ma­tio­nen bekom­men habe, wer­de und darf ich Ihnen nicht ver­ra­ten. Das fällt unter Infor­man­ten­schutz. Aber die ent­schei­den­den Leu­te habe ich ja alle zitiert und die Zita­te vor­her mit ihnen abge­stimmt. Und vie­les, was ich beschrie­ben habe, war ja in Sun­dern schon bekannt. Nur dass die ört­li­che Pres­se über man­ches nicht berich­tet hat.

„Intrigen in der Partei und im Rathaus“

Wes­halb hat Sie dann nach Ihrer Mei­nung Bür­ger­meis­ter Bro­del in einem offe­nen Brief an die Chef­re­dak­ti­on des „Stern“ ange­grif­fen? Und war­um atta­ckie­ren 26 SPD-Mit­glie­der in einer Erklä­rung, in der sie Sari­ka­yas Ablö­sung wegen Ihres „Stern“-Artikels for­dern, auch Sie?

Gre­ven: Das müs­sen Sie sie fra­gen. Weder Herr Bro­del noch Herr Ste­che­le, die nach mei­nen Infor­ma­tio­nen die 26er-Erklä­rung initi­iert haben, haben nach der Ver­öf­fent­li­chung mit mir gespro­chen. Bei­na­he lus­tig fin­de ich, dass mitt­ler­wei­le offen­bar in Sun­dern das Gerücht gestreut wird, ich hät­te mit bei­den gar nicht gere­det, wie mir bei einem erneu­ten Besuch in der Stadt am Wochen­en­de gesagt wur­de. Das scheint mir ein wei­te­rer Beleg für die Intri­gen in der Par­tei und im Rat­haus, wie die Über­schrift mei­ner Repor­ta­ge lau­tet. Gegen Herrn Sarikaya.

Wie wird nach Ihrer Ein­schät­zung der Macht­kampf in der Sun­derner SPD ausgehen?

Gre­ven: Das kann ich als Außen­ste­hen­der schwer vor­her­sa­gen. Offen­sicht­lich zie­hen ja auch noch eini­ge Leu­te im Hin­ter­grund Fäden. Ich habe für die Repor­ta­ge auch den Vor­sit­zen­den der Sau­er­län­di­schen SPD, Dirk Wie­se, getrof­fen, den das alles eben­falls sehr beschäf­tigt. Er wag­te kei­ne Pro­gno­se, gab sich jedoch zuver­sicht­lich, dass die Par­tei in Sun­dern die Gra­ben­kämp­fe über­ste­hen wer­de. Ich bin mir da nicht so sicher, wenn man sieht, wie ver­här­tet die Fron­ten sind und wie uner­bitt­lich gekämpft wird.

„Mir ist nicht klar geworden, worum es inhaltlich eigentlich geht“

Das Merk­wür­di­ge dabei: Mir ist nicht klar gewor­den, wor­um es inhalt­lich eigent­lich geht, für die Stadt und ihre Bür­ger. Jeden­falls auf der Sei­te der­je­ni­gen, die Ser­hat Sari­ka­ya um jeden Preis absä­gen wol­len. Um Links gegen Rechts, wie sonst oft in der SPD, scheint es nicht zu gehen. Eher um Alt gegen Jung und um die Siche­rung der jewei­li­gen Pos­ten: Die­je­ni­gen, die über Jahr­zehn­te kei­ne Wahl­er­fol­ge erzielt und auch seit dem Wech­sel im Rat­haus 2015 wenig bewegt haben, gegen die­je­ni­gen, die etwas in der Par­tei und der Stadt ver­än­dern wol­len. Was, wenn ich das sagen darf, Sun­dern gut tun würde.

Wer­den Sie wei­ter über die Vor­gän­ge und Intri­gen berichten?

Gre­ven: Das habe ich mir fest vor­ge­nom­men. Die Stadt ist mir inzwi­schen irgend­wie ans Herz gewach­sen. Es ist ja, wenn man sich von der Poli­tik und vom Rat­haus fern­hält, sehr schön in Ihrer Stadt. Net­te Men­schen, hüb­sche Umge­bung. Gera­de jetzt im Sommer.

(Inter­view Blickpunkt)

 

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