Arnsberg. Die Stadtwerke Arnsberg waren am Montag bei ihrer Konferenz „Campus future search“ auf der Suche nach zukünftigen Entwicklungen in der digitalen Welt. Wir sind längst in Zeiten angekommen, in denen ständig und überall das Wort Digitalisierung fällt. Ganz gleich ob damit die digitale Entwicklung der Industrie, unsere eigene Mobilität oder unsere Art der Kommunikation gemeint ist; wir sind alle unmittelbar betroffen und wir müssen uns dieser Entwicklung stellen – mit all ihren positiven und negativen Seiten. So, oder so ähnlich kann die Blickrichtung der hochkarätigen Referenten an diesem Tag auf dem Arnsberger Campus zusammengefasst werden.
200 Konferenzteilnehmerinnen und ‑teilnehmer
Auf Initiative des Stadtwerke-Chefs Karlheinz Weißer fanden über 200 Konferenzteilnehmerinnen und ‑teilnehmer den Weg auf den Campus, die dort ein eng getaktetes Programm mit Top-Referenten aus Politik und Wirtschaft erwartete. Unter anderem die bulgarische EU-Kommissarin für Digitales, Mariya Gabriel, die über Europa im Jahre 2030 referiert und die anschließend in einer Diskussionsrunde zusammen mit Bundestagspräsidentin a.D. Rita Süßmuth Rede und Antwort steht. Topmanager Friedrich Merz skizziert an diesem Tag die industrielle Zukunft im internationalen Kontext. Wenig später führt CDU-Urgestein Wolfgang Bosbach einen lockeren Plausch mit Ex-BVB-Profi Neven Subotic.
Aber der Reihe nach. Am Morgen begrüßte Karlheinz Weißer die zahlreichen Teilnehmer mit einer Einführung rund um die Arbeit auf dem Campus und in den Stadtwerken. Man sei hier fit für die digitale Zukunft, bei der „der Mensch und Südwestfalen immer Fokus stehen“. Unterstützung bekam er vom neuen Arnsberger Bürgermeister Ralf Paul Bittner, der den Campus für so etwas als „perfekt geeignet“ ansieht und die bereits begonnene Digitalisierung für seine Stadt gemeinsam mit den Stadtwerken bestreiten möchte. Auch Staatssekretär Dirk Wiese richtete einige Grußworte an das Plenum und betonte, dass es sich bei Deutschland zwar um eine der stärksten Volkswirtschaften handele, sich das Land in Punkto Digitalisierung allerdings nur auf einem Platz im Mittelfeld bewege.
Stadtwerke sind Taktgeber für die Region in digitalen Fragen
Digitalisierung bietet große Chancen, waren sich alle Teilnehmer an diesem Tag einig. Egal, ob Dirk Wiese auf den Bund oder der Chef der Staatskanzlei NRW, Nathanael Liminski, auf unser Land bezogen: es herrschte bei der Abwägung der Chancen- und Risiken Einigkeit. Liminski lobte darüber hinaus die vorbildliche Arbeit der Stadtwerke, als „Taktgeber für die Region in digitalen Fragen“. Ohne Industrie gäbe es keine Innovationen.
Die Hauptgeschäftsführerin des Verbandes kommunaler Unternehmen, Katherina Reiche, betrachtete in ihrem folgenden Vortrag die digitalen Herausforderungen, vor denen die Kommunen stehen und künftig stehen werden. Auch wenn man bei Smart City häufig an den urbanen Raum denke, so seien damit auch die Regionen gemeint, die eben stetig „smarter“ würden. So brachte Katherina Reiche das in einigen Kommunen bereits getestete Beispiel einer Mülltonnen-App ein, die eigenständig Füllstände kontrolliere und nur im Bedarfsfall eine Abholung auslöse – zur Steigerung der Kosteneffizienz.
Digitalisierung als „etwas Positives“ betrachten
EU-Kommissarin Mariya Gabriel mahnte dann in ihrer spannenden Rede, dass „jede Sekunde zähle“, man dürfe in dieser Phase der Digitalisierung „keine Möglichkeiten verlieren, weil man zu langsam“ sei. Schon jetzt, aber in jedem Fall in der Zukunft, seien „Digital Skills“ bereits die „Basic Skills“. Die Fähigkeiten, die man heute in „90 Prozent der Jobs“ benötige. Kommissarin Gabriel warb darum, Digitalisierung als „etwas Positives“ zu betrachten, dass „mehr Frauen IT-Berufe aufgreifen, als die derzeitigen acht Prozent“ und dass „Europas Zukunft von der regionalen Ebene bis Brüssel digital sein wird“.
In der anschließenden – bis auf Moderater und Phönix-Programmchef Michael Krons – ausschließlich weiblich besetzen Podiumsdiskussion warb die ehemalige Bundestagspräsidentin Rita Süßmuth ebenfalls dafür, den digitalen Wandel als etwas Positives zu begreifen. Sie selbst habe „sehr viel Spaß daran weiterhin lernen zu dürfen“ und sagte, dass man „keineswegs unterschätzen solle, was Digitales leisten kann“.
Gesellschaft braucht gut qualifizierte „Anpacker“
Die Direktorin der Bertelsmannstiftung, Birgit Riess, ergänzte, dass man noch vor einigen Jahren „Angst hatte, dass 50 Prozent der damaligen Jobs“ wegfielen. Dies habe sich aber nicht bewahrheitet, da ständig, auch durch die Technisierung, wieder neue Jobs hinzugekommen seien, „an die wir damals noch nicht gedacht haben“. Petra Pientka, Autohaus-Geschäftsführerin in dritter Generation und Chefin von 200 Angestellten, ergänzte, dass trotz Digitalisierung, nicht nur Studierende gebraucht würden, sondern auch gut qualifizierte „Anpacker“.
Sabine Leutheueser-Schnarrenberger, ehemalige Justizministerin im Bund, forderte einen Plan der Bundesregierung für die Digitialisiertung, denn „die Entwicklung wartet nicht auf Grundgesetzänderungen“. Der Mensch müsse mehr als nur ein Datenlieferant sein.
Merz: „Keine Zeit mehr zu entscheiden, ob wir bei der Digitalisierung mitmachen“
Es schloss sich dann der Vorsitzende der Atlantikbrücke, Friedrich Merz, in einem Vortrag an. Der startet zunächst einen Vergleich, wie schnell die Welt geworden ist. Kaiser Wilhelm II. habe das Auto seinerzeit für eine vorübergehende Erscheinung gehalten. Viele Generationen hätten Zeit gehabt, sich auf neue Entwicklungen einzustellen. „Um 100 Millionen Menschen an das analoge Telefon zu gewöhnen hat es 70 Jahre gedauert“. Bei der Einführung von Smartphones sei diese Zahl bereits nach drei Jahren erreicht worden. Bei „Pokemon Go“ habe es dann schließlich nur noch zwei Wochen gedauert. „Wir haben keine Zeit mehr zu entscheiden, ob wir bei der Digitalisierung mitzumachen“, macht der WEPA-Aufsichtsratsvorsitzende deutlich. Dem Thema „Brexit“ müsse nach Ansicht des Topmanagers Merz „mit dem nötigen Ernst“ begegnet werden. „Der beste Brexit ist, wenn es ihn erst gar nicht gibt“. Dafür gibt es lauten Applaus.
Auch auf Trump kam Merz zu sprechen. Mit Blick auf den drohenden Handelskrieg zwischen der EU und den USA sprach er sich noch einmal deutlich für das Freihandelsabkommen TTIP aus, dass „wir jetzt besser mal hätten, dann bekämen wir auch keine Strafzölle“. Und wenn es darum ginge Partner für die Digitalisierung zu finden, so sei hier genauso wenig Verlass auf die USA wie auf Großbritannien, die Türkei oder China, die allesamt offene Märkte forderten, aber in geschlossenen Gesellschaften lebten. Das lasse sich nicht miteinander vereinbaren.
NRW muss Vorreiter in Sachen IT werden
Merz, der auch Aufsichtsratsvorsitzender des größten Finanzdienstleisters Blackrock ist, forderte abschließend, dass NRW Vorreiter in Sachen IT werden müsse. Für Südwestfalen sei es wichtig, dass Bildungseinrichtungen wie der Campus und das BBZ dazu beitrügen, junge Menschen am Standort zu halten.
Es folgte eine Diskussionsrunde zur Industrie 4.0 in Südwestfalen an, bei der sich Regierungspräsident Hans-Josef Vogel, Trilux-Geschäftsführer Johannes Huxol, IHK-Präsident Andrea Rother, Unternehmerverbands-Geschäftsführer Volker Verch, Chef der Südwestfalen Agentur Hubertus Winterberg unter der Leitung des Moderators Franz-Reinhard Habbel beteiligten.
Gelungenes Finale
Ein gelungenes Finale eines langen, aber informativen Tages leitete am frühen Abend die Techniker Krankenkasse mit einer abschließenden Talkrunde mit Wolfgang Bosbach und Neven Subotic ein. Hier war die Digitalisierung im Sport ein zentrales Thema.