Sundern. Fraktionschef Stechele will nur kleine Fehler bei Eingruppierungen und Vergütungen in der Verwaltung gefunden haben und hält die Vorwürfe der Kämmerin für unbegründet. Das entlastet den Bürgermeister jedoch nicht vor der Ratssondersitzung am Donnerstag, zumal es neue gravierende Anschuldigungen gegen ihn gibt. Von Ludwig Greven.
Es war nichts anderes zu erwarten. Doch wie schwer sich selbst SPD-Fraktionschef Michael Stechele, sein bislang treuester Unterstützer, damit tut, Bürgermeister Ralph Brodel (SPD) von den umfassend belegten Vorwürfen der Kämmerin reinzuwaschen, zeigt sich schon daran, dass er fünf Tage brauchte, das Ergebnis seiner für Montag angekündigten „Prüfung“ zu verkünden. Er habe in zwei Terminen die Akten gesichtet, schreibt Stechele in einer Erklärung auf dorfinfo.de. Mittlerweile lägen auch die Stellungnahme der Verwaltung und der betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor. „Die von Frau Schnelle erhobenen Vorwürfe sind demnach nicht begründet oder nicht belegt,“ behauptet Stechele.
Das ist allerdings vorerst nicht zu überprüfen, da diese Stellungnahme zwar den Ratsmitgliedern vorliegen, aber nur als Unterlagen für den nicht-öffentlichen Teil der Ratssondersitzung am Donnerstag, auf der es um die Vorwürfe gegen Brodel gehen soll. Zudem werden mehrere Fachbereichsleiter und leitende Beamte, genauso wie Brodel, in dem Schreiben von Kämmerin Ursula Schnelle an den Rat belastet, an falschen Stellenbeschreibungen und ‑bewertungen mitgewirkt zu haben, aus denen zu hohe Vergütungen für sie selbst resultieren. Von diesen Vorwürfen können sie sich schlechterdings nicht selbst entlasten, genausowenig wie der Bürgermeiter und jeder andere Beschuldigte. Die von der Kämmerin angeführten Belege zu prüfen und bewerten, ist vielmehr Sache des ganzen Rates und der Kommunalaufsicht, nicht der SPD.
Gutachter prüfte nur die Stellenbeschreibungen
Weiter schreibt Stechel, bei der Akteneinsicht habe er festgestellt, dass für die fraglichen Beförderungen „Stellenbeschreibungen und Bewertungen eines externen Gutachters vorlagen und alle Gremien ordnungsgemäß beteiligt gewesen sind“. Er verschweigt jedoch, dass die Beschreibungen und Bewertungen nicht von dem externen Gutachter in Köln erstellt werden, sondern von der für das Personalmanagement Zuständigen im Fachbereich 1 und von ihm lediglich geprüft werden, so wie es der Rat beschlossen hatte, um Transparenz zu schaffen und Günstlings- und Vetternwirtschaft in der Verwaltung gerade zu verhindern. Frau Schnelle hat außerdem an den Rat geschrieben, dass der Personalrat und die Gleichstellungsbeauftragte in mehreren Fällen nicht beteiligt gewesen seien.
Stechele räumt ein, dass es im Rahmen des Bewertungsprozesses Gespräche zwischen der Verwaltung und dem externem Bewerter gegeben habe. „Dies ist aus unserer Sicht in Einzelfällen nicht gut dokumentiert worden, aber hieraus lässt sich keine Manipulation ableiten,“ schreibt er dazu. „Stellenbeschreibung und Anforderung an den Bewerber passen zur gewählten Entgeltgruppe.“ Das trifft aber nicht den Kern der Vorwürfe. Nach dem Bericht der Kämmerin wurden in mehreren Fällen der jeweiligen Stelle Aufgabe zugeschrieben, um eine höhere Eingruppierung zu begründen, die der Stelleninhaber oder die Stelleninhaber gar nicht ausübt, nicht ausüben darf oder dazu nicht in der Lage ist.
Notiz und Mails entfernt
So wurde nach Angaben eines Ratsmitglieds, der die Akten schon Anfang des Jahres eingesehen hatte, dem Leiter des Fachbereichs 3 bereits 2017 die Aufsicht über die Stadtwerke zugeschrieben, obwohl die nach der Kommunalordnung NRW nur der Bürgermeister innehaben darf. Brodel habe dann, als er mit Lars Ohlig über die Beförderung auf diese Position verhandelte, selbst mit dem externen Bewerter telefoniert und angekündigt, dass in einer neuen Stellenbeschreibung noch weitere Aufgaben hinzukämen, um die Stelle weiter aufzuwerten und Ohlig höher bezahlen zu können als eigentlich vorgesehen, obwohl der diese Aufgaben gar nicht wahrnimmt. Das habe er in einer handschriftlichen Notiz festgehalten. Auf seine Anweisung habe die Personalverantwortliche Kathleen Gedowsky dem externen Bewerter die geänderte Stellenbeschreibung zugesandt, wie aus Mails hervorgehe.
Die Notiz von Brodel und diese Mails sind nach Angaben des Ratsmitglieds in den Unterlagen, die ihm und jetzt wohl auch Stechele und einem weiteren Ratsmitglied vorgelegt wurden, nicht enthalten. Daher konnte Stechele – wenn das so ist – gar nicht überprüfen, welche möglicherweise unrechtsmäßigen Absprachen getroffen wurden. Vielmehr spricht das entgegen seiner Aussage ziemlich eindeutig für Manipulationen.
SPD fesselt sich an Brodel
Kritisch sieht auch Stechele die Vorgehensweise beim vorzeitigen Stufenaufstieg. Hier fehle es an strukturellen Voraussetzungen, um eine nachvollziehbare Entscheidung zu treffen. Dennoch, schreibt er, steht die SPD weiterhin hinter Brodel und sieht keinen Grund für seinen Rücktritt, den die Ratsmehrheit von CDU, BfS, WiSu und der drei fraktionslosen Ratsmitglieder fordert, oder dass er sein Amt ruhen lässt. Er gehe davon aus, dass sich der Landrat und die Ratsmehrheit seiner Bewertung anschließen würden.
Damit kettet Stechele seine Partei an den schwer angeschlagenen Bürgermeister, obwohl sich die Staatsanwaltschaft schon in den nächste Tagen mit diesen und weiteren Vorgängen im Rathaus befassen dürfte, da es sich um möglich Amtsdelikte wie Amtsmissbrauch und Veruntreuung von Steuergeldern handelt. In solchen Fällen muss sie auch ohne Anzeigen von sich aus tätig werden, sobald sie Kenntnis davon erlangt. Es könnte gut sein, dass sie dann wie schon bei Brodels Vorgänger Delef Lins (CDU) seine Amts- und Privaträume durchsucht, um Beweismittel zu sichern. Spätestens dann wird wie im Fall Lins der Druck auf seine Partei noch stärker werden, ihn für die Wahl am 13. September nicht wieder aufzustellen, weil sie sonst bei der gleichzeitigen Ratswahl mit den Abgrund gezogen wird.
Auf die Ratssitzung am Donnerstag im kleinen Saal der Sunderner Schützenhalle darf man jedenfalls sehr gespannt sein. Die CDU hat sie beantragt, mit dem einzigen Tagesordnung „Die Vorwürfe gegen den Bürgermeister“, und sie fordert, dass er als Betroffener die Sitzung nicht leiten darf. Brodel möchte dagegen erst andere Themen behandeln und erst als Punkt 5 den Bericht der Kämmerin. Dies will die CDU zusammen mit den anderen Fraktionen und den drei Fraktionslosen, die Brodel das Misstrauen ausgesprochen haben, durch einen Geschäftsordnungsantrag verhindern. Es dürfte also von Beginn an heiß hergehen – trotz der coronabedingten Abstandsregeln wie schon bei der Sondersitzung am 9. April in der Stockumer Schützenhalle.