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Serhat Sarikaya bleibt Vorsitzender – die SPD zerrissen

Der vor­erst mit knap­per Mehr­heit im Amt bestä­tig­te SPD-Vor­sit­zen­de Ser­hat Sari­ka­ya steht jetzt trotz des über­stan­de­nen Miss­trau­ens­vo­tums vor einer mehr­fach schwie­ri­gen Auf­ga­be (Foto: privat)

Sun­dern. Nach gut drei Stun­den war alles vor­bei. Nach einer mona­te­lan­gen inner­par­tei­li­chen Schlamm­schlacht und einer über Stre­cken auf­ge­wühl­ten Aus­spra­che votier­ten am Frei­tag­abend 109 Genos­sen und Genos­sin­nen der Sun­de­ner SPD auf einer außer­or­dent­li­chen Mit­glie­der­ver­samm­lung mit 57 zu 49 Stim­men bei drei Ent­hal­tun­gen gegen die Abwahl ihres umstrit­te­nen 29-jäh­ri­gen Stadt­ver­bands­vor­sit­zen­den Ser­hat Sarikaya.
Das Ende pass­te zu dem hef­ti­gen, auch öffent­lich aus­ge­tra­ge­nen Streit: Die Abstim­mung muss­te wie­der­holt wer­den, weil beim ers­ten Mal zwei Stimm­zet­tel zuviel abge­ge­ben wor­den waren.

Persönliche Befindlichkeiten vs. Sachfragen

Es war das ers­te Mal, dass die Mit­glie­der über­haupt über einen Antrag auf vor­zei­ti­ge Abbe­ru­fung ihres Vor­sit­zen­den ent­schei­den muss­ten. Anfang Febru­ar hat­te es zwar schon ein­mal einen Ver­such sei­ner Geg­ner auf einer Mit­glie­der­ver­samm­lung gege­ben, ihn abzu­lö­sen. Aber damals gab es kei­ne Abstimmung.
Nicht rich­tig klar wur­de in der Aus­spra­che, was die Kri­ti­ker Sari­ka­ya eigent­lich so Gra­vie­ren­des vor­zu­wer­fen hat­ten, was eine Abwahl gerecht­fer­tigt hät­te. Wie oft ging es nach Anga­ben von Teil­neh­mern (Pres­se und Öffent­lich­keit war aus­ge­schlos­sen) mehr um per­sön­li­che Befind­lich­kei­ten als um kon­kre­te Sach­punk­te. Auf bei­den Sei­ten. Sei­ne Geg­ner, vor allem älte­re Genos­sen, war­fen Sari­ka­ya vor, die Par­tei gespal­ten und in der Pres­se schlecht über sie gere­det zu haben. In der Begrün­dung für den Abwahl­an­trag war ihm außer­dem ange­las­tet wor­den, den geg­ne­ri­schen Mit­glie­dern pau­schal vor­ge­hal­ten zu haben, ihn frem­den­feind­lich zu behan­deln, weil er Sohn kur­di­scher Ein­wan­de­rer aus der Tür­kei ist. In der Debat­te spiel­te das aber offen­bar kei­ne Rolle.
Sari­ka­ya setz­te sich zu Beginn in einer eben­falls teil­wei­se sehr emo­tio­na­len Rede gegen die Angrif­fe zur Wehr. „Dies ist heu­te einer der schwers­ten Tage in der Geschich­te der Sun­derner SPD, und es ist auch einer der schwers­ten in mei­nem bis­he­ri­gen Leben“, sag­te er. Die Atta­cken gegen ihn hät­ten der Par­tei schwer gescha­det. Nament­lich nann­te er den SPD-Frak­ti­ons­vor­sit­zen­den im Rat, Micha­el Ste­che­le, sei­nen Vor­gän­ger an der Spit­ze des Stadt­ver­bands, den er wohl als Haupt­draht­zie­her gegen ihn vermutet.

Sarikaya: „Einer der schwersten Tage in meinem bisherigen Leben“

Bild aus ver­gan­ge­nen Tagen: Ser­hat Sari­ka­ya mit Sun­derns Ehren­bür­ger und SPD-Urge­stein Franz Mün­te­fe­ring ( Foto: Facebook)

Sari­ka­ya bestritt, dass er sei­ne Par­tei ver­leum­det habe, und ver­wies dar­auf, dass er 2015 mit dem von ihm geschaf­fe­nen Bünd­nis mit FDP, Grü­nen, Links­par­tei und der Bür­ger­lis­te WiSu den Sozi­al­de­mo­kra­ten Ralph Bro­del zum Bür­ger­meis­ter gemacht habe. Die­ser „his­to­ri­sche“ Wahl­sieg sei im Wesent­li­chen sein per­sön­li­cher Erfolg, auch wenn sich die Poli­tik in der Stadt unter Bro­del nicht so ent­wi­ckelt habe, „wie ich mir und ande­re und die Part­ner im Bünd­nis und wohl auch vie­le Bür­ge­rin­nen und Bür­ger sich es erhofft hätten.“
Der vor­erst mit knap­per Mehr­heit im Amt bestä­tig­te SPD-Vor­sit­zen­de steht jetzt trotz des über­stan­de­nen Miss­trau­ens­vo­tums vor einer mehr­fach sehr schwie­ri­gen Auf­ga­be: Er muss sei­ne seit lan­gem gespal­te­ne Par­tei wie­der zusam­men­füh­ren. Bis zur Rats­wahl im kom­men­den Jahr auf jeden Fall mit und gegen sei­nen Wider­sa­cher Ste­che­le im Rat, des­sen neun­köp­fi­ge Frak­ti­on eben­falls gespal­ten ist. Er muss auf sei­ne Kri­ti­ker vor allem unter den älte­ren Genos­sen zuge­hen, was nicht unbe­dingt sei­ne Stär­ke ist. Und er muss, wenn er Ende des Jah­res bei der regu­lä­ren Wahl im Amt bestä­tigt wird, die Wei­chen stel­len für die Kom­mu­nal- und Bür­ger­meis­ter­wahl in einem Jahr. Was umso schwe­rer wird, solan­ge die Par­tei zer­ris­sen bleibt und die Wun­den die­ser mona­te­lan­gen Aus­ein­an­der­set­zung nicht hei­len. Bei ihm wie bei sei­nen Gegnern.
Dazu kommt, dass die in Sun­dern immer schon schwa­che SPD wohl auch infol­ge der Per­so­nal­strei­tig­kei­ten und des schlech­ten Bun­des­trends wei­ter an Zustim­mung ver­lo­ren hat. Bei der Euro­pa­wahl lan­de­te sie mit 14 Pro­zent weit hin­ter der CDU und noch hin­ter den Grü­nen nur noch auf Platz drei. Wenn sich die Situa­ti­on und der inne­re Zustand der Par­tei nicht grund­le­gend ändern, braucht sie gar nicht dar­an zu den­ken, einen eige­nen Bür­ger­meis­ter­kan­di­da­ten auf­zu­stel­len – ob allei­ne oder in einem neu­en Bündnis.

Für Bürger und Parteien eine äußerst schwierige Gemengelage

Das alte Bünd­nis, das 2015 erst­mals seit 1949 die von Affä­ren um ihren dama­li­gen Bür­ger­meis­ter Det­lef Lins geschüt­tel­te CDU im Rat­haus abge­löst hat­te, exis­tiert nicht mehr. Zer­bro­chen ist es in ers­ter Linie an Ste­che­le, aber auch an Bro­del, die wohl bei­de mein­ten, die Stadt allei­ne regie­ren zu kön­nen, ohne die ande­ren Par­tei­en, obwohl die SPD dort über kei­ne Mehr­heit mehr ver­fügt. Die Grü­nen und die von der WiSu abge­spal­te­ne BfS den­ken dar­über nach, eige­ne Bür­ger­meis­ter­kan­di­da­ten auf­zu­stel­len. Die WiSu lieb­äu­gelt damit, den CDU-Kan­di­da­ten unter Bedin­gun­gen zu unter­stüt­zen, obwohl sie sich gegen die CDU gegrün­det hat­te. Die CDU wie­der­um ist erst dabei, in einem offe­nen Ver­fah­ren mit drei Bewer­bern ihren Kan­di­da­ten oder ihre Kan­di­da­tin zu fin­den. Und Lins son­diert angeb­lich, als unab­hän­gi­ger Kan­di­dat ins Ren­nen zu gehen, um die Schmach wett­zu­ma­chen, dass die CDU ihn 2015 nicht wie­der auf­ge­stellt hat­te. Das wür­de das Lager der CDU spal­ten. Und auch Bro­del möch­te aus dem Amt her­aus erneut antre­ten – obwohl er nach jet­zi­gem Stand kaum Chan­ce auf eine Wie­der­wahl hat.
Für die Bür­ger und die Par­tei­en ist das eine äußerst schwie­ri­ge Gemenge­la­ge. Zumal sich im Rat nach der Wahl im Sep­tem­ber 2020 erneut kei­ne kla­ren Mehr­heits­ver­hält­nis­se abzeich­nen. Schon jetzt kla­gen vie­le Sun­de­ner, dass in ihrer Stadt seit vie­len Jah­ren nichts vor­an­ge­he. Egal, wer im Rat­haus regiert.

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