Arnsberg. Ein Dialog zwischen zwei Müttern bei der jüngsten Diskussion in der Theodor-Heuss-Schule verdeutlicht vielleicht ganz gut die derzeit sehr emotional geführte Schulstandort-Diskussion im Stadtteil Arnsberg. Eine Sekundarschulmutter aus Sundern-Westenfeld sagte, ihr Kind verlasse jeden morgen um 6.20 Uhr das Haus, um zur Sekundarschule nach Arnsberg zu fahren, und es komme erst um kurz vor 17 Uhr zurück, und das sei kein Problem. Eine Hauptschulmutter, die möglicherweise damit rechnen muss, dass ihr Kind im kommenden Schuljahr statt zur Theodor-Heuss-Hauptschule in der Arnsberger Neustadt zur Hüstener Petri-Schule muss, und klagt, dass es dann neun Stunden und mehr außer Haus sei, sagte: „Der Unterschied ist, dass Sie das freiwillig machen. Uns ist etwas anderes versprochen worden!“
Über 4000 Unterschriften übergeben
Die Frage, wo ihre Kinder in den kommenden drei Jahren unterrichtet werden, interessiert die Eltern der auslaufenden Realschule am Eichholz und Theodor-Heuss-Straße so sehr, dass aus einem Runden Tisch, den die beiden Schulpflegschaften mit der städtischen Schulverwaltung und Politikern aus dem Stadtrat vereinbart hatten, zu einer Publikumsveranstaltung wurde, zu der rund 150 Teilnehmer ins Foyer der THS kamen und bei der es teils ziemlich emotional zuging. Michael Grünke, dem Schulpflegschaftsvorsitzenden der THS, verschlug es bislang sogar die Sprache. Er beklagte die Ungewissheit, die Gerüchte und Spekulationen fördere, und warf der Schulverwaltung vor, sie mache ihre Hausaufgaben nicht und betreibe Geheimhaltung. Auch Uwe Bettsteller, Schulpflegschaftsvorsitzender der Realschule, forderte endlich präzise Auskünfte. Er befürchtet Unzufriedenheit und gedämpfte Motivation bei Schülern wie Lehrern mit Folgen ausgerechnet für die letzten drei Jahre der Schulzeit, die entscheidend seien für die Entwicklung der jungen Menschen. Deshalb forderte er die Standorte zu belassen – „wie zugesichert bis zum letzten Tag“. Zur Unterstützung dieser Forderung übergaben Eltern- und Schülervertreter über 4000 Unterschriften, die zwischenzeitlich gesammelt worden sind, an Gerd Schmidt und Jochen Krautstein von der Stadt.
Beschlussvorlage kommt in dieser Woche
Fachbereichleiter Gerd Schmidt konnte den Eltern insofern Gewissheit geben, dass eine Entscheidung noch keines Wegs gefallen sei. Die werde von den gewählten Politikern am 13. März im Rat getroffen, nachdem der Schulausschuss am 3. März in einer eigens angesetzten Sondersitzung das Thema ausgiebig beraten werde. Eine Beschlussvorlage werde in der kommenden Woche an die Politiker gehen und öffentlich gemacht. Dafür habe die Schulverwaltung unter Hochdruck alle möglichen Optionen untersucht und durchgerechnet. Zu den Inhalten dieser Vorlage mochte Schmidt sich nicht näher äußern, denn es gäbe bisher nur einen nicht authorisierten Entwurf. Im Laufe der folgenden Diskussion wurde aber deutlich, dass wegen des starken Zulaufs zur Sekundarschule die vorgesehenen Räumlichkeiten in der THS für die 2015 und 2016 kommenden neuen Jahrgänge nicht ausreichen und dass weder ein Neubau anstelle des vor dem Abriss stehenden Hallenbads noch ein Umbau des A‑Trakts der Realschule, der nicht bei laufendem Schulbetrieb möglich ist, schnell genug diese Raumprobleme lösen kann.
Eltern fürchten um Qualität des Unterrichts
Schmidt erklärte den Eltern auch, dass er sich gleichermaßen für alle Schulformen und alle Schülergenerationen verantwortlich fühle, aber auch, dass die Stadt nur für die äußere Schulverwaltung zuständig sei. Die innere Schulverwaltung, also auch die Lehrerversorgung, sei Sache des Schulaufsicht, also der Bezirksregierung. Und auch beim Thema Lehrer äußerten die Eltern große Besorgnis. „Uns wurde gesagt, man könne nur noch den Unterricht in Deutsch, Mathe und Englisch garantieren,“ klagte eine Mutter. So war es dann auch die Sicherung der Qualität des Unterrichts, die Verena Verspohl von den Grünen und Klaus Kaiser von der CDU in den Mittelpunkt stellten.
Verspohl: „Guter Unterricht zählt mehr als Busfahrt“
Verena Verspohl sagte, es sei doch der gemeinsame Wunsch aller, dass die Kinder den bestmöglichen Abschluss machen. Sie finde es auch blöd, wenn Kinder mit dem Bus zur Schule fahren müssen, aber guter Unterricht zähle mehr als Busfahrt. Und der sei besser, wenn in Hüsten mehrere auslaufende Hauptschulen an einem Standort zusammen kommen und so die Lehrer besser durchtauschen können.
Kaiser: „Aufstieg durch Bildung ermöglichen“
Nachdem mehrere Eltern geklagt hatten, dass die Hauptschüler als schwächstes Glied „abgehängt“, oder deftiger ausgedrückt „in den A… gekniffen“ werden sollen, setzte Klaus Kaiser, dass gerade soziale Ausgrenzung vermieden und Aufstieg durch Bildung ermöglicht werde, wenn im neuen Schuljahr in der Jahrgangsstufe 10 die 33 Schüler der Theodor-Heuss-Hauptschule, 18 der Petri-Hauptschule und 25 der Neheimer Binnerfeld-Hauptschule an einem Standort in Hüsten zusammen kommen. So sei eine Differenzierung des Unterrichts möglich und die Lebensentscheidungen könnten vernünftig laufen. Kaiser formulierte als Ziel, dass von diesen 86 Hauptschülern möglichst keiner die Schule ohne Abschluss verlässt, dass mindestens 40 den 10b-Abschluss, also den Realschulabschluss schaffen und mindestens 20 die Qualifizierung zum Besuch der gymnasialen Oberstufe. Das seien die versprochenen gleichen Chancen für die auslaufenden Schulen, so einfach sei die Wahrheit.
Frage nach gemeinsamer Lösung auch für Realschulen
Kaiser ging sogar noch weiter. Auch für die beiden auslaufenden Realschulen in Arnsberg und Neheim brachte er eine Zusammenfassung an einem Standort ins Spiel. „Wir müssen fragen, gibt es so eine Lösung?“ Sicherstellung von Qualität sei wichtiger als das Verbleiben in seinem Zimmer, sagte Kaiser und auch: „Wir sollten nicht so tun, als sei Bus fahren das Ende der Welt!“ Dabei ging er auch auf den Vorwurf von Michael Grünke ein, es würden enorme Summen für das Bus fahren und für Umbauten verschwendet. Die etwa 40.000 Euro jährlich, die der Transport der Theodor-Heuss-Schüler nach Hüsten koste, werde wettgemacht durch die Einsparungen, wenn die Sekundarschüler nicht mehr wie bisher vorbei an der unmittelbar benachbarten Rundturnhalle zum Sportunterricht nach Oeventrop gefahren werden müssten und wenn auch die 1800 Euro für die Anmietung der Festhalle als Mensa wegfallen könnten. Auch den Rechnungen einiger Eltern, die anhand gültiger Linienbus-Fahrpläne ausrechneten, wie spät ihre Kinder nachmittags nach Hause kämen, trat er entgegen. Wenn man den Schülerspezialverkehr im Detail angehe, werde man sicher bessere Lösungen finden.
Kaiser: „Geld ausgeben, aber nicht umsonst“
Kaiser sagte, er sei immer dafür, für Bildung Geld auszugeben, und auch hier würden sicher weitere Millionen investiert werden. Dabei werde man aber „schön darauf achten, nicht umsonst Geld auszugeben“. Auch auf die hohen Zuschüsse, die noch vor wenigen Jahren für eine umfassende Modernisierung der Theodor-Heuss-Schule ausgegeben worden sind, ging er ein. Die Millionen habe man damals in der Hoffnung investiert, die Hauptschule zukunftsfest zu machen. Doch leider hätten die Eltern diese Schulform abgewählt. Deshalb müssten aber keine Zuschüsse zurückgezahlt werden. Aus seiner Sicht könne aus der Theodor-Heuss-Schule ein Grundschulzentrum für den Stadtteil Arnsberg werden. Denn große Grundschulzentren in den großen Stadtteilen seien eine Möglichkeit, auch kleine Grundschulen in den kleineren Stadtteilen auf Dauer zu erhalten.
„Es ist jetzt so, wie es ist“
Mehrfach wurde von den Eltern auch gefragt, warum es denn so überraschend sei, dass so viele Kinder in der Sekundarschule angemeldet worden seien, schließlich seien doch die Jahrgangsstärken bekannt gewesen. Gerd Schmidt sagte, die Sekundarschulen seien nach dem Ergebnis der Elternbefragung vierzügig geplant worden. Realschulrektor Thomas Mono sprach in dem Zusammenhang von Betrug, sagte, es sei von Anfang an klar gewesen, dass die Sekundarschule mehr als vier Züge haben werde. Auch Wolfgang Ernst, stellvertretender Schulpflegschaftsvorsitzender der Sekundarschule, meinte, dass bei der Schulgründung wohl nicht weit genug gedacht worden sei. Doch jetzt sei es so, wie es ist, und es gelte das beste herauszuholen.
Verständnis für unglaubliche Negativdynamik
Sekundarschulleiter Olaf Schwingenheuer sagte, dass er sich in der öffentlichen Diskussion bisher zurückgehalten habe und dass er als ehemaliger Leiter einer auslaufenden Schule die dortigen Probleme der „unglaublichen Negativdynamik“ sehr gut nachvollziehen könne. Aber auch eine Schule im Aufbau habe besondere Probleme, die er im Focus habe, wobei er aber nicht kompromisslos sei. „Wenn wir kommen, dann sind wir auch da, mit fünf oder sechs Klassen pro Jahr,“ sagte Schwingenheuer zur bisher geplanten Unterbringung der nächsten beiden Sekundarschul-Jahrgänge an der THS und zweifelte, dass das Gebäude dort dies hergibt. Für ihn, so Schwingenheuer, stehe beim Übergangsszenario der kommenden drei Jahre die Qualität der Abschlüsse im Vordergrund.
Werker: Auch über ehemalige Bundeswehrimmobilie nachdenken
Felix Werker, SPD-Ratsmitglied für den Wahlkreis, in dem alle drei Schulen liegen, sagte, es bestehe kein Druck, in diesem Jahr unbedingt zu entscheiden, weil in diesem Jahr die Theodor-Heuss-Schule den neuen Jahrgang der Sekundarschule noch aufnehmen könne. Dann bestehe genug Zeit, für 2016 weiteren Platz im Ortsteil Arnsberg herzurichten. Die Stadt habe zwar schon viel Schulraum im Ortsteil abgebaut, aber es gebe noch Leerstände, auch in anderen Verwaltungsgebäuden. So schlug Werker beispielhaft die Nutzung des ehemaligen Bundeswehrkomplexes an der Ruhrstraße vor.
Bittner: „Mehr Zeit für Argumente“
Zum Abschluss der Diskussionsrunde sagte Ralf Bittner, SPD-Fraktionschef im Rat, es werde wohl keine Lösung geben, bei der alle klatschen, und forderte für eine Entscheidung mit so großer Tragweite mehr Zeit, um mehr Argumente auszuloten. Er wolle noch mehr über Chancen sprechen, wobei er noch Zweifel habe, ob bessere Wege durch längere Wege erreicht werden können. Bittner regte nach kurzer Rücksprache mit der Verwaltung an, die Entscheidung nicht in der Ratssitzung am 11. März, sondern später in einer Sondersitzung zu fällen.