Sundern. Der Streit um das Schreiben der Sunderner Stadtkämmerin Ursula Schnelle an die Ratsmitglieder ist noch nicht zu Ende. In ihrem Brief hatte die Kämmerin die Praxis der Stellenbewertungen im Rahmen von Ausschreibungen der Sunderner Verwaltung kritisiert und damit indirekt auch dem Sunderner Bürgermeister Ralph Brodel als Chef der Verwaltung Vorwürfe gemacht. Nach einer aufgeheizten Diskussion als Schwerpunkt der Ratssitzung von Donnerstagabend hat der Rat nun auf Antrag der CDU-Fraktion beschlossen, den Rechnungsprüfungsausschuss der Stadt Sundern noch einmal mit dem Thema zu befassen. Dabei sollen vor allem die fachlichen Fragen in dem Papier der Kämmerin geklärt werden.
Fachliche Fragen klären
Derweil ließ Bürgermeister Ralph Brodel keinen Zweifel daran, dass er sich nach dem jetzigen Stand der Untersuchungen zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfe in allen seinen Äußerungen bestätigt sieht. Grundlage für diese Annahme ist sowohl ein Schreiben der Kommunalaufsicht des Hochsauerlandkreises, in dem formuliert wurde, dass es gegen das Verfahrungen der Stellenbewertungen keine Einwände gäbe. Darüber hinaus betonte Bürgermeister vor dem Rat auch, dass die Staatsanwaltschaft Arnsberg zu den Punkten der drei Strafanzeigen gegen ihn keine Ermittlungsansätze sehe und nicht tätig werden wolle.
Beispiellose Kampagne
So trat der Bürgermeister am Donnerstagabend vor den Rad und machte seinem Ärger und seiner Enttäuschung Luft. „Das war eine beispiellose Kampagne“, so Brodel. Nachdem die Staatsanwaltschaft von einer Ermittlung absehen werde und auch die Kommunalaufsicht keine Beanstandungen habe, sehe er sich in seiner bereits mehrfach getätigten Aussage bestätigt: „Es liegt nichts vor“, so Ralph Brodel vor dem Rat. Allerdings, so gab der Bürgermeister zu bedenken, seien durch die Vorwürfe Mitarbeiter beschuldigt und angegriffen worden. Die in dem Zusammenhang mit dem Schreiben der Kämmerin für einen Kostenaufwand von angeblich rund 5.000 Euro durchgeführte Sonder-Ratssitzung in Stockum sei ohnehin indiskutabel. Der zur Diskussion stehende Punkt im nichtöffentlichen Teil sei spontan von den Antragstellern der Sitzung wieder abgesetzt worden.
„Erwarte eine Entschuldigung!“
„Ich erwarte jetzt eine Entschuldigung“, sagte Bürgermeister Brodel deutlich. Nicht hinsichtlich seiner Person, aber vor allem mit Blick auf die diskreditierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Verwaltung. Bereits von drei Ratskollegen, die sich einst der Forderung nach Rücktritt des Bürgermeisters angeschlossen hatten, habe er bereits eine Entschuldigung bekommen.
SPD-Fraktionsvorsitzender Michael Stechele war der erste, der zum Stand der Dinge Stellung bezog. „Die Sonder-Ratssitzung hat nur einem Zweck gedient – einen Feldzug gegen den Bürgermeister zu führen“, so Stechele. Zudem habe er dabei auch den Versuch erkannt, den Rat erneut in die politisch motivierten Konflikte zu ziehen. Dieses Verfahren sei ihm noch aus dem Jahr 2012 bekannt, so der SPD-Ratsherr. Großer Unterschied zu damals sei gewesen, dass nicht alle Vorwürfe sofort über Presse und Social Media in die Öffentlichkeit getragen wurden.
Vorwürfe waren der Höhepunkt
„Ich erwarte Haltung von allen Gewählten, damit Ruhe in das Rathaus einkehren kann“, sagte Stechele. Er kritisierte weiter, dass sich der Rat in den letzten sechs Jahren geändert habe und inzwischen eine schlechte Diskussionskultur eingezogen sei. Es sei nicht Aufgabe des Rates „in der Scheiße“ – so Stechele wörtlich – zu wühlen. Direkt an die Stadtkämmerin gewandt erregte sich der Fraktionsvorsitzende weiter: „Frau Schnelle, Ihre erhobenen Vorwürfe waren der Höhepunkt!“ Trotz der Aussagen offizieller Stellen zum Sachstand habe es weiter unpassende Kommentare in den sozialen Medien gegeben, kritisierte Stechele. Es könne doch nicht sein, dass die Aussagen von Experten zur der Angelegenheit nicht gehört würden. „Liebe Kollegen, lasst uns versuchen, zur Sacharbeit zurück zu kehren“, bat der SPD-Fraktionsvorsitzende.
Mut und Respekt gezeigt
Mit den Worten „Mir kommenden die Tränen“, kommentierte anschließend Hans Dieter Latzer (WISU) die Worte seines Vorgängers. Eine Reaktion auf das Schreiben der Kämmerin sei ja die Pflicht des Rates. Die 24 Mitglieder aus dem Rat (die Rücktritt oder Ruhenlassen der Geschäfte gefordert hatten, d. Red.) hätten sich korrekt verhalten und die Pflicht des Rates angenommen. Dem Mut und dem Respekt der Kämmerin wolle er seinen Dank zollen. Für ihn sei auch klar, dass der Bürgermeister eine Würde habe, aber er nehme ihm persönlich übel, dass er den Rat in vielen Angelegenheiten nicht oder nur zu spät informiert habe. „Der Rat muss sich seiner Stärke bewusst sein“, forderte Latzer.
Landratsschreiben kein Freispruch
Für die Bürger für Sundern mahnte Werner Kaufmann, dass das Schreiben des Landrates zum Brief der Kämmerin kein Freispruch gewesen sei. „Es wurde gesagt, dass es möglich war, aber ist es auch richtig“, fragte Kaufmann in den Rat. Die Kritik des Landrates habe er wohl gelesen: Es sei ein Problem des Rates, der zu schwach sei. Rüdiger Laufmöller von der FDP bemängelte, dass den Wahrheitsgehalt des Schreibens niemand haben feststellen können. Dennoch sei der Brief der Kämmerin ein „gefundenes Fressen“ gewesen, einfach loszupoltern. „Die FDP hat mit ihrer Entscheidung abzuwarten richtig gehandelt“, bestätigte Laufmöller sich selber. Das sei für die Zukunft des politischen Miteinanders hoffentlich eine Lehre.
Hans Klein von WISU drückte seine Hoffnung aus, dass es nach den Sommerferien eine neue Politikkultur gebe. Dafür müssten sich nun alle anstrengen. „Wir müssen für das Desaster Lösungen finden und für eine Sache auch gemeinsam eintreten“, so Klein. Anke Rose von den Grünen kritisierte dagegen, dass man nicht mehr über Sachfragen rede, sondern in allgemeines Larifari gerate.
Allgemeines Larifari
Stefan Lange, Fraktionsvorsitzender der CDU, machte dem Rat deutlich, dass er emotionslos an das Thema herangehen wolle. Die Kritik an der durchgeführten Sonderratssitzung halte er für unangebracht, das sei Demokratie – auch wenn sie Geld koste. Lange wiederholte seine Einschätzung, dass es ein tiefes Misstrauen zwischen dem Rat und dem Bürgermeister gebe. Schon die Tatsache, dass der Bürgermeister als eigener Aufklärer der erhobenen Vorwürfe auftrete, sei ein Unding. Auch das Antwortschreiben der Kommunalaufsicht sei nur auf Anfrage hin auch bei den Ratsmitgliedern gelandet. Aufgabe müsse jetzt sein, die Abläufe auch juristisch zu bewerten. Den Arbeitsauftrag der Kommunalaufsicht nehme er sehr ernst. Daher sei der Antrag, alle Stellenbewertungen durch das Rechnungsprüfungsamt prüfen zu lassen, nur folgerichtig.
Antrag der CDU folgerichtig
Nach weiteren Diskussionsbeiträgen meldete sich auch die Kämmerin Ursula Schnelle zu Wort. Sie habe mit ihrem Schreiben persönlich keine Vorwürfe ausgesprochen, sondern die Kosten für die Stadt als Motivation für ihr Schreiben gesehen. Die Kommunalaufsicht habe jetzt nur die möglichen Rechtsverstöße geprüft. „Meine Fragen sind in den Kernpunkten nicht beantwortet“, so Schnelle. Sinnvoll wäre nun eine objektive Prüfung mit Blick auf die Belastung der Steuerzahler. Bezüglich der angesprochenen „Datenspionage“ sei der Begriff so von ihr nicht benutzt worden. „Wir wollen doch nur wissen, das da gelaufen ist“, bekräftigte die Kämmerin. Ansonsten könne sie ihr Postfach auch einfach schließen und nicht mehr per Mail kommunizieren. Damit habe man zusammen genommen ein schlechtes Bild und Vorbild für die Gesellschaft abgegeben.
Schlechtes Bild für die Gesellschaft
Offen gebliebene Fragen sah schließlich auch Siegfried Huff von der Fraktion der Linken. Zwar seien keine Mitarbeiter der Verwaltung namentlich beschuldigt worden, aber die Bewertung der Vorgänge durch die Kommunalaufsicht habe doch nur gezeigt, dass sich der Bürgermeister an der unteren Grenze des Zulässigen bewegt habe. „Es ist eine Schweinerei, dass Sie nur über die Presse und nicht über den Rat kommunizieren“, warf Huff dem Bürgermeister vor. Brodel – so angesprochen – mahnte die Einhaltung der Höflichkeitsformen im Rat an.
Mehrheit für Antrag
Im Ergebnis der Abstimmung über die Beauftragung des Rechnungsprüfungsausschusses, die Stellenbewertungen zu überprüfen, entschied der Rat mehrheitlich dafür. Zwei Ratsmitglieder stimmten mit Nein und drei Ratsleute enthielten sich bei der Abstimmung nach einer mehr als einstündigen Diskussion.
(Text und Foto: Frank Albrecht)