Arnsberg. Das Projekt Rathaus-Sanierung steht vor der politischen Beschlussfassung. In der Ratssitzung am kommenden Dienstag, 2. Juli werden die Politiker nach rund fünf Jahren Vorlaufzeit abstimmen, damit das Land die beantragten Fördermittel jetzt auch bewilligen kann. In der Beschlussempfehlung von Bürgermeister Ralf Paul Bittner steht nach wie vor die Sanierung des Rathauses unter dem Motto „Klimaneutral und offen“ mit Neuerrichtung eines Bürgerzentrums im Flachtrakt und den weiteren Projektbausteinen Temporäre Unterbringung, Rechenzentren, Zwischen- und Endarchiv sowie Freianlagen.
Kostenrisiken von 6,8 Mio. Euro
Bittner war es wichtig, davor die möglichen Realisierungsvarianten noch einmal ganz aktuell gegenüberzustellen und auch die finanziellen Risiken darzustellen. Dazu hat er das renommierte Büro BBP mit einer quantifizierbaren, vergleichenden Betrachtung beauftragt. „Dabei ging es darum, sowohl die Risiken als auch die Chancen des Projektes unter Berücksichtigung der Projektziele klar heraus zu arbeiten und zudem eine größtmögliche Transparenz über alle wesentlichen Fakten herzustellen“, so der Bürgermeister. Das Büro hat sich dabei klar für die bisher verfolgte Variante ausgesprochen. Die aktuelle Kostenschätzung liegt bei 40,3 Millionen Euro, wovon 32,3 Mio. auf das Rathaus selbst entfallen. Die Kostenrisiken wurden auf insgesamt zusätzlich 6,8 Mio. Euro beziffert. Die erwartete Förderung aus Düsseldorf liegt aktuell bei 18,7 Mio. Euro.
Bittner: Kein schöngerechneter Preis
Ihm sei es wichtig, dass er keinen schöngerechneten ‚politischen Preis‘ nenne, von dem er im Vorherein bereits wisse, dass er nicht eingehalten werden könne, sagte Bittner, der derzeit auch privat Erfahrung als Bauherr eines Eigenheims in Oeventrop macht. Deshalb wolle er auch alle Risiken nennen und die Wahrscheinlichkeit, dass sie eintreten. Zu 100 Prozent, so die Gutachter, werde das Risiko Preiserhöhung eintreten. Bei zuletzt 5% p.a. wären das über drei Jahre schon 4,3 Mio. Euro. Bei der Submission könnten je nach regionaler Marktlage mit 50 % Risiko noch einmal 1,4 Mio. hinzukommen. Mit insgesamt eher bescheidenen 300.000 Euro wird das Restrisiko von Schadstoffen und Altlasten bei Entkernung und Baugrube angegeben, da es hier bereits umfangreiche Voruntersuchungen geben hat, die eingepreist sind. Für das allgemeine Risiko beim Bauen im Bestand werden rund 750.000 Euro angesetzt.
Fünf Varianten untersucht
Bittner sagte bei der Pressekonferenz auch, dass er viele Fragen und Vorschläge von Bürgern bekommen habe, die sich, teils mit Verweis auf das Beispiel anderer Städte, für andere Lösungen ausgesprochen hätten, etwa für den Abriss und Neubau, für einen neuen Standort oder auch für eine dauerhafte dezentrale Unterbringung etwa in der ehemaligen Realschule Neheim und dem RWE-Gebäude in Arnsberg, die ja auch als Ausweichgebäude während der Bauzeit genutzt werden. Deshalb, so Bittner, seien jetzt nochmals fünf Varianten untersucht worden.
- V1: Rathaus-Sanierung „Klimaneutral und offen“ mit allen Projektbausteinen: Temporäre Unterbringung, Rechenzentren, Zwischen- und Endarchiv, Freianlagen
- V2: Aufteilung der Stadtverwaltung auf die Stadtteile Arnsberg und Neheim mit einer dauerhaften Anmietung in Arnsberg und Herrichtung des Gebäudes Goethestraße 16–18.
- V3: Das Rathaus soll zunächst nur mit den notwendigsten Maßnahmen instand gesetzt werden (Verschiebung der Sanierung um rund 5 Jahre)
- V4: Sanierung im Bestand (entsprechend der Sanierungsstudie 2015)
- V5: Neubau des Rathauses inklusive der Standortfrage
Discounted-Cashflow-Verfahren
Das Büro BBP habe bei allen fünf Varianten die jeweiligen Lebenszykluskosten, die Möglichkeiten einer finanziellen Förderung und die bisher angefallenen Kosten sowie Investitionen und Aufwand der jeweiligen Maßnahmen analysiert. Diese Methode nenne sich Discounted-Cashflow-Verfahren, werde international zur Wertermittlung insbesondere von Investitionsprojekten verwendet und mache die fünf sehr unterschiedlichen Varianten hinsichtlich ihrer finanziellen Auswirkungen vergleichbar, so Bittner. Aufgrund folgender Faktoren werde die Variante V1 im Vergleich zu den anderen untersuchten Szenarien auch aus Sicht von BBP klar empfohlen:
- Der Realinvest (abgezinste Berechnung der tatsächlich anfallenden Kosten) ist über einen prognostizierten Zeitraum von 20 Jahren mit rund 37,4 Millionen Euro im Vergleich zu den anderen vier untersuchten Varianten am niedrigsten.
- Große Planungstiefe, da diese Variante bereits detailliert durchgeplant wurde, und damit geringste Kostenvarianz aller fünf Varianten
- Investition am Standort mit Teilumbau des Rathauses zum Bürgerzentrum setzt wichtige Impulse zur städtebaulichen Aufwertung von Unterhüsten. Mit dieser „Öffnung des Rathauses für soziale und kulturelle Gruppen“ ist die Förderfähigkeit des Vorhabens verbunden.
- Aufwertung des Stadteingangs und Schaffung einer qualifizierten (Arbeits-) Umgebung für die Verwaltung, aber auch für anliegende Betriebe und Bereiche (auch Stichworte Stadtimage und Fachkräfteakquisition)
- Nachhaltiger Umgang mit Ressourcen, Nutzung sog. „grauer Energien“, Vermeidung von Abfällen (Abbruchmaterialien), Nutzung eines bereits bebauten und ausreichend großen Grundstücks, kein zusätzliches Parkdeck erforderlich, „Rohbau“ vorhanden
- Bürgerakzeptanz für den bereits bestehenden, im städtischen Eigentum befindlichen und verkehrlich sehr gut angebundenen Standort, der für andere Nutzungen und Investoren problematisch ist: fehlendes Baurecht, geringer Autobahnabstand, Sanierungsaufwand im Bestand auch bei anderen Nutzungen versus Abbruch und Neubau auf verkleinertem Baufeld
- Kein „Tauziehen der Stadtteile“ um einen neuen Rathaus-Standort
Bittner betonte dabei, dass gerade bei der aktuellen Hitzewelle die Arbeitsplätze in den oberen Stockwerken des über 50 Jahre alten Rathausgebäudes nicht nur nicht schön, sondern arbeitsrechtlich schlichtweg unzumutbar seien. Auch berichtete er, dass er immer wieder Anfragen von Vereinen insbesondere aus dem Neheimer Raum bekomme, die auf der Suche nach Räumlichkeiten seien. Denen könne er derzeit kam helfen. Mit dem neuen Begegnungszentrum im offenen Rathaus solle sich das ändern. das jüngste Schlabberkappes-Festival habe zudem gezeigt, dass sich auch der Außenbereich gut für Veranstaltungen eigne.
Rechenzentren und Archiv ohnehin erforderlich
Bittner erwähnte auch, dass sich in der Gesamtsumme von 40 Millionen auch Projekte befänden, die ohnehin angepackt werden müssten. So die Schaffung von zwei externen Rechenzentren für die Datensicherheit oder die Unterbringung von Archiv und Arnsberger Tafel in der ehemaligen Stückgutabfertigung am Neheim-Hüstener Bahnhof.
Nach einem positiven Ratsbeschluss würde Anfang 2021 mit dem Bau begonnen.