Neheim. Der Protest hängt unübersehbar in 1A-Lage der Neheimer City im Schaufenster eines – auch nur vorübergehend – leeren Ladenlokals an der Hauptstraße. Zwei prominente Mitglieder der Evangelischen Kirchengemeinde Neheim wenden sich entschieden gegen die Neubaupläne für ein Gemeindehaus im Kirchgarten neben der Christuskirche.
Bertram Brökelmann ist Vorsitzender der Kirchenstiftung und des Finanzausschusses der Gemeinde, Ulrich Beyrodt war Vorsitzender des Bauausschusses. Beide sehen Neheims älteste Kirche, die 1862 erbaut wurde, als architektonisches Kleinod und sehen es als ihre Aufgabe, Kirche und Garten 150 Jahre später unverändert zu erhalten. Beyrodt hat in der gemeinde bereits über 170 Unterschriften gesammelt und Brökelmann, dessen Vorfahren schon bei der Gründung der Gemeinde und dem Bau der Kirche aktiv waren, ist bereit, dafür auch ins eigene Portemonnaie zu greifen. Zusammen mit einem Unternehmerkollegen, der nicht genannt sein will, hat er die verbindliche Zusage gegeben, die kommenden zehn Jahre die Energiekosten für das Gemeindehaus am Fresekenweg zu tragen. Immerhin handelt es sich um eine Summe von über 100.000 Euro. „Durch diesen Finanzierungsgedanken lösen sich viele Probleme zum weiteren Wohlbefinden der Gemeinde und Nachbarn auf. Die hohen Energiekosten des bestehenden Gemeindehauses, die Grund für eine Neuplanung waren, entfallen,“ schreiben Brökelmann und Beyrodt in ihrer „Mitteilung“ und zählen die fünf Vorteile ihres Vorschlags, auf den Neubau zu verzichten, auf:
- Mehr als 100.000 Euro neue Gemeindeschulden und zukünftige Tilgungen bleiben allen Gemeindemitgliedern erspart. Mehr Kirchensteuern und Spendengelder fließen an Bedürftige.
- Unser gutes Gemeindehaus wird gemäß der neuen kirchlichen Bescheidenheit, die auch für die evangelische Kirchenverwaltung gilt, sparsam renoviert.
- Pfarrer und Presbyterium können sich auf ihre eigentlichen kirchlichen Aufgaben konzentrieren.
- Denkmalschutzprozesse zum Schutz der Christuskirche entfallen.
- Die teure Holzwurmsanierung der Christuskirche bekommt Vorrang.
Brökelmann hat in dem Ladenlokal am Neheimer Markt auch die Neubaupläne ausgehängt und dabei ebenso unmissverständlich wie unübersehbar deutlich gemacht, was ihm der größte Dorn im Auge ist. So oft wie nur möglich zeigen Pfeile auf den „Dr. Arnoldi-Durchgang“. Gemeint ist der gläserne Verbindungsweg, der vom moderner Neubau durch einen Mauerdurchbruch im historischen Kirchenschiff direkt auf den Bereich vor dem Altar zuführt, wo die jetzt dort stehenden Kirchenbänke keinen Platz mehr hätten. Damit, so empört sich Brökelmann, werde der Altarraum direkt mit der Anrichte der neuen Küche verbunden.
Brökelmann wird seine „Thesen“ auch am Sonntag, 24. November in der Gemeindeversammlung vortragen, die um 15 Uhr im Gemeindehaus am Fresekenweg beginnt. Er hofft auf eine Lösung der kirchlichen Sparsamkeit, die den Gemeinde- und Nachbarschaftsfrieden ebenso erhält wie die Christuskirche mit ihrem Kirchgarten. Denn auch unter der Nachbarschaft in Neheims Altstadt rund um den Gransauplatz, wo die meisten Bürgern in denkmalgeschützten Häusern wohnen, stößt das Neubauprojekt der Kirchengemeinde auf Unverständnis und Kritik. Dezidiert hat sich Jägeroberst Klaus Humpe geäußert. Ihm erscheine es als sehr gewagtes Vorhaben, „ein scheunentorgroßes Loch in die Außenwand einer denkmalgeschützten historischen Kirche zu schnippeln“. Er selbst sei zwar nicht Mitglied der Evangelischen Kirchengemeinde, sagt Humpe, doch er spreche in Abstimmung mit seinen Vorstandskollegen für den Verein, dessen Gründerväter einst auch die Erbauer der Christuskirche waren. Außerdem sei der Jägerverein mit dem Haus der Jäger in der Alten Synagoge selbst Eigentümer eines denkmalgeschützten ehemaligen Gotteshauses in unmittelbarer Nähe zum Gransauplatz und käme selbst sicher nicht auf die Idee, so massiv in die Bausubstanz einzugreifen. Zudem, so Humpe weiter, habe sich der Jägerverein in seiner Satzung dem Erhalt kulturhistorischer Baudenkmäler in Neheim verpflichtet und demgemäß Pflegepartnerschaften für den alten jüdischen Friedhof oder das Heiligenhäuschen an der Werler Straße übernommen. 2009 hatte der Jägerverein dem Ensemble der Chriustuskirche zudem seinen vierten Jägerstern verliehen.
Sichtbare Zeichen des Protests gegen den Gemeindehaus-Neubau, für den Baukosten von rund einer halben Million Euro bei gegengerechnetem Verkaufserlös von etwa 400.000 Euro für das alte Gemeindehaus im Raume stehen, sind auch das am Wochenende mitten im Kirchgarten gepflanzte „Luther-Apfelbäumchen“ und ein unübersehbarer Schriftzug „Hände weg vom Neheimer Kulturgut“ an einem Nachbargiebel. Im Neheimer Tagesgespräch wird angesichts der Pläne der Evangelischen Kirchengemeinde immer häufiger auch der Vergleich mit dem Limburger Bischof herangezogen. Die kurze Verbindung zwischen der Küche des Gemeindezentrums und dem Altar in der Kirche führt zu despektierlichen Fragen, etwa, ob die Gemeinde nun Tieropfer plane oder ob da einer am Altar eine Tasse Kaffee trinken wolle. Ernsthaftere Kritiker bemängeln neben der Bausünde die Instinktlosigkeit, die vorderen Sitzreihen zu opfern und so in den heutigen schwierigen Zeiten die Distanz zwischen den Gläubigen und dem Altar oder der Kanzel noch zu vergrößern.
Pfarrer Dr. Udo Arnoldi hat eine Stellungnahme nach der Presbyteriumssitzung am Donnerstagabend angekündigt. Die Kritiker seiner Pläne erhoffen dann auch Klarheit über die Tagesordnung der Gemeindeversammlung am Sonntag. Denn die ist ihnen bisher nicht bekannt.