Arnsberg. Die „Neuen Nachbarn Arnsberg“, die Selbsthilfeorganisation der in Arnsberg lebenden Flüchtlinge, ist von der Stiftung Westfalen-Initiative mit dem mit 10.000 Euro dotierten Sonderpreis „Westfalen bewegt“ ausgezeichnet worden. Die Neuen Nachbarn seien für ihn gefühlt schon längst alte Nachbarn, aber jetzt seien sie auch waschechte Westfalen, sagte Bürgermeister Hans-Josef Vogel bei der Überreichung der Urkunde im Rathaus. Der Müscheder Unternehmer Carlo Cronenberg rief den zahlreichen Flüchtlingen, die zu der kleinen Feierstunde gekommen waren, zu: „Wir brauchen Euch!“
„Ein herausragendes Beispiel“
Flüchtlingshilfe durch die Hilfe von Flüchtlingen – das Konzept von Neue Nachbarn Arnsberg sei vielleicht auch deshalb so erfolgreich, weil der Grundgedanke ganz einfach sei, so Dr. Karl-Heinrich Sümmermann, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Westfalen-Initiative, in seiner Laudatio. „Niemand weiß besser, wie Flüchtlinge sich fühlen, welche Sorgen und Hoffnungen sie haben, als diejenigen, die selbst Vertreibung und Flucht erlebt haben. Die Ehrenamtlichen übernehmen eine Brückenfunktion. Die Leistung ist umso bemerkenswerter, weil die Initiative zur Gründung von Flüchtlingen ausgegangen ist.“ Die Jury-Entscheidung, den im diesjährigen Wettbewerb „Westfalen bewegt“ erstmals vergebenen „Sonderpreis Flüchtlingshilfe“ nach Arnsberg zu vergeben, sei ganz eindeutig gewesen, sagte Sümmermann und fügte hinzu, dass die Arnsberger und ihr unkonventioneller Bürgermeister ihrem immer schon ausgezeichneten bürgerschaftlichen Engagement ein weiteres herausragendes Beispiel hinzugefügt hätten.
Flüchtlingshilfe gelingt durch Hilfe von Flüchtlingen
„Von der Initiative ‚Neue Nachbarn Arnsberg´, die sich nach den Terroranschlägen von Paris vor einem Jahr als ehrenamtliche Selbstorganisation und bürgerschaftlicher Partner der Stadtverwaltung gegründet hat, profitieren alle Beteiligten und unsere Stadt“, ergänzt Bürgermeister Hans-Josef Vogel. Die Flüchtlinge helfen sich selbst und Mitflüchtlingen, sich schneller einzuleben, die deutsche Sprache zu lernen, die Stadt zu verstehen, sich beruflich zu orientieren, einzubringen und ihre Leistungen besser einbringen zu können. Bürgermeister Hans-Josef Vogel sagt auch: „Co-Planung und Co-Produktion ermöglichen uns als Verwaltung passgenaue Unterstützungsangebote und Leistungen. Sie sind zudem gelebte Integration von Anfang an.“
Gute Erinnerung bei Firma Cronenberg
Das Konzept, dass Menschen, die erst kurz bei uns sind, Verantwortung für das Gemeinwesen übernehmen, hat auch die Firma Julius Cronenberg oH in Müschede überzeugt. Sie hat sich deshalb an der Auszeichnung beteiligt. Unternehmer Carlo Cronenberg erzählte die Geschichte von dem jungen ungarischen Ingenieur, den sein Großvater vor 60 Jahren einstellte, als er aus seiner Heimat hatte fliehen müssen. Dieser Flüchtling habe in den folgenden 30 Jahren für die damalige Sensenfabrik viele neue Produkte entwickelt, auf die sich das Müscheder Werk bis heute stützen könne.
„Wir wollen etwas zurückgeben!“
Aus Sicht von Zaynab Danko und Nour Khayata, die den Preis von Sümmermann entgegennahmen, ist das Engagement der Flüchtlinge zunächst ein Zeichen des Dankes. „Wir wollen etwas zurückgeben an die Menschen, die uns in ihrem Land willkommen geheißen und uns ihre Türen geöffnet haben“, so die beiden Frauen. Es gehe darum, etwas für die Menschen in der Stadt und die neu ankommenden Flüchtlinge zu tun. „Wir haben die Initiative ‚Neue Nachbarn Arnsberg´ gegründet, um gemeinsam eine gute und lebendige Nachbarschaft zu entwickeln.“
Büro im Rathaus, Flyer und Neubürgertage
Erfolgreich ist das Konzept auch, weil es auf eine Kooperation mit der Stadtverwaltung setzt. Sie hat unter anderem einen Büroraum mit technischer Ausstattung, Telefon- und Internetanschluss im Rathaus zur Verfügung gestellt. Gemeinsam wurde ein Flyer für neu nach Arnsberg zugewanderte Menschen erstellt. Er informiert auf Deutsch, Englisch und Arabisch über Hilfen und Dienste zur schnelleren Eingewöhnung, zum Zusammenleben und Mitmachen in der Stadt. An zwei Neubürgertagen wurde ebenfalls gemeinsam und in den drei Sprachen viele Tipps gegeben zu Möglichkeiten der beruflichen Aus- und Weiterbildung, zu Beschäftigung und Arbeit, Sprachkursen und Freizeitangeboten. Zahlreiche berufliche Praktika und Umzüge in private Wohnungen hat die Initiative vermittelt. Kooperationen mit Sportvereinen und Kulturträgern wurden aufgebaut, Angebote für bürgerschaftliches Engagement sowie praktische Hilfestellungen im Alltag und Dolmetscherdienste bei Behördengängen und Arztbesuchen bereitgestellt.
Neue integrative Projekte
Die „Neuen Nachbarn Arnsberg“ geben sich mit dem Erreichten aber nicht zufrieden. Nach dem Auf- soll der Ausbau folgen. Die Weiterentwicklung der Organisation durch Gründung eines eingetragenen Vereins ist geplant. Das Netzwerk soll durch Einbindung weiterer Institutionen und Vereine, neuer Mitglieder und Partner erweitert werden. Und nicht zuletzt zur Initiierung neuer integrativer Projekte kommen die 10.000 Euro Preisgeld gerade recht. Die beiden Preisträgerinnen erwähnten hier insbesondere die interkulturelle Frauengruppe und die Nachhilfegruppe, damit die Kinder in der Schule mitkommen.
Mit seinem Ansatz erfüllt das Projekt alle wesentlichen Kriterien des Wettbewerbs „Westfalen bewegt“. Der war in diesem Jahr zum vierten Mal ausgeschrieben. Er richtet sich an Gruppen in Westfalen, die in nachahmenswerter Weise die Gestaltung der Zukunft selbst in die Hand nehmen und nicht allein auf staatliche oder bereits institutionalisierte Hilfe bauen. Dieses beispielhafte bürgerschaftliche Engagement fördert die Westfalen-Initiative in 2016 im Einzelfall mit bis zu 10.000 Euro. Insgesamt stehen in diesem Jahr 40.000 Euro zur Verfügung. Seit 2013 hat die WestfalenInitiative 38 Projekte mit einem Gesamtbetrag in Höhe von 207.000 Euro gefördert. Sie honoriert und unterstützt damit ganz maßgeblich den ehrenamtlichen Einsatz von Bürgern in der Region.