Arnsberg. „Warum habt ihr den Baum gefällt?“, „Was sollen die blöden Röhren dort an der Wand?“ oder „Warum sind da Lichter im Pflaster, das verstehe ich nicht?“ Viele Gäste der Stadt, aber auch Einheimische stehen immer wieder ratlos vor Kunstwerken wie Julius von Bismarcks Eichenstumpf auf dem Neumarkt, den Sphärischen Röhren an der Betonstützwand zwischen Autobahn und Rathaus in Neheim oder Santiago Sierras Lichtpforte an der Grenze von Steinweg und Altem Markt – oder sie nehmen etwa den Blitzableiter auf der Vogelwiese überhaupt nicht als Kunstwerk wahr. Für andere sind solche Beispiele moderner Konzeptkunst im öffentlichen Raum dagegen sogar eine Reise wert. Für beide Seiten hat die junge Arnsberger Firma fre.j.man GmbH jetzt in Zusammenarbeit mit dem Kulturbüro eine Kunsttour-App entwickelt, die die Attraktionen der 2016 eingerichteten und zunächst nur mit einem klassischen Flyer präsentierten Kunsttour jetzt auch multimedial vorstellt.
„Kunsttour Arnsberg“ wird digital
„Ziel dieser App ist es, verborgene Schätze und künstlerische Akzente unserer Zeit für Besucher, Gäste, Touristen, aber auch den interessierten ArnsbergerInnen sichtbar und multimedial erfahrbar zu machen. Arnsberg als kulturelles Zentrum der Region wächst digital weiter zusammen“, so Kirsten Minkel, Leiterin des städtischen Kulturbüros. Kleine BlueTooth-Sender leiten Smartphonebesitzer eigenständig zu den einzelnen Stationen der Arnsberger Kunsttour – stadtteilübergreifend, denn neben dem Schwerpunkt in Alt-Arnsberg werden auch Werke in Neheim und Hüsten präsentiert. Die App steht ab sofort und kostenlos zur freien Verfügung – für Android ebenso wie für Apple.
Mit geschlossenen Augen oder auch in Amerika
Arnsberg wird zur ersten Stadt in NRW, die diese digitale Kunstvermittlung für Kunstinstallationen im öffentlichen Raum bietet. Der digitale Wegweiser liefert Hintergrundinformationen über Intention und Entstehungsgeschichte der ortsgebundenen zeitgenössischen Kunstwerke. Die humorvollen und leicht verständlichen Texte haben Kirsten Minkel und Kathrin Ueberholz vom Kulturbüro sowie Juliane Rogge und Vlado Velkov vom Kunstverein verfasst. Auch mit geschlossenen Augen kann man mit der App die Arnsberger Kunsttour genießen. Die gesprochene Version ist professionell mit zwei Schauspielern aufgenommen worden. Kleine Filme, vielfach mit Hilfe von Drohnen aufgenommen, vermitteln neuartige Sichtweisen auf die Kunstobjekte und erlauben auch wetter- und ortsunabhängige Besuche der Kunsttour zu jeder Zeit und von jedem Ort weltweit. Durch einen 360°-Blick kann man sich die Installationen unabhängig von aktuellen Tages- und Lichtverhältnissen und aus Positionen, in die man sonst nicht kommt, anschauen. Insbesondere die „Sphärischen Röhren“ und die „Lichtpforte“ wirken so ganz anders und besonders eindrucksvoll. „Die Arnsberger Kunsttour wird so zumindest digital ein Stück weit barrierefrei und setzt moderne Akzente in der Kunstvermittlung“, so Kathrin Ueberholz.
Umsetzung durch Arnsberger Startup
Umgesetzt wurde die App von der in Arnsberg ansässigen fre.j.man GmbH. Ingo Männer und Andreas Jansen, beide ehemals Schüler des SUG, haben das junge Startup-Unternehmen 2016 mit einem Partner aus Hannover gegründet und sich auf die Produktion von Digital Content spezialisiert – Filme, Web-Kampagnen und auch multimediale Konzepte für Museen. Fre.j.man ist Mitglied im digitalen Forum Arnsberg und steckt hinter der Initiative „HomebaseSauerland“, die seit 2011 die Region bewirbt. „Für uns war das Projekt eine echte Herzensangelegenheit, mit der wir auf besondere Highlights unserer Heimatstadt aufmerksam machen können“, so Geschäftsführer Ingo Männer. Kollege Andreas Jansen sieht in dem modernen Mediamix aber auch eine Art Rache an der Schulzeit. Man wolle zeigen, dass eben nicht alles in Buchform geklatscht werden müsse. Sie wollen auch weiter an der App arbeiten, denn die sei nie fertig. So soll als nächstes eine Navigationsfunktion integriert werden.
Vogel: „In bestimmten Bereichen mitspielen“
Bürgermeister Hans-Josef Vogel freut sich gleich dreifach. Dass ein Arnsberger Startup die Idee gehabt und realisiert habe, sei ein Zeichen für die starke digitale Wirtschaft der Stadt. Zudem sei die App einfach ein Mehrwert für die Stadt, gerade bei den Kunstwerken, die nicht immer gleich verstanden würden. Und schließlich fördere die App die Fähigkeit, in unterschiedlichen Medien zu Hause zu sein, eine Qualifikation, die in Zukunft immer gefragter sein werde. Vogel äußerte auch den Wunsch, möglichst bald eine ähnliche App für die wichtigsten historischen Gebäude der Stadt anbieten zu können. An den jungen Entwicklern sollte es nicht liegen, da könnte eher die Finanzierung schwierig werden. Das Pilotprojekt konnte noch recht günstig aus Kunstsommer-Mitteln finanziert werden. Wenn gespart werden müsse, seien viele Leute der Meinung, man solle bei der Kultur anfangen, sagte der Bürgermeister. Aber eine Stadt wie Arnsberg brauche auch solche Angebote, um in bestimmten Bereichen mitspielen zu können.