Arnsberg. Es war ein ungewöhnlicher Projekttag am Gymnasium Laurentianum in Arnsberg für die Jahrgangsstufe Q2 – Abitur-Jahrgang – mit 102 Jugendlichen im Alter von 17 und 18 Jahren: Ein multimediales und gesellschaftliches Projekt in den Unterrichtsfächern Biologie und Sozialwissenschaften. Im Mittelpunkt steht die Demenzform „Morbus Alzheimer“, ein Fokusthema im Zentral-Abitur dieses Jahres.
Jahrgangsübergreifender Projekttag
Der Projekttag greift Inhalte der Lehrpläne der Sekundarstufe II auf. So sollen Schülerinnen und Schüler kursübergreifend das Thema aus verschiedenen Perspektiven diskutieren. Der Projekttag ist eine Schulung der Eigenverantwortlichkeit, um die Ursachen und gesellschaftlichen Auswirkungen der Erkrankung „Morbus Alzheimer“ zu verstehen. Die zur Verfügung gestellten Unterrichtsmaterialien der Initiative „Du denkst Zukunft!“ basieren auf einem hohen wissenschaftlichen Niveau, das die Schüler selbständig zu bewältigen haben. Die Organisation und Koordination des Projekttages in Arnsberg lag in den Händen von Nina Gregori – Lehrerin für die Fächer Biologie und Deutsch. Sie ist gleichzeitig Koordinatorin für Studien- und Berufsorientierung und MINT-Beauftragte des Gymnasiums.
Bei 17- und 18-Jährigen „platzte Knoten“
„Die gesellschaftliche Relevanz und Empathie zu diesem Thema erschloss sich bei den jungen Menschen im Laufe des Vormittags. Bei einigen ´platzte der Knoten‚, je tiefer und facettenreicher sie in das Thema eintauchten. Sie fanden ihre eigenen Antworten auf die Fragen, warum sie sich überhaupt mit dieser Erkrankung und den Auswirkung auf die Gesellschaft befassen sollten, obwohl sie doch erst 17 oder 18 Jahre alt sind. Sie diskutierten kontrovers über die Würde des Menschen, ihre Unantastbarkeit, ihr Menschenbild, ihre Werte und Haltungen gegenüber den Schwächsten in der Gesellschaft, zu denen auch Menschen mit Demenz und Alzheimer gehören“, resümierte Nina Gregori.
Klare Haltung gezeigt
„Das Gymnasium hat mit diesem verpflichtenden Projekttag für den gesamten Abitur-Jahrgang eine klare Haltung gezeigt, dass die drängende, gesellschaftspolitische Herausforderungen in den Fokus rückt und mit den jungen Menschen diskutiert. Viele Jugendliche haben bisher keine persönlichen Berührungen in der Familie oder im sozialen Umfeld mit dem Thema Demenz und Alzheimer. Zu Anfang des Tages schien es ihnen noch sehr fremd zu sein, weit weg von der eigenen Lebenswelt. Deshalb waren die kritischen und irritierenden Fragen ‚Was hat das mit mir zu tun?‘ oder ‚Warum muss ich das jetzt machen?‘ nachzuvollziehen“, sagte Marita Gerwin, die den Projekttag aus der Fachstelle „Zukunft Alter Arnsberg“ heraus extern begleitet hat. Wegschauen oder Hinschauen? Verständnis oder Ignoranz? Spannende Ansätze zum Handeln erarbeiteten die Schüler in ihren Workshops. Dabei wechselten sie durchaus ihre Perspektive und schlüpften gedanklich in die reale Lebenswelt eines Alzheimer Erkrankten.
Verantwortung für das eigene Leben
„Wir werden zukünftig unsere Gesellschaft gestalten, Verantwortung in Familie, Beruf, Politik und Gesellschaft übernehmen. Es wird von unserer Sozialkompetenz abhängen, wie wir handeln und entscheiden“, sagte einer der Schüler überzeugend. „Im Moment ist es uns wichtig, dass es uns selbst gut geht. Uns interessiert noch nicht, was in 20, 30, 40 Jahren ist. Aber ich habe heute gelernt, dass ich eine Verantwortung trage, für mein eigenes Leben, für ein gesundes Älterwerden, für meine Zukunft und die Gesellschaft, in der wir leben werden. Wir werden wahrscheinlich über 90 Jahre alt werden und dann erwischt die Krankheit wahrscheinlich jeden dritten von uns. Wenn ich der Dritte bin, möchte ich nicht aus der Gesellschaft heraus purzeln oder erleben, dass die Menschen Angst vor mir haben, wegschauen und mich ausgrenzen. Also müssen wir heute die Weichen dafür stellen, dass mir das gelingt“, sagte ein weiterer Schüler.
Naturwissenschaft und gesellschaftliche Herausforderung
„Es hat mich gefreut, dass nicht nur das biologische, naturwissenschaftliche Wissen über die Alzheimer-Erkrankung beim Projekttag im Vordergrund steht, sondern die gesellschaftliche Herausforderung Gegenstand der Gespräche in den Workshops war“, sagte Marita Gerwin. „Neben der Familie müssen auch unsere sozialen Unterstützungssysteme dafür sorgen, dass auf akute Sorgen und Fragen von Kindern und Jugendlichen richtig reagiert wird. Ich wünsche mir, das Projekttage wie diese „Schule machen“. Sie sind übertragbar in alle Schulformen. Die Aufklärung muss jedoch altersgerecht sein. Dazu gibt es heute bereits praxistaugliche „Werkzeugkoffer“ für alle Altersgruppen. Angefangen von der Spielmodulreihe für Kitas KiDzeln – Kindern Demenz erklären bis hin zu dem multimedialen Projekttag Du denkst Zukunft! für den Sekundarstufe II-Bereich“, ergänzt Martin Polenz, Fachstelle Zukunft Alter in Arnsberg.
„Heute denken, was morgen wichtig ist“
„Über die Online-Plattform www.dudenkstzukunft.de erhalten Lehrerinnen und Lehrer ein Konzept zur Durchführung des Projekttages über sechs Schulstunden, sowie klar strukturiertes Unterrichtsmaterial, mit dem die Schüler wunderbar selbständig arbeiten können“, ergänzt Nina Gregori. “Für mich als Lehrerin war es beeindruckend zu erleben, wie sichtbar einige der Schüler ihre Maske fallen ließen und sich auf das Thema einließen. Die Präsentationsergebnisse am Ende des Tages haben mich sehr beeindruckt. Kompliment an die Jugendlichen. Ich bin sicher, sie haben nicht nur für ihr Abitur eine Menge gelernt, sondern für Ihr Leben etwas mitgenommen, das ihre Werte und Haltungen prägt. Es war durchaus ein Perspektivwechsel: Heute denken, was morgen wichtig ist!“