Arnsberg. Neben dem Bummel über den Weihnachtsmarkt, der am Freitag eröffnet, und durch die Geschäfte lädt Arnsberg jetzt auch zu einem kleinen Kulturbummel ein. Drei leerstehenden Ladenlokale wandeln sich für zwölf Tage zu spannenden Projektionsräume, die sich durch einen kleinen Spaziergang in der Altstadt verbinden lassen. Das Kulturbüro hat mit Anina Brisolla, Esper Postma und Anna Steinert drei junge Künstler und Filmemacher aus Berlin eingeladen, ihre Werke jenseits von exklusiven Kino- und Kunsträumen quasi auf der Straße zu zeigen. Die „Lichtspiele Arnsberg 2018“ laufen in einem ehemaligen Reisebüro, einer gekachelten alten Metzgerei und in einem früheren Computerladen.
Projekt „Stadtbesetzung“
Die „Lichtspiele Arnsberg 2018“ sind exklusiver Teil der „Stadtbesetzung“, eines Förderprojekts des Kultursekretariats Gütersloh. Arnsberg bildet hier den Jahresabschluss einer Veranstaltungsreihe, an der bereits einige NRW-Städte teilgenommen haben. „Wir sind bewusst in die Zeit parallel zum Weihnachtsmarkt und in leerstehende Ladenlokale gegangen“, sagt Kathrin Ueberholz vom Kulturbüro, denn so solle in der dunklen Jahreszeit ein wenig mehr Licht in der Stadt erstrahlen. Arnsberg trage aber auch zum Dialog und zur kulturellen Bildung bei, indem es leerstehende Schaufenster zur Kinoleinwand und zum Kunstort mache und Filme junger Künstler an drei unerwarteten Orten zeige.
Auch Leerstand wird ausgestellt
„Die Filmreihe zeigt aber nicht nur Kunstwerke im Leerstand: Der Leerstand selbst wird ausgestellt, denn gleichzeitig sollen die leeren Räume zu neuem Leben erweckt werden. Künstlerische Auseinandersetzung kann alltägliche Gegebenheiten offenlegen, verändern und im öffentlichen Diskurs Impulse setzen“, sagt Kunsthistorikerin Kathrin Brandt, die das Ausstellungsprojekt kuratiert hat.
Angestrebt wird vor allem auch die Sensibilisierung von Jugendlichen für die künstlerische Filmpraxis jenseits von Youtube und Mainstream-Medien. „Die Kunstvermittlung findet durch junge Menschen vor Ort statt, um gezielt die Jugend mit einzubeziehen. Ein Wissenstransfer innerhalb der peer group gehört mit zum Vermittlungs-Konzept. Eine junge Vermittlungsmethode um gemeinsam das kreative Potenzial des Mediums auch vor Ort in Arnsberg zum Entfalten zu bringen“, so Brandt.
20-minütiger Spaziergang
Die drei Ausstellungsorte am Steinweg 2 und 10 und an der Jägerstraße 29, die sich durch einen maximal 20-minütigen Spaziergang verbinden lassen, sind von Mittwoch, 28. November bis Sonntag, 9. Dezember jeweils von 17 bis 19.30 Uhr geöffnet. Überall sind dann Arnsberger Schüler und Studenten vor Ort, die die Besucher empfangen und ihnen die Kunst vermitteln. Die Videos, die in Endlosschleife laufen, sind zwischen vier und 14 Minuten lang. Zur Eröffnung wird es am Mittwoch, 28. November einen Rundgang zu allen drei Ausstellungsorten geben, bei dem auch die Künstler persönlich anwesend sind. Start ist um 17 Uhr im Ladenlokal Steinweg 2.
„Space Mining“
Im einstigen Reisebüro am Steinweg 2 zeigt Anina Brisolla ihre Installation „Space Mining“, übersetzt „Asteroiden-Bergbau“. Der 42-Jährigen geht es um die Frage, ob man privaten Firmen die Ausbeutung der Himmelskörper überlassen soll, wie es die USA im „Space Mining Act“ festgelegt hat, oder ob der Weltraum allen gehört. Sie zieht Parallelen zum amerikanischen Goldrausch und zitiert einen Erich von Strohheim-Film von 1924 zum Thema Gier. „Ein ganz aktuelles Thema angesichts der Landung auf dem Mars“, so Kathrin Ueberholz.
“Por Algo Será”
Der Niederländer Esper Postma hat für sein Projekt “Por Algo Será” die argentinische Schauspielerin Paula Lima gebeten, eine Filmszene ihrer eigenen Kindheitserinnerungen aus der Zeit der Militärdiktatur zu inszenieren, die Verhaftung ihrer Mutter durch die Militärpolizei. Das Ergebnis demonstriert in einer Videoinstallation die Konfrontation Paula Limas mit der eigentlich Unausdrückbarkeit ihres Trauma in zwei parallel laufenden Projektionen: Die rechte Projektion zeigt die Darsteller, die versuchen, den Regieanweisungen Limas nach dem Drehbuch zu folgen. Der linke Bildschirm zeigt Paula Limas Ringen bei dem Versuch, die erlebten Ereignisse in Übereinstimmung mit der Wahrheit ihrer eigenen Erfahrungen und Erinnerungen zu rekonstruieren. „Sehr spannend, denn das zeigt, das Geschichtsschreibung immer subjektiv ist“, so Kathrin Ueberholz.
„Besuch einer Ausstellung“
Mit ihrem surreal anmutender Masken-Film „Besuch einer Ausstellung“ stellt sich Anna Steinert die Frage nach einem anderen Umgang mit Gesichtern als „dem des Rauf und Runter und des Wegwischens auf Bildschirmen“. „Die Einheitsgesichter, die omnipräsent reproduziert werden, wecken in mir den Verdacht, dass eine Art von Maskierung der Gesellschaft betrieben wird, die auf das Gehorchen einer Konsumdiktatur ausgerichtet ist. Ich möchte mich diesem Geist nicht unterordnen und mich mit meiner Kunst einer Gesichtserforschung anderer Art begeben, die etwas zutiefst Menschliches hat“, sagt die 35-Jährige, die derzeit in Los Angeles weilt.