Sundern. Der Bürgermeister richtet immer größeren Schaden an, nicht nur beim Ferienpark. Er führt die Stadt chaotisch und eigenmächtig in der Coronakrise und behauptet Unwahrheiten, zu Lasten der Bürger. FDP und Linke fordern deshalb eine Sondersitzung des Rats. Worauf wartet die CDU? Ein Kommentar von Ludwig Greven.
Die Liste der Versäumnisse und Fehlentscheidungen von Ralph Brodel ist lang, seit er 2015 zum ersten SPD-Bürgermeister von Sundern gewählt wurde. Und sie wird jeden Tag länger. Es fällt schwer, noch den Überblick zu behalten. Aber die jüngsten Entwicklungen sind so gravierend, vor allem in dieser schweren Krise, die alle Bürger betrifft, dass sie in anderen Gemeinden längst zu einem Amtsenthebungsverfahren geführt hätten.
Unrechtmäßige Vergütungen im Rathaus
Ein stichwortartiger Überblick, ohne Anspruch auf Vollständigkeit:
- Brodel hat die Erste Beigeordnete solange gemobbt und sie wie die Kämmerin faktisch kaltgestellt, bis Frau Grothe entnervt und unter Verzicht auf ihre Pensionsansprüche hingeschmissen hat, nachdem er schon zu Beginn seiner Amtszeit den damaligen SPD-Beigeordneten Meinolf Kühn aus dem Amt gedrängt hatte. Konsequenterweise existiert die Leitungsrunde in der Verwaltung nun nicht mehr. Mit wem sollte er sich da auch noch beraten?
- Die vom Rat beschlossenen Zahlungen an die Stadtmarketing-Gesellschaft für 2019 und 2020 wurde von der Verwaltung solange hinausgezögert, bis die Genossenschaft erneut vor der Pleite stand und ihre Geschäftsführerin ebenfalls ihren Posten aufgab, ebenso wie Tim Hoffmann von der CDU als Vorstand. Die SMS ist nun praktisch führungslos. Eine Neuorganisation aller städtischen Gesellschaften hat Brodel zwar mehrfach angekündigt, sie wurde aber bis heute nicht in Angriff genommen.
- Die Kämmerin Ulla Schnelle sah sich genötigt, die Fraktionsführungen am 22. April zu unterrichten, dass der Bürgermeister eine Pressemitteilung von ihr in unzulässiger Weise „eindeutig um falsche Angaben zu Lasten der Stadt Sundern und der Betroffenen ergänzt“ hat, dass Bürger wegen der Coronakrise Steuern an die Stadt ohne Zinsen stunden lassen könnten. Dabei hatte sie ihn in mehreren Mails eindringlich davor gewarnt, dass dies „absolut nicht der Fall“ sei, solange es keine verbindlichen Aussagen zur Finanzierbarkeit gebe. „Eine solche Aussage kann und darf zum jetzigen Zeitpunkt so nicht erfolgen (wird im Übrigen auch von vielen anderen Kommunen nicht anders gehandhabt) und vermittelt den Bürgerinnen und Bürgern ein absolut falsches Bild. Diese nicht richtige Angabe wird zu endlosen Diskussionen der Betroffenen mit unserem Forderungsmanagement führen und ist weder für die Betroffenen eine Hilfe noch in der aktuellen Situation vom zusätzlichen Aufwand für den Bereich vertretbar“, schrieb sie. Brodels lapidare Antwort: „Danke für den Hinweis. Wie Sie aber gesehen haben, ist die gestrige PM nur entsprechend erweitert worden.“
- Ferner unterrichtete Frau Schnelle die Ratsmitglieder in einem Brief vom 4. Mai (hier als PDF-Dokument), dass es bei einigen Stellen in der Verwaltung falsche Stellenbeschreibungen und Stellenbewertungen gebe, sodass es zu fehlerhaften Eingruppierungen und unrechtmäßigen Vergütungen gekommen sei. Brodel antwortete darauf am Donnerstag, sie habe das Schreiben ohne sein Wissen verschickt. Er habe den Landrat aufgefordert, „eine entsprechende Untersuchung einzuleiten“ – ob gegen sie oder wegen der falschen Eingruppierung ließ er offen. Alle betroffenen Fachbereichs- und Abteilungsleiter würden um eine Stellungnahme gebeten. Das Ergebnis werde er dem Haushalts- und Finanzausschuss vorlegen. CDU und Linken-Ratsmitglied Siegfried Huff reicht das jedoch nicht, sie fordern eine externe Prüfung der Vorwürfe.
- Das Oberverwaltungsgericht NRW hat entschieden, dass der Teilflächennutzungsplan „Windenergie“ der Stadt nicht umsetzbar und deshalb unwirksam ist. Ein Unternehmen, dass mehrere Windanlagen außerhalb der ausgewiesenen Zonen zwischen Amecke und Allendorf vom Kreis errichten will, kann nun auf Genehmigung durch den Kreis hoffen – gegen Widerstand der Anwohner und den erklärten Willen der Stadt, eine Verspargelung der Lanschaft zu vermeiden.
Das Gravierendste sind jedoch die erneuten Vorgänge um die geplante Feriensiedlung in Amecke. Nachdem der Rat am 9. April in einer Sondersitzung den Bebauungsplan nach jahrelanger Untätigkeit von Brodel endlich aufgeboben und eine Veränderungssperre erlassen hatte, wurden die Beschlüsse erst mit zwölftägiger Verzögerung am 21. April auf der Onlineseite der Stadt veröffentlicht, wodurch sie Rechtskraft erlangten. Das verschaffte der Helma AG genügend Zeit, dass ihr Anwalt Ulf Freiherr von Danckelmann am 17. April persönlich eine Bauvoranfrage bei der Verwaltung abgeben konnte – auf Grundlage des zu diesem Zeitpunkt immer noch gültigen Bebauungsplans. Erst vier Tage später stellte der Leiter des Planungsamts, Lars Ohlig, die Ratsbeschlüsse online, denen Bürgerproteste und eine turbulente Ratssitzung vorausgegangen waren.
Große Eilbedürftigekeit
Ohlig rechtfertigt die Verzögerung damit, dass nach der Sondersitzung an Gründonnerstag Ostern gewesen sei, was wegen der Terminierung nicht überraschend kam, und er danach drei Tage hätten warten müssen, ob Brodel Einspruch gegen die Beschlüsse einlegte. Der hatte sich jedoch ja selbst für die Aufhebung des seit Jahren umstrittenen Bebauungsplans und eine wesentlich kleinere Feriensiedlung ausgesprochen. Deshalb hätte Ohlig die Beschlüsse noch am Abend der Sitzung online stellen können, ja: müssen, da bekannt war, dass große Eilbedürftigekeit bestand, weil Helma keinen Zweifel daran lässt, dass das Unternehmen zügig 350 Ferienwohnungen bauen will, soviele, wie der Bebauungsplan erlaubte.
Nun schrieb Danckelmann an Brodel in einem Fax vom 6. Mai auch noch, dass unzählige Versuche von ihm und des Geschäftsführers der Helma Frienimmobilien GmbH, Dietrich Landmann, mit ihm in Kontakt zu treten, in den vergangenen Monaten gescheitert seien. Und er überführt ihn erneut der Lüge: „Ihre Behauptung, Sie selbst und die Stadt Sundern wären von dem Verkauf des Geländes völlig überrascht worden, ist absolut unzutreffend“, schreibt er. Bereits am 13. November habe er ihn in einer Mail über den bevorstehenden Verkauf informiert. Am 8. Dezember habe der Notar die Stadt über den Abschluss des ersten Kaufvertrags informiert und beantragt, auf das städtische Vorkaufsrecht zu verzichten. Auch Brodels Behauptung, die Kölner Anwaltskanzlei des Verkäufers Joosten sei von dem Verkauf ebenfalls überrascht worden, sei falsch, da er von einem der dortigen Anwälte über den Stand des Klageverfahrens zu den Erschließungsgebühren informiert worden sie. Außerdem wäre eine solche Aussage „ein Verstoß gegen die anwaltliche Schweigepflicht“.
Helma AG lädt Brodel aus
Helma will wegen all dem nicht mit Brodel über ihre Pläne reden, wie er großspurig angekündigt hatte. Stattdessen wird sie sich nach Aussage des Anwalts an die Kommunalaufsicht der Bezirksregierung wenden, da die Stadt auf die Bauvoranfrage bis heute nicht geantwortet habe, obwohl sie dazu rechtlich verpflichtet sei, zumal Brodel bereits am 20. April die Ablehnung per Pressemitteilung verkündet und Bauamtsleiter Schäfer zwei Tage später den Stadtentwicklungsausschuss SUI darüber informiert hatte.
Die Frage bleibt daher, wie der Bürgermeister jetzt noch den Ratsbeschluss und den Willen viele Bürger umsetzen will, die Feriensiedlung in der von Helma geplanten Größe zu verhindern. Denn aufgrund der verspäteten Veröffentlichung der Ratsbeschlüsse könnte Helma Chancen haben, vor Gericht die Baugenehmigung zu erzwingen, mindestestens jedoch hohen Schadenersatz einzuklagen. Aus dem Verkauf der 350 Ferienhäuser und ‑wohnungen erhofft sich das Unternehmen Einnahmen von rund 150 Millionen Euro. Das ist die Größenordnung, um die es geht. Ein Millionen-Schadenersatz würde den Gemeindehaushalt sprengen und die ohnehin verschuldete Stadt auf unabsehbare Zeit handlungsunfähig machen, wenn Brodel längst nicht mehr im Amt ist.
Nur am Rande sei erwähnt, dass die Stadt durch den voreiligen Verzicht auf das Vorkaufsrecht nun auch den stark genutzten Parkplatz am Sorpesee verliert, da Helma den Pachtvertrag erwartungsgemäß gekündigt hat. Ersatz zu schaffen auch für das neue Strandlokal wird wegen der Veränderungssperre schwierig. Die Stadt plant deshalb nun eine Tiefgarage – die am See jedoch nur mit großem Aufwand zu errichten wäre. Ein neuerliches Wolkenkuckucksheim also. Man könnte auch sagen: ein weiterer Schildbürgermeisterstreich.
Lückenlose Aufklärung
Angesichts all dessen fragt man sich, was es noch braucht, damit die Fraktionen im Rat – von der SPD-Fraktion unter Führung des Brodel-Vertrauten Michael Stechele abgesehen – endlich ein Amtsenthebungsvefahren einleiten, um weiteren Schaden von der Stadt und ihren Bürgern abzuwenden. Die FDP und Linken-Ratsmitglied Siegfried Huff fordern bereits eine Sondersitzung und verlangen von Brodel lückenlose Aufklärung der Vorwürfe der Kämmerin und des Helma-Anwalts. Aber das wird nicht reichen, da Brodel auch in der Vergangenheit immer wieder nicht oder nur ausweichend geantwortet oder die Unwahrheit gesagt hat, wie mehrfach im Zusammenhang mit dem Ferienpark. Auf jüngste geharnischte Briefe der CDU hat er ebenfalls nicht reagiert. An ihr als größter Fraktion liegt es, ob das Trauerspiel rasch ein Ende hat oder ob Brodel bis zur Wahl am 13. September noch weiteren Flurschaden hinterlassen kann.