Sundern. Der Sunderner Rat hat für das Kindergartenjahr 2017/2018 die Einführung einer innovativen neuen Beitragssatzung mit linearer Berechnung des Beitrags beschlossen. Obwohl sich alle Fraktionen einig sind, dass die lineare Beitragsberechnung gegenüber dem bisherigen Stufenbeitrag mit seinen großen Sprüngen die gerechtestmögliche Berechnung darstellt, gab es nochmals eine ausgiebige und auch kontroverse Diskussion.
OVG-Urteil bescherte Mindereinnahmen
„Unsere Finanzziele können wir so nicht erreichen“, sagte Fachbereichsleiter Werner Hustadt mit Blick auf die im Jugendhilfeausschuss mehrheitlich beschlossene Beitragsstaffel und das bei der einmütigen Haushaltsverabschiedung ausgegebene Ziel, jährlich 800.000 Euro Einnahmen aus Elternbeiträgen zu erzielen. Dass dabei eine erhebliche Lücke klafft, liegt zu einem geringeren Teil daran, dass im Fachausschuss die Einkommensgrenze, ab der eine Beitragspflicht beginnt, von 18.000 auf 24.000 Euro erhöht wurde. Weiter stärker zu Buche schlägt ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts, dass wenige Tage nach der Ausschusssitzung bekannt wurde und auch die in Sundern vorgesehene Geschwisterkindregelung für rechtswidrig erklärte. In Sundern sollte das zweite Kind in der Kindertagesbetreuung beitragsfrei sein, allerdings nur, wenn für das erste Kind auch gezahlt wird. Wenn das erste Kind im kostenlosen letzten Kindergartenjahr vor der Einschulung ist, sollten die Eltern für das zweite Kind zahlen müssen. Diese Regelung hat das OVG jetzt allerdings gekippt, was in Sundern bei 62 betroffenen Kindern rund 65.000 Euro Mindereinnahmen im Jahr ausmacht.
Erhöhung bringt etwa 40.000 Euro
Werner Kaufmann von der BüSu, der die neue Beitragsformel für Sundern entwickelt hatte, schlug einen Teilausgleich vor, der etwa 40.000 Euro bringen werde. Dazu solle der prozentuale Beitragssatz leicht erhöht werden, beim Einkommen von 24.000 Euro von 1,42 auf 1,45 Prozent, bei der Endstufe von 150.000 Euro von 4,5 auf 5 Prozent. Eine Erhöhung, die meist nur bei ein oder zwei Euro liege und bei der der Großteil des Mittelbaus immer noch weniger zahle als derzeit.
CDU spricht von Abzocke
Ein Vorschlag, der von der CDU strikt abgelehnt wurde. Es sei traurig, dass der Beschluss des Jugendhilfeausschusses mit seinen kompetenten Mitgliedern aus der Jugendarbeit jetzt umgeworfen werden solle, sagte Fraktionsvize Sebastian Booke. „Nur wegen eines Gerichtsurteils eine Erhöhung draufzuhauen, ist Abzocke. Das machen wir nicht mit!“ Die Fachdiskussion sei sicher wichtig, aber sie beiße sich mit fundamentalen Beschlüssen zum Haushalt, entgegnete SPD-Fraktionschef Michael Stechele und Toni Becker von den Grünen forderte, jetzt zur Abstimmung zu kommen.
Beobachtung und Überprüfung beschlossen
In der Abstimmung blieb die CDU mit ihrer Ablehnung alleine. Bei 19 Ja- und 16 Nein-Stimmen und vier Enthaltungen, unter anderem von der WiSu, wurde das Beitragsmodell 2 angenommen. Ergänzt wurde der Beschluss durch die Festlegung einer einjährigen Beobachtungsfrist und der Überprüfung, ob das Verhältnis zwischen den Beiträgen für 25, 35 und 45 Stunden Betreuung möglicherweise eine Gerechtigkeitslücke darstelle. Birte Hirschfeld (SPD) hatte angemerkt, dass sie das lineare Modell zwar grundsätzlich toll finde, aus ihrer Sicht bei den längeren Betreuungszeiten die Aufschläge sehr gering seien und damit die Verhältnismäßigkeit nicht gewahrt werde. Fachbereichsleiter Werner Hustadt hatte dazu erklärt, dass ein Kindergartenplatz in Sundern im Durchschnitt etwa 700 Euro Kosten im Monat verursache und dass bei längeren Betreuungszeiten natürlich deutlich höhere Personalkosten anfallen, was in einem sehr komplizierten Fachkraftstundenschlüssel berechnet werde. Es gebe Kommunen, die vor allem die 45-Stunden-Buchung sehr restriktiv behandelten, sie sehr teuer machten oder sogar einen Bedarfsnachweis von den Eltern forderten. Man könne diese Buchungen auch in Sundern teurer machen und das würde auch viel Geld bringen. Bisher habe man das nicht so gemacht, weil man das Wunschrecht der Eltern in den Vordergrund stelle und auch, weil die Kindertagesstätten immer mehr von einer Betreuungs- zu einer Bildungseinrichtung geworden seien.
Eine Antwort
Der Rat ist bei seiner Entscheidung in wesentlichen Punkten dem Jugendhilfeausschuss gefolgt: das Stufenmodell wurde durch das lineare Modell ersetzt, die untere Beitragsgrenze von 15.000 auf 24.000 €, die obere Beitragsgrenze von 85.000 auf 150.000 € angehoben, der Verzicht auf Nachforderungen bleibt bestehen. Lediglich die vorgeschlagenen Beitragshöhen mussten wegen des Urteils des OVG, das der Ausschuss noch nicht berücksichtigen konnte, leicht verändert werden – mit den oben unter Punkt 8 beschriebenen Konsequenzen. Dass der Rat die Fachkompetenz des Ausschusses übergangen habe, kann nun wirklich nicht guten Gewissens behauptet werden.
Zu den Aussagen von Herrn Booke betr. „Abzocke“ ist folgendes zu sagen:
1. Der bisherige Stufentarif , bei dem es alle 12.000 € zu einem erheblichen Beitragssprung kam, wird ersetzt durch eine lineare Steigerung – vergleichbar etwa mit dem System der Einkommenssteuern. Wer mehr verdient, kann auch prozentual mehr bezahlen. Dieser Wechsel des Systems war auch im Jugendhilfeausschuss unbestritten.
2. Bisher begann die Beitragszahlung bei 15.000 €; zukünftig erst bei 24.000 €. Damit werden gerade die wenig Verdienenden massiv entlastet.
3. Aber nicht nur die: Mit der neuen Gebührenstruktur zahlen fast alle die Eltern, deren Bruttoeinkommen unter 90.000 € im Jahr liegt, im Vergleich zum bisherigen Beitrag weniger oder zumindest nicht mehr.
4. Bisher war der Höchstbeitrag bei einem Einkommen von 86.000 € zu zahlen; in Zukunft werden die Einkommen bis 150.000 € entsprechend stärker herangezogen. Diese Gruppe muss mehr Beiträge als bisher bezahlen.
5. Mit diesen Neuregelungen wird zukünftig mehr als die Hälfte aller Kinder keine Gebühren bezahlen müssen.
6. Es wird bei der Berechnung der Beiträge zukünftig das Einkommen angesetzt, das vor zwei Jahren erzielt worden ist. Zwischenzeitliche Einkommenssteigerungen seitdem werden nicht mit einbezogen- anders als bisher wird auf Nachforderungen verzichtet. Wer aber in diesem Jahr weniger verdient als vor zwei Jahren, kann von sich aus eine Nachberechnung beantragen.
7. Der Verzicht auf automatische Nachberechnungen bedeutet, dass das zusätzliche Einkommen all der Männer und Frauen, die mit Eintritt ihres Kindes in die KiTa wieder Arbeit aufnehmen oder von Teilzeit in Vollzeit wechseln, für die ersten beiden Jahre nicht berücksichtigt wird.
8. Durch das Urteil des OVG fallen 64.000 € an Einnahmen weg, die der Jugendhilfeausschuss mit eingeplant hatte. Diese Entscheidung des OVG musste nun berücksichtigt werden. Dadurch steigen die monatlichen Beiträge im Vergleich zum Beschluss des Jugendhilfeausschusses – aber eher geringfügig. Dies macht z.B. bei einem Einkommen von 30.000 € einen Euro mehr pro Monat aus. Bei 90.000 € Einkommen sind 5 € mehr zu zahlen als der Jugendhilfeausschuss beschlossen hatte.
Wer bei diesen Zahlen ‑wie Herr Booke von der CDU- von „Abzocke“ spricht, der will bewusst die Fakten nicht erkennen. Wie man das zu bewerten hat, mag jeder selbst entscheiden.
Jürgen ter Braak, Mitglied im Jugendhilfeausschuss