Neheim. „Kein Geschäft mit der Angst“ und „Auf Augenhöhe mit dem Arzt“ steht auf den neuen Plakaten der Verbraucherzentrale zum Thema „IGeL“. Dabei geht es nicht um den putzigen Gartenbewohner, sondern um die sogenannten „Individuellen GesundheitsLeistungen“ – kostenpflichtige Extras, die der Arzt Kassenpatienten in Rechnung stellt. Ein Thema, das sehr aktuell ist, wie Marlies Albus, die Leiterin der Verbraucherzentrale Arnsberg am Neheimer Burgweg, weiß, denn inzwischen gebe es sogar ein Beschwerdeforum www.igel-aerger.de im Internet. Und ihre Botschaft für die Verbraucher ist klar: „Lassen Sie sich von ihrem Arzt nicht unter Druck setzen, fordern Sie ihr Recht auf Beratung, auf Aufklärung und auf Bedenkzeit ein.“
Neues Angebot Rechtsberatung im Gesundheitswesen
Der Igel-Ärger ist nur ein Teil der Rechtsberatung im Gesundheitswesen, die ab sofort in der Arnsberger Verbraucherzentrale angeboten wird. Auch Fragen von „Wie kann man die Krankenkasse wechseln?“ bis „Ist die Arztrechnung höher als der Kostenvoranschlag?“ werden kompetent beantwortet. Ein Angebot, das nicht alltäglich ist, wie Marlies Albus sagt. Denn bisher können dies nur 19 von 60 Verbraucherzentralen in NRW leisten. das Arnsberg nun auch zu diesem Club gehört, liegt an der Beraterin Petra Golly. Die 46-jährige Dipl.-Ökotrophologin, die bereits 2001 bis 2009 bei der Verbraucherzentrale in Arnsberg gearbeitet hat, ist nach fünf Jahren in Lippstadt nach Arnsberg zurückgekehrt und hat sich drei Jahre lang als Rechtsberaterin im Gesundheitswesen weitergebildet. In der Arnsberger Beratungsstelle, wo nicht aufgestockt wurde, sondern sich nun drei Verbraucherberaterinnen zwei Planstellen teilen, wird sie sowohl in der allgemeinen Beratung wie in ihrem Spezialgebiet tätig sein.
Krankenkassen, Patientenrechte und Abrechnungen
Petra Golly bietet Rechtsberatung bei Fragen zum Gesundheitssystem, gibt Informationen über Beitrags- und Leistungsunterschiede bei gesetzlichen Krankenkassen und hilft bei Rechtsfragen zum Verhältnis mit Ärzten und Krankenhäusern. Die rechtliche Beratung gibt Auskunft über
- Möglichkeiten zu Wahl und Wechsel der gesetzlichen Krankenkasse
- konkrete Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen
- Möglichkeiten bei Konflikten mit Arzt oder Krankenkasse.
- Kosten für Arznei- und Hilfsmittel
- allgemeine Patientenrechte
- (zahn)ärztlichen Abrechnungen und
- rechtliche Grundlagen bei individuellen Gesundheitsleistungen
Ab sofort kann die Beratung nun auch direkt in der Neheimer Beratungsstelle wahrgenommen werden und findet in der Regel nach Terminvereinbarung statt. Eine erste halbstündige Beratung kostet 9 Euro.
Juristin unterstützt bei Bedarf
Unterstützt wird Petra Golly durch eine Juristin, die in der Beratungsstelle ebenfalls Sprechstunden für rechtliche Fragen im Gesundheitsbereich anbietet und für die komplexeren Probleme zur Verfügung steht. Verbraucher können neben der Beratung auch eine außergerichtliche Rechtsvertretung in Anspruch nehmen. Beraterin oder Rechtsanwältin nehmen die Interessen des Versicherten wahr und vertreten diese – auch schriftlich – gegenüber dem Unternehmen. Die Durchsetzung ihrer Ansprüche steht dabei stets im Vordergrund. Wenn es um Fragen zur privaten Krankenversicherung geht, können Verbraucher Termine in der speziellen Versicherungsberatung mit einem unabhängigen Versicherungsberater vereinbaren.
Keine medizinische Beratung
Eine medizinische Beratung oder eine Stellungnahme zu medizinischen Verfahren kann allerdings nicht geleistet werden. „Auch wir sind medizinische Laien,“ so Petra Golly, die aber an geeignete Fachstellen verweisen kann. So gibt es etwa die Unabhängige Patientenberatung Deutschland (UPD), die sich auch dazu äußert, ob, wann und für wen IGeL-Leistungen sinnvoll sind.
Infostand zum Thema IGeL
Das Thema IGeL steht auch im Mittelpunkt einer ersten Aktionswoche der Gesundheitsberatung. Auftakt dazu ist am kommenden Samstag, 18. April 2015 ein Info-Stand auf dem Neheimer Wochenmarkt. Petra Golly und Marlies Albus informieren dort von 9 bis 12 Uhr zu Leistungen, die Patienten beim Arzt privat bezahlen müssen und geben Patiententipps zu diesen IGeL-Leistungen. Und sie wollen auch ein Stimmungsbild sammeln, wie es vor Ort aussieht.
„Kurz und zackig ein zusätzliches Honorar einstreichen“
Petra Golly berichtet aus ihrer Zeit in Lippstadt von Ärzten, die nicht viel von Aufklärung ihrer Patienten über Nutzen und Kosten halten und nur kurz und zackig ein zusätzliches Honorar einstreichen wollen. So werde gerne bereits im Wartezimmer ein Fragebogen verteilt, in dem die Patienten gewünschte Zusatzleistungen ankreuzen sollten. Schnell seien da mal 190 Euro zusammen. In Einzelfällen sei es sogar vorgekommen, dass Patienten ohne Einverständnis mit zusätzlichen IGeL-Leistungen keinen Termin bekommen hätten. Viele Patienten seien verunsichert, fühlten sich unter Druck gesetzt oder fürchteten, das Vertrauensverhältnis zu ihrem Arzt zu verlieren. „Das finden wir nicht in Ordnung,“ sagt Marlies Albus. Die Verbraucherzentrale wolle die IGeL-Leistungen, die teils durchaus sinnvoll seien, auch nicht alle verteufeln. „Es geht darum, dass die Verbraucher ordentlich informiert werden und ohne Druck selbst entscheiden können.“