Arnsberg/Südwestfalen. „Das Handwerk in Südwestfalen trotzt dem aktuellen Trend“, sagte Hauptgeschäftsführer Meinolf Niemand bei der Vorstellung der Ergebnisse der Konjunkturumfrage der Handwerkskammer in Arnsberg, an der sich 678 Unternehmen beteiligt hatten: „Auf die Rekordhöhe von 145 Punkten kletterte der Indexwert für die Geschäftsentwicklung im Handwerk.“ Damit hält die bislang längste Boom-Phase im Handwerk an. Während der Sachverständigenrat in seinem jüngsten Gutachten und das Bundeswirtschaftsministerium mit ihren Prognosen einen deutlich gebremsten Konjunkturverlauf erwarten, behauptet sich Südwestfalen weiter und: „Der Motor ist das Handwerk!“ Allerdings weist der Indexwert für die Auftragsentwicklung eine negative Tendenz auf.
Der Bau ist das Zugpferd
Zugpferde der Konjunktur waren vor allem die Bauhandwerke und in der Folge, aber auch eigenständig, die Ausbauhandwerke. Die Baukonjunktur nährt sich weiter aus dem niedrigen Zinsniveau und aus dem gestiegenen gewerblichen Investitionsvolumen. Bei den Ausbauhandwerken kommen Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz sowie Komfortaspekte als Konjunkturmotoren hinzu. Die Fördermöglichkeiten zur energetischen Ertüchtigung von Immobilien verstärken den positiven Konjunkturverlauf.
Schwieriger ist die Situation im Kfz-Handwerk. Angefangen beim nicht ausgestandenen Diesel-Skandal mussten die Unternehmen zusätzlich mit Lieferschwierigkeiten wegen des neuen WLTP-Testzyklus‘ kämpfen. Dank der guten Werkstattauslastung konnten die Unternehmen aber auf einen verhalten positiv verlaufenen Zeitraum zurückblicken und sehen auch wieder positiver in die Zukunft.
Gut ist die Lage im Nahrungsmittelbereich. Die moderat höheren Verbrauchereinkommen und das gestiegene Qualitätsbewusstsein verbuchen diese Betriebe auf der positiven Seite. Unverändert stark ist allerdings der Druck durch die fortschreitende Filialisierung und durch die „Hauptsache billig“ Mentalität. Gedrückt wird die Stimmung durch die großen Probleme für diesen Handwerksbereich, Fach- und Nachwuchskräfte zu gewinnen.
Zufriedenheit in Gesundheitsbranche
Deutlich besser als im Vorjahr ist die Lage der Gesundheitshandwerke und der Handwerke des privaten Bedarfs. So meldete kein Umfrageteilnehmer aus dem Gesundheitsbereich eine schlechte Geschäftslage, im Gegenteil: beinahe drei Viertel blicken auf einen guten Geschäftsverlauf zurück. Deutlich verhaltener stellt sich die Situation bei den Handwerken für den privaten Bedarf dar. Während die Gesundheitsbranche erkennbar positiver gestimmt die kommenden Monate angeht, sehen die Handwerke für den privaten Bedarf eher verhalten in die Zukunft.
Leicht abnehmender Auftragseingang
Generell darf bei den Zukunftsaussichten nicht das zunehmend schwieriger werdende Umfeld gerade für die Betriebe, die als Zulieferer Teil einer Lieferkette sind, übersehen werden. Kennzeichnend ist der leicht abnehmende Auftragseingang, der für die kommenden Monate erwartet wird. Während der Baubereich sich auch hier in der Spitzengruppe hält, sind die Befürchtungen im Bereich der Metallberufe deutlich stärker. 14,5 Prozent der Befragten befürchten einen Rückgang der Orders. Der internationale Trend zu mehr Protektionismus ist sicher eine der Ursachen für die gedämpftere Einschätzung und vor allem hat die endlose Brexit-Debatte mit ihrem noch immer ungewissen Ausgang (Brems)Spuren hinterlassen.
Kapazitätsgrenzen vielfach erreicht
Gleichzeitig erleben viele Betriebe das Erreichen von Kapazitätsgrenzen, die ein Mehr an Aufträgen gar nicht mehr zulassen. So haben im Baubereich derzeit die Hälfte der Unternehmen eine Auslastung von mehr als 90 Prozent. Beinahe jeder Fünfte meldet sogar, über 100 Prozent zu liegen. Noch deutlicher sind die Antworten aus dem Ausbaubereich: Jeder vierte Betrieb hat die „Schallmauer“ von 100 Prozent bereits durchbrochen. „Angebotsseitig spielen die in vielen Branchen erreichten Kapazitätsgrenzen und bestehenden Arbeitskräfteengpässe eine Rolle“, stellt der Sachverständigenrat fest. Die Angaben der Handwerksbetriebe bestätigen diese Einschätzung. Die Dynamik der Entwicklung verdeutlicht die Erhebung zu den freien Stellen, die die Handwerkskammer Südwestfalen zusätzlich durchführt. Sie verzeichnet sogar eine Zunahme beim Hilfskräftebedarf, der gerade für Zeiten der Hochkonjunktur typisch ist. Diese „Verbesserung“ sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass hochqualifizierte Fachkräfte und Spezialisten praktisch nicht zu finden sind. Die Verrentungswelle bei den Babyboomern wird das Problem fortbestehen lassen, und selbst bei einer nachlassenden Konjunktur noch weiter verschärfen. Für das personalintensive Handwerk ist der Fachkräftemangel eine echte Wachstumsbremse!
Kostendruck und Preiskorrekturen
Problematisch bleibt weiterhin die Entwicklung der Kosten. Gestiegene Rohstoff- und Energiepreise sowie deutliche Zuwächse aus den Tarifabschlüssen setzen die Betriebe unter Druck. Obwohl viele Betriebe einen Teil der Kosten in die Leistungspreise einarbeiten und am Markt realisieren konnten, droht für die Zukunft eine weitere Verschärfung der Entwicklung. Besonders betroffen sind die Zulieferbetriebe, die zudem einem starken Druck von Seiten der Nachfrager ausgesetzt sind. Dank der guten Auftragslage konnte das Handwerk dennoch Umsatzsteigerungen für sich verzeichnen. Vor allem im Bau- und im Ausbaubereich bekamen die Leistungspreisanpassungen auch die privaten Endverbraucher zu spüren. Die Nahrungsmittelhandwerke kamen ebenfalls nicht um Preiskorrekturen herum. Gegenteilig verlief die Entwicklung bei den Gesundheitshandwerken, wo deutlich mehr Betriebe Zugeständnisse machen mussten.
Leergefegter Arbeitsmarkt ein Hemmnis
Der letzte Blick gilt dem Investitionsverhalten. Über alle Handwerksgruppen hinweg zeigt sich eine deutliche Zunahme der Investitionen, wobei mehr als die Hälfte der Befragten ihr Investitionsvolumen beibehielten und mehr als ein Drittel es noch steigerten. Dominant waren dabei die Erweiterungs- und Rationalisierungsmaßnahmen als Folge der guten Auftragslage. Wenn sich die Annahmen aus den Gutachten des Sachverständigenrats und des BMWI bewahrheiten sollten – beide unterstellen nur eine temporäre Verflachung des Konjunkturverlaufs, die noch im ersten Halbjahr in eine Wirtschaftsbelebung führen werde –, sind die Handwerksbetriebe in Südwestfalen gut aufgestellt. Einzig der leergefegte Arbeitsmarkt könnte dann ein Hemmnis darstellen.